Martin Kind, Mehrheitsgesellschafter des Fußball-Zweitligisten Hannover 96

Fußball Gericht entscheidet: Kind bleibt Geschäftsführer von Hannover 96

Stand: 11.10.2022 19:09 Uhr

Geschäftsführer Martin Kind vom Fußball-Zweitligisten Hannover 96 ist als Sieger aus dem Rechtsstreit mit der Führung des Muttervereins um seine Kündigung hervorgegangen.

In der Hauptsacheverhandlung am Dienstag (11.10.2022) gab das Landgericht Hannover dem Mehrheitsgesellschafter der 96-Profiabteilung mit seiner Klage gegen seinen Rauswurf recht. Dieser sei "nichtig", erklärte der Vorsitzende Richter Carsten Peter Schulze in Abwesenheit von Kind in seiner Urteilsverkündung.

Richter: "Können Problem von Hannover 96 nicht lösen"

Kind, der seit Jahren im Clinch mit den Verantwortlichen des e.V. liegt, war am 27. Juli vom Mutterverein als Chef des ausgegliederten Profibereichs abgesetzt worden und gegen die Demission juristisch vorgegangen. Dass das Urteil zugunsten des Unternehmers nun für Ruhe bei den "Roten" sorgt, ist allerdings unwahrscheinlich, wie selbst Richter Schulze nach der Verhandlung sagte: "Die Situation ist sehr verfahren. Wir können das Problem von Hannover 96 nicht lösen."

Beendet ist demnach die juristische Auseinandersetzung wohl nicht. Schon nach der vorläufigen Entscheidung im August hatte die Spitze des e.V. Berufung beim Oberlandesgericht Celle eingelegt. Auch gegen die jüngste Entscheidung dürfte sich der Mutterverein zur Wehr setzen.

Mutterverein hat gegen Gesellschaftsvertrag verstoßen

Im Rechtsstreit zwischen Kind und dem e.V. ging es um den Geschäftsführer-Posten der Hannover 96 Management GmbH. Laut Gesellschaftsvertrag darf allein der Aufsichtsrat dieser GmbH über die Bestellung und Abberufung des Geschäftsführers entscheiden. Und dieser Aufsichtsrat ist mit je zwei Vertretern der Vereins- und Kapitalseite besetzt. In den Augen des Landgerichts hat die e.V.-Spitze gegen den Gesellschaftsvertrag verstoßen, als sie Kind ohne Einbeziehung der beiden anderen Aufsichtsratsmitglieder abberief.

Ob dieser Vertrag womöglich gegen den Grundsatz der 50+1-Regel verstößt, die im deutschen Profifußball in solchen Fällen ein Weisungsrecht des Stammvereins gegenüber externen Investoren vorschreibt, war nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Es ging darin erst einmal nur darum, ob Kinds Abberufung rechtens war oder nicht.

"Welche Auswirkungen dies auf den Fußballbetrieb hat, ist etwas, was hier nicht im Mittelpunkt steht. Deshalb mag das für einige Beteiligte interessant sein, wie sich die DFL erklärt, aber für den Rechtsstreit muss es nicht von Bedeutung sein."
— Richter Carsten Peter Schulze

50+1: Hannover droht möglicherweise Lizenzverlust

Nach Ansicht des Muttervereins verstößt der Club gegen die Regeln der Deutschen Fußball-Liga (DFL), wenn der e.V.-Vorstand Kind nicht entlassen kann. Das könnte bedeuten, dass 96 künftig keine Bundesliga-Lizenz erhält. Dieser Meinung ist offenbar auch die DFL. Die "Bild"-Zeitung und die "Neue Presse" zitierten am Montag aus einem ihnen vorliegenden Schreiben von Jürgen Paepke, Justiziar des Ligaverbandes, das als deutliche Warnung an Kind zu verstehen ist.

Die DFL pocht auf "das uneingeschränkte Weisungsrecht" des Vereins gegenüber der Kapitalseite. Das sei im Fall des Zweitligisten "eine wesentliche Voraussetzung, dass die Struktur als noch mit der 50+1-Regel vereinbar angesehen wird". Das Landgericht Hannover sieht das am Montagabend veröffentlichte Schreiben der DFL für seine Entscheidung als nicht erheblich an. "Welche Auswirkungen dies auf den Fußballbetrieb hat, ist etwas, was hier nicht im Mittelpunkt steht. Deshalb mag das für einige Beteiligte interessant sein, wie sich die DFL erklärt, aber für den Rechtsstreit muss es nicht von Bedeutung sein", sagte Richter Schulze.

DFL will 50+1-Regel bei Hannover 96 "neu prüfen"

Nach dem nun erfolgten Urteils des Landgerichtes erklärte die DFL in einer Mitteilung vom Dienstagabend, dass sie die Einhaltung der 50+1-Regel bei dem Zweitligisten notfalls "neu prüfen" wolle. Und zwar "unabhängig von dem Ausgang des anhängigen Rechtsstreits zwischen der Hannover 96 Management GmbH und Herrn Martin Kind über die Wirksamkeit eines Abberufungsbeschlusses."

Kind: "Unternehmensrecht höher einzuordnen als Verbandsrecht"

"Die Hannover 96 KGaA hat die Verträge mit dem e.V. und der DFL beachtet. Darüber hinaus ist klar festzuhalten: Das Unternehmensrecht ist höher einzuordnen als das Verbandsrecht", sagte Kind in einer am Nachmittag veröffentlichten Stellungnahme. "Ich begrüße diese Entscheidung. Sie führt zu Rechtsklarheit in dieser Frage in der Zukunft. Es besteht nunmehr Rechtssicherheit im Sinne der Weiterentwicklung des Wirtschaftsunternehmens Hannover 96 und des Breitensportvereins Hannover 96 e.V. Das setzt allerdings voraus, dass Aufsichtsrat und Vorstand ihre bereits zuvor im einstweiligen Verfügungsverfahren vom OLG Celle als in besonderem Maße treuewidrig bezeichnete Vorgehensweise zukünftig unterlassen."

In der Stellungnahme beklagte die Profifußballsparte des Clubs zudem, dass "der begründete Verdacht" naheliegt, die DFL habe die Medien in Hannover selbst über den Inhalt "dieses persönlichen und vertraulichen Schreibens" informiert und bezeichnete dies als "krassen Vertrauensbruch". 

Komplizierte Struktur bei 96

Die Auseinandersetzung beim niedersächsischen Traditionsclub liegt auch an der komplizierten Struktur: Kind ist Mehrheitsgesellschafter der Hannover 96 Sales&Service GmbH&Co. KG, der die Profifußball-KGaA zu 100 Prozent gehört. Da die 50+1-Regel in Deutschland jedoch vorschreibt, dass der Stammverein immer die Stimmenmehrheit in einer ausgegliederten Kapitalgesellschaft besitzen muss, werden die Geschäftsführer der KGaA von der Hannover 96 Management GmbH bestimmt. Sie gehört zu 100 Prozent dem Stammverein.

Dieses Thema im Programm:
Aktuell | 11.10.2022 | 14:00 Uhr