Mario Vuskovic (M.) vor dem DFB-Sportgericht.

DFB-Sportgericht im Dilemma Freispruch oder Sperre für HSV-Profi Vuskovic?

Stand: 31.03.2023 09:13 Uhr

Verteidiger Mario Vuskovic vom Fußball-Zweitligisten Hamburger SV ist bei einer Dopingkontrolle positiv auf Epo getestet worden. Nach drei Verhandlungen vor dem DFB-Sportgericht wurde er nun für zwei Jahre gesperrt. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum "Fall Vuskovic".

HSV-Verteidiger Mario Vuskovic wurde am 16. September 2022 bei einer Trainingskontrolle der Nationalen-Anti-Doping-Agentur (NADA) positiv auf das Dopingmittel Epo getestet.

Der positive Befund wurde unmittelbar nach dem Spiel der Hamburger gegen Sandhausen (4:2) bekannt. Vuskovic hatte in der Partie nicht zum Kader gehört. Zunächst wurde dies vom HSV mit "persönlichen Gründen" erklärt.

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) sperrte Vuskovic zunächst vorläufig. Der 21 Jahre alte Kroate beantragte die Öffnung der B-Probe, die das positive Ergebnis der A-Probe bestätigte, wie der DFB am 15. Dezember mitteilte. Nach drei Verhandlungstagen gab das DFB-Sportgericht schließlich am 30. März 2023 das Urteil schriftlich bekannt: Vuskovic wird für zwei Jahre gesperrt. Die Sperre gilt rückwirkend ab dem 15. November 2022.

"Das DFB-Sportgericht ist im Ergebnis des Verfahrens mit hinreichender Gewissheit davon überzeugt, dass die Analysen der A- und B-Probe des Spieler-Urins im Labor in Kreischa das Vorhandensein von körperfremdem Erythropetin, kurz Epo, ergeben haben. Dabei handelt es sich um eine verbotene sogenannte 'nicht-spezifische Substanz', womit ein strafbarer Verstoß gegen die Anti-Doping-Vorschriften des DFB vorliegt."

Für den festgestellten Verstoß ist in der Regel laut der weltweit geltenden Anti-Doping-Bestimmungen eine Sperre von vier Jahren vorgesehen. Das DFB-Sportgericht wich davon "bewusst ab" und begründete dies zum einen damit, dass Vuskovic als Ersttäter zu behandeln sei. Außerdem zeige der Analysebefund nur eine geringe Menge an Epo, so dass nicht von einem strukturierten Doping ausgegangen werden könne.

"Die Auswirkungen einer langen Sperre würden einen 21 Jahre alten, noch im Entwicklungsprozess befindlichen Berufsfußballspieler und Mannschaftssportler zudem intensiver als einen Einzelsportler treffen, auch in wirtschaftlicher Hinsicht", verwies das Gericht auf das Verhältnismäßigkeitsgebot. 

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB). Er hatte Vuskovic bereits vorläufig gesperrt. Die endgültige Entscheidung traf das DFB-Sportgericht nach dem Hauptverfahren. Nach drei Verhandlungstagen wurde das Urteil schriftlich am 30. März mitgeteilt.

Vuskovic kann gegen das Urteil vor das DFB-Bundesgericht ziehen. Der HSV kündigte diesen Schritt bereits an. Auch die WADA und die NADA können Einspruch einlegen.

Neben dem sportlichen Verfahren ermittelt die Staatsanwaltschaft auf Grundlage des Anti-Doping-Gesetzes gegen Vuskovic. Das muss sie, denn seit Dezember 2015 gibt es das Antidopinggesetz. Dem kroatischen U21-Auswahlspieler droht somit auch ein Verfahren vor einem ordentlichen Gericht.

Nachdem der Kroate öffentlich seit Bekanntwerden der positiven A-Probe geschwiegen hatte, beteuerte er in seiner Aussage am 3. Februar vor dem DFB-Sportgericht seine Unschuld.

Ebenso wie in seiner schriftlichen Stellungnahme, die der Kroate am 17. Januar beim DFB eingereicht hatte. Der HSV-Profi hatte in dem Zuge auch Einspruch gegen seine vorläufige Sperre eingelegt. Am 5. März 2023 postete er bei Instagram: "Ich werde bis zum Ende für meine Unschuld kämpfen. Ich hoffe, wir sehen uns bald auf dem Feld."

Vuskovic hat drei Anwälte engagiert, die sich mit seinem Fall befassen.

Unter Tränen sagte der Kroate am 17. März vor dem DFB-Sportgericht: "Ich bin unschuldig. Ich habe im Sport niemals betrogen, und das werde ich auch niemals tun."

In der ersten Verhandlung vor dem DFB-Sportgericht hoben die Verteidiger des Kroaten auf eine mögliche Verwechslung der Probe ab. Doping-Kontrolleur Markus Jungblut, der die Probe bei Vuskovic genommen hatte, versicherte, dass das Testprozedere eingehalten worden sei.

Der HSV hatte vier Gutachten beim DFB eingereicht, die Fehler bei der Laboranalyse belegen sollen. Sie stellen das positive Ergebnis in Frage und behaupten, der Kroate sei nicht mit Epo gedopt gewesen. Diese Gutachten wurden am zweiten Verhandlungstag am 9. Februar präsentiert.

Vor dem ursprünglich für den 10. März angesetzten dritten Verhandlungstermin reichte die Vuskovic-Seite einen neuen, umfangreichen Verteidigungsschriftsatz ein, mit vier ergänzenden Bewertungen wissenschaftlicher Fachberater. Diese waren dann Thema im dritten Termin am 17. März.

Das Gericht hatte den kanadischen Experten Prof. Jean-Francois Naud beauftragt, den Fall zu untersuchen. Im Rahmen dessen sollte der renommierte Epo-Experte auch versuchen, anhand der Restmenge an Urin aus Vuskovic' Dopingprobe möglichst eine weitere Analyse auf körperfremdes Epo durchzuführen.

Naud erstellte ein Gutachten und bestätigte die Resultate des Labors in Kreischa. Eine C-Proben-Analyse lehnte er ab. Auch Stephan Oberholz, der Vorsitzende des DFB-Sportgerichts, erklärte: "Eine weitere Analyse, wie von der Verteidigung hilfsweise beantragt, ist aus unserer Sicht nicht mehr erforderlich."

Epo ist die Kurzform für Erythropoetin. Erythropoetin ist ein Hormon, das die Bildung roter Blutkörperchen (Erythrozyten) fördert und vor allem in der Niere produziert wird. Je höher die Zahl der Erythrozyten, desto größer ist die Sauerstoffkapazität des Blutes. Entsprechend steigt die Ausdauer-Leistungsfähigkeit.

Gentechnisch (rekombinantes) hergestelltes Epo wurde Anfang der 1980er-Jahre entwickelt und ursprünglich als Medikament verwendet, beispielsweise bei Blutarmut und einer Niereninsuffizienz.

In den 1990er-Jahren war Epo in Ausdauersportarten - vor allem im Radsport - als Dopingmittel weit verbreitet. Angst vor Entdeckung mussten die Sportler lange Zeit nicht haben. Erst seit Anfang 2000 ist es möglich, gentechnisch hergestelltes Epo direkt im Urin - und damit bei einer klassischen Dopingkontrolle - nachzuweisen.

Auch im Fußball wurde es eingesetzt. Bekannt ist beispielsweise, dass Juventus Turin in den 1990er-Jahren sein Star-Ensemble systematisch mit Epo versorgte.

Der HSV unterstützte Vuskovic und hoffte auf einen Freispruch.

Nach der Verurteilung Vuskovics durch den DFB könnte der Fußball-Zweitligist den bis zum 30. Juni 2025 laufenden Vertrag des Kroaten indes fristlos kündigen. Sportrechtlich gesehen hätte der Verteidiger seinen Vertrag "ohne triftigen Grund" aufgelöst, sprich: gebrochen.

Dann wäre auch eine Klage bei der FIFA auf Schadenersatz für den HSV möglich.

Die Wahrscheinlichkeit ist sehr gering. 2016 hatte der DFB seine Regeln zur Spielwertung bei einem Verstoß gegen die Anti-Doping-Vorschriften an die Bestimmungen des Weltverbands FIFA und der Europäischen Fußball-Union UEFA angepasst.

Demnach sollen Strafen gegen einen Verein nur dann erfolgen, "wenn dem Club ein Verschulden nachgewiesen werden kann oder mehr als zwei Spieler der Mannschaft gegen die Anti-Doping-Bestimmungen verstoßen haben".

Nach der Positiv-Probe vom 16. September 2022 bestritt der HSV acht Liga-Partien mit Vuskovic und holte dabei 13 Punkte.

Dieses Thema im Programm:
Sportclub | 02.04.2023 | 22:50 Uhr