
Jahresrückblick 2022 | Mai RB Leipzig gewinnt den DFB-Pokal
Im Mai knallten bei RB Leipzig die Champagnerkorken. Mit dem Sieg im DFB-Pokal ist der Klub aus dem Red-Bull-Universum endgültig im Konzert der Großen angekommen. Ein Erfolg, der Fußball-Deutschland mal wieder gespalten hat: die einen jubelten, die anderen sahen den endgültigen Untergang des traditionellen Fußballs gekommen. Eines ist klar, es war unvermeidlich.
Vizemeister, Vizepokalsieger, Champions-League-Halbfinalist – RB Leipzig hat in seiner noch immer sehr jungen Vereinshistorie schon einiges erlebt und sich längst unter den Top fünf der Bundesliga-Klubs etabliert. Das Einzige, was bisher gefehlt hatte, war ein großer Titel im Trophäenschrank. Abgesehen vom Sachsenpokal der Jahre 2011 und 2013 sowie dem Meisterschaftspokal in der Regionalliga Nordost 2013 gab es nichts Glänzendes zu bejubeln. Das änderte sich am 21. Mai 2022.
Durch einen dramatischen Sieg nach Elfmeterschießen im Finale des DFB-Pokals gegen den SC Freiburg war es vollbracht: RB Leipzig hatte seinen ersten großen nationalen Titel gewonnen. Der Sieg wurde RB-typisch mit einer Dose aus der hauseigenen Produktion zelebriert, Kevin Kampl schüttete im Endorphin-Rausch das Getränk sogar in den Goldpokal. Für die einen ist der Pokal nun ge-, für die anderen entweiht.
Mintzlaff: "Sind Bereicherung für Fußball-Deutschland"
Der Erfolg zeigte einmal mehr, wie polarisierend RB Leipzig auch 13 Jahre nach seiner Gründung durch die damalige Übernahme der Oberliga-Lizenz des SSV Markranstädt noch immer ist. Dass aus den Pötten getrunken wird, ist im Sport ein weit verbreiteter Usus. Nun, da aber der Energytrink aus Fuschl in den Pokal gegossen wurde, sorgte teils für Häme und Kritik.
Auf der anderen Seite wurde RBL-Geschäftsführer Oliver Mintzlaff, der nach dem Tod von Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz vor wenigen Wochen den Posten als Chef beim Getränkegiganten übernahm, bei der Rückkehr nach Leipzig nicht müde zu erwähnen, dass der Klub nun seinen festen Platz in der deutschen Fußball-Geschichte hat. "Und wer immer noch nicht kapiert hat, dass wir eine Bereicherung für Fußball-Deutschland sind, dem wollen wir gar nicht mehr helfen", rief Mintzlaff den knapp 15.000 Fans auf dem Leipziger Marktplatz zu. Nach der Fahrt durch die Stadt wurde das Team später von etwa 35.000 Anhängern auf der Festwiese vor dem Stadion gefeiert.
Vorhandene Mittel gut eingesetzt
Auch wenn es viele der alteingesessenen Anhänger nicht wahrhaben wollen: RB Leipzig ist angekommen. In Leipzig, im Osten und in Fußball-Deutschland. Der Klub hat sich mit seinem Image als "Familien-Verein" eine Nische gesucht und füllt diese aus. Viele, die sich in Leipzig und in den umliegenden Bundesländern vor Jahren vom Fußball abgewendet hatten, kamen zurück, andere wechselten zu RB Leipzig wegen der Aussicht auf hochklassigen Fußball.
Natürlich spielt dem Klub das viele Geld in die Hände – wie diese Mittel aber eingesetzt werden, macht den RBL-Verantwortlichen so schnell keiner nach. Talente werden weltweit gescoutet und dem RB-System frühestmöglich zugeführt. Über die Klubs in Liefering, Salzburg oder Brasilien können sie Spielpraxis sammeln, bevor es nach Leipzig geht. Einzig in der eigenen Jugendarbeit am Cottaweg will es noch nicht so ganz fruchten. Egal, wie man zu RB steht, man kommt nicht umhin festzustellen, dass der Klub wohl auch zukünftig ein heißer Titelanwärter sein wird.
Tedesco bringt RB den Pokal – und muss wenig später gehen
Dass die letzte Saison überhaupt solch ein Ende nehmen würde, war lange Zeit nicht absehbar. Nach dem Weggang von Julian Nagelsmann zum FC Bayern München wurde mit Jesse Marsch ein Trainer aus dem RB-Kosmos nach Leipzig geholt. Doch unter dem US-Amerikaner stellten sich die erhofften Erfolge nicht ein. Wenige Monate nach seinem Amtsantritt musste er wieder gehen. Für ihn kam etwas überraschend Domenico Tedesco an den Cottaweg. Der immer noch junge Übungsleiter hatte sich einst bei Erzgebirge Aue und dem FC Schalke 04 erste Sporen verdient und zuletzt in Russland bei Spartak Moskau gearbeitet.
Mit den RasenBallern gelang ihm in der Liga und im Pokal eine eindrucksvolle Serie, die mit der erneuten Champions-League-Qualifikation und dem Erfolg im nationalen Pokal ihren Höhepunkt fand. Aber nur wenige Monate nach dem Triumph im Berliner Olympiastadion war sein Kredit schon aufgebraucht. Nach einem schwachen Saisonstart griffen einmal mehr die Mechanismen des Geschäfts. Pokalsieger-Coach Tedesco musste Anfang September nach einer deftigen 1:4-Pleite in der Champions League gegen Donezk gehen und wurde durch den vorherigen BVB-Trainer Marco Rose ersetzt.
Rose schlägt ein – Eberl schlägt auf
Der gebürtige Leipziger schaffte binnen kürzester den Turnaround. Rose führte das Team bis zur Winterpause von Rang elf auf drei in der Bundesliga, souverän ins Pokal-Achtelfinale und nach vier CL-Siegen in Serie – unter anderem über Titelverteidiger Real Madrid – unverhofft doch noch ins Achtelfinale gegen Manchester City. Darüber hinaus weiß der 46-Jährige seit Dezember endgültig einen alten Weggefährten aus gemeinsamen Gladbacher Tagen an seiner Seite. Max Eberl, der sich gut zehn Monate zuvor ausgelaugt und zerrieben eine Bundesliga-Auszeit genommen hatte, soll als Sportgeschäftsführer und neuer starker Mann nach dem Mintzlaff-Abgang den Klub in die Zukunft führen.