Zwei Mädchen auf einem Sportplatz sitzen auf einem Ball.

Fußball | Regional Ohne Breite keine Spitze - die Situation im Frauen- und Mädchenfußball

Stand: 02.04.2023 09:54 Uhr

Die Euphorie um die deutsche Frauen-Nationalmannschaft ist groß, aber die Anzahl der reinen Mädchenmannschaften hat sich in den letzten zehn Jahren halbiert. Der DFB setzt auch auf gemischte Teams, dafür gibt es Kritik.

Von Peer Vorderwülbecke

Mädchenfußball war mal eine Boomsportart. Im Vorfeld der Frauenfußball-WM 2011 in Deutschland hatte der DFB große Werbekampagnen gefahren, die Zahl der Mädchenmannschaften kletterte auf 8.700. Mehr als zehn Jahre später herrscht Katerstimmung beim Deutschen Fußballbund: Etwas über die Hälfte der Mannschaften haben sich seither vom Spielbetrieb abgemeldet, 2021 waren es nur noch knapp 4.000. "Wir haben es nach der WM vernachlässigt, Programme für Mädchen aufzulegen", sagt Sabine Mammitzsch selbstkritisch, sie ist DFB-Vizepräsidentin für Frauen und Mädchenfußball.

Sabine Mammitzsch

Sabine Mammitzsch, DFB-Vizepräsidentin für Frauen und Mädchenfußball.

DFB mit Förderprogramm "FF27"

Solche Förderprogramme sind dringend nötig, der DFB hat auch schon einige initiiert. Auch DFB-Präsident Bernd Neuendorf weiß: "Ohne Breite keine Spitze." Deshalb hat der Verband 2021 ein Förderkonzept erstellt. "FF27 – Frauen im Fußball", heißt es. Bis zum Jahr 2027 soll die Zahl der kickenden Mädchen um 25% steigen. Aber wie kann das gelingen?

Wie steht es um den Mädchen- und Frauenfußball in der Region, Hermann Winkler?

Wenige reine Mädchenmannschaften in den jüngsten Klassen

Der DFB setzt in dem Konzept auf "leichtere Einbindung in gemischte Teams". Mädchen, die mit dem Fußball in jungen Jahren anfangen, sollen also mit Jungs gemeinsam spielen. Beim Fußballklub Roter Stern in Leipzig setzt man dagegen auch schon in den untersten Altersklassen auf reine Mädchenmannschaften – und hat damit Erfolg. "Wir haben mittlerweile eine lange Warteliste, weil wir gar nicht so viele Mädchen aufnehmen können", erzählt E-Jugend Trainer Johannes Duschka. Allerdings gibt es in der Großstadt Leipzig in dieser Altersklasse nur einen weiteren Verein mit  reinen Mädchenmannschaften – zu wenig für einen Mädchen-Spielbetrieb.

Deshalb hat Duschka kürzlich ein Turnier für reine Mädchen-Mannschaften organisiert. Finanzielle Unterstützung vom Sächsischen Fußballverband gab es nicht. Die Teams haben lange Anreisen auf sich genommen, sie kamen aus Dresden, Weimar oder Magdeburg. Nur um sich auch mal untereinander messen zu können. Beim Frauen Fußballclub Magdeburg boomt der Mädchenfußball in den untersten Altersklassen ebenfalls. Mittlerweile sind dreißig Mädchen im Training – allerdings ist der FFC auch der einzige Klub in Magdeburg mit einer reinen Mädchenmannschaft in dieser Altersklasse.

Zwei Mädchen auf einem Sportplatz sitzen auf einem Ball.

Zahl der Mädchenmannschaften hat sich halbiert.

Kritik am Konzept gemischter Mannschaften

Johannes Duschka vom Roten Stern kritisiert den DFB für den starken Fokus auf gemischte Teams. Für Mädchen sei das oft eine zu große Zugangshürde. "In der Realität spielen in solchen Teams dann zwei Mädchen und 30 Jungs", sagt der erfahrene Jugendtrainer. "Da verliert man viele Mädchen." Nämlich gerade die, die nicht so leistungsstark sind, aber trotzdem gerne Fußball spielen wollen. Das liegt auch am Verhalten der Jungs, die schon sehr jung sehr leistungsorientiert spielen. Tatsächlich erzählen das auch die Mädchen, die zu dem Turnier nach Leipzig gekommen sind. "Die Jungs schreien immer rum und foulen halt oft", erzählt Neele vom VfB Oberweimar. "Man unterhält sich mehr unter Mädels", sagt Mannschaftskollegin Jasmyn. "Auch über Themen, über die man mit Jungs nicht reden kann." Die zehnjährige Stella kickt schon seit Jahren beim Roten Stern: "In der Jungs-Mannschaft wird man immer so angemotzt", berichtet sie. "Da macht Fußball spielen nicht so viel Spaß."

Plädoyer für reine Mädchenmannschaften

Vom großen Spaßfaktor berichtet auch Daniela Hesse. Ihre siebenjährige Tochter spielt beim FFC Magdeburg. "Die verstehen sich alle super", schwärmt sie. "Auch die neuen werden toll aufgenommen, die sind alle Freundinnen." Auch aus wissenschaftlicher Sicht gibt es Unterstützung für die Idee der reinen Mädchenmannschaften. Professor Heinz Reinders ist Direktor des Nachwuchsförderzentrums für Juniorinnen der Uni Würzburg – eine Kooperation mit den Würzburger Kickers: "Wir haben da gute Erfahrungen gemacht. Wir bieten schon ab der U8 reine Mädchenmannschaften an.“ Und der Erfolg gibt ihm recht. "Wir haben hier vor 12 Jahren mit vier Mädchen angefangen. Mittlerweile haben wir 150 Spielerinnen, die auch hochklassig spielen."  Der Leipziger Mädchen-Trainer Johannes Duschka verweist auf die USA, die Nummer eins im Frauenfußball:  "Da spielen Mädchen immer mit Mädchen. Deswegen glaube ich nicht, das Mädchen zwingend in Jungen-Teams spielen müssen, um leistungsstark Fußball-Spielen zu können."

Nicht ohne meine Mädels steht auf einem Transparent

Nicht ohne meine Mädels steht auf einem Transparent

Mittlerweile scheint sich beim DFB ein Umdenken abzuzeichnen. "Ich möchte auch gerne, dass reine Mädchenteams weiter unterstützt werden, weil wir die auch brauchen", sagt Sabine Mammitzsch, die DFB-Vizepräsidentin für Frauen und Mädchenfußball. "Wenn wir es schaffen Mädchenmannschaften zu fördern, dann haben wir auch Teams, die hochwachsen." Und das wird nötig sein. Denn die Krise des Mädchenfußballs wird zwangsläufig zu einer Krise des Frauenfußballs führen – wenn man nicht wieder mehr Mädchen für den Fußball begeistert.