
ARD-Radio-Recherche Sport Zu Besuch in Thalgau: Ein Blick in das Sportsystem Red Bull
Im Fußball ist Red Bull das Feindbild vieler Fans. Aber das System Red Bull ist dort genauso erfolgreich wie in anderen Sportarten. In der Formel 1 ist das Team amtierender Weltmeister. Ein Blick hinter die Kulissen des Sport-Giganten.
In der Formel 1, im Fußball, im Eishockey, im Extremsport und Wintersport ist das System Red Bull außerordentlich erfolgreich. Für viele Athleten ist es eine große Ehre, den Helm mit der Werbung zu tragen, die Fußballer sind dagegen auch mal das Feindbild anderer Fans. Aber die Firma sponsert die Sportler nicht nur, sondern betreut sie auch selbst.
Die ARD-Radio-Recherche Sport hat mit aktuellen und ehemaligen Red-Bull-Sportlern über das System gesprochen und durfte dorthin, wo Medien selten zu Gast sind, ins Trainingszentrum nach Thalgau, in der Nähe von Salzburg.
Alles unter einem Dach
Aus der alten Zinnoxidfabrik ist eine Fabrik für Red-Bull-Sportler geworden. "Es ist die einzige Einrichtung, die ich so kenne, wo wirklich alles unter einem Dach ist", berichtet Andreas Wellinger, zweimaliger Olympiasieger im Skispringen vom SC Ruhpolding: "Das fängt beim Training an. Über die Biodynamik, die Diagnostik, über die Physio-Abteilung, die Mental-Abteilung, über die medizinische Abteilung. Das ist das, was es so geil macht.“
Red-Bull-Partnerschaft als Zeichen des Erfolgs
Auch Lisa Zimmermann war länger in Thalgau - für eine Reha. Die ehemalige Ski-Freestyle-Weltmeisterin ist jetzt 27 Jahre alt und keine Red-Bull-Sportlerin mehr. An den Start der Partnerschaft, erinnert sie sich aber noch gut. Als sie ein Paket bekommen hat, mit dem silber-blauen Red-Bull-Helm: "Das Paket auspacken, das ist ein bisschen das Zeichen: Du hast es geschafft, du bist jetzt in der Red-Bull-Familie."
Der Schritt in diese Familie lohnt sich natürlich auch finanziell. Bei der gebürtigen Nürnbergerin Zimmermann war es so: Die Reisekosten und Auslagen wurden übernommen. Dazu gibt es ein bestimmtes Fixum, ein niedriger fünfstelliger Betrag, der mit den Jahren steigt. "Wenn man noch in die Schule geht, ist es unglaublich viel Geld", sagt Zimmermann rückblickend.
Umstrittener Sportarzt führt Athleten zum Erfolg
Viele Sportler profitieren, aber es gibt auch massive Kritik am Marketingsystem und am langjährigen Leiter des Trainingszentrums - dem umstrittenen Sportarzt Dr. Bernd Pansold. Den holte der inzwischen verstorbene Red-Bull-Boss Dietrich Mateschitz 2003 nach Thalgau.
Pansold hatte in der DDR geholfen, junge Frauen und Kinder ohne deren Wissen zu dopen. Und wurde dafür nach der Wende zu einer Geldstrafe verurteilt. Mateschitz hat das offenbar nicht gestört. In Thalgau arbeitete Pansold über die Jahre mit vielen Weltklasse-Sportlern zusammen: darunter Formel-1-Fahrer Sebastian Vettel, Skifahrerin Lindsey Vonn, die Fußballer aus Leipzig und Salzburg.
Innauer lehnt Zusammenarbeit mit Pansold ab
Auch die österreichischen Skispringer Gregor Schlierenzauer und Thomas Morgenstern sollten unter Pansold trainieren. Sie mussten nur noch ihren Chef fragen, Toni Innauer: "Dann habe ich gesagt, das kommt überhaupt nicht in Frage." Innauer lehnte die Zusammenarbeit kategorisch ab.
"Es gab für mich immer das Denken einer gewissen Firewall. Wenn irgendwo irgendwas passiert, das mit Doping zu tun hat. Dann wollte ich absichern, dass wir da nicht in einem Zentrum trainieren, wo man dann sagt: 'Ja, das war ja absehbar, der Herr ist ja früher in der DDR auffällig geworden und verurteilt worden.' Und wenn dann - auch in einer anderen Sportart - dort etwas explodiert wäre, dann ist man mitgehangen und mitgefangen”, erklärt Innauer seine Entscheidung.
Nach 16 Jahren: Ende der Zusammenarbeit mit Pansold
2019, nach rund 16 Jahren wurde die Zusammenarbeit mit Bernd Pansold beendet, das weiß die ARD-Radio-Recherche von einem ehemaliger Mitarbeiter im Trainingszentrum. Warum ist Pansold raus? In der Antwort-Mail heißt es: "Wir möchten um Verständnis (bitten), dass wir zu Unternehmens-Interna keine Auskunft geben wollen.“
Seit Pansolds Abgang wird in jedem Fall noch globaler gedacht. In Thalgau arbeiten sie jetzt enger mit dem Red-Bull-Trainingszentrum in Los Angeles zusammen. Und es wird individueller auf die Sportler wie Andreas Wellinger eingegangen. "Mit neuer Führung und anderem Team. Ich würde sagen, die Hierarchie ist abgeschafft worden“, erklärt der Skisprung-Olympiasieger.
Wie geht es weiter bei Red Bull?
Offen bleibt, wie die Zukunft des Systems Red Bull nach dem Tod von Dietrich Mateschitz für die Sportler aussieht. "Das ist eine Frage, die hab ich mir auch schon gestellt", sagt Wellinger. "Ich hoffe und ich vermute, dass sich nicht groß was ändert. Weil ich glaube, dass sein Sohn Mark auch ein sehr, sehr sportbegeisterter Mensch ist. Ich bin mir sicher, dass die Unterstützung im Leistungssport bleiben wird."
Er klingt überzeugt, dass das Sportsystem Red Bull auch nach dem Mateschitz-Tod weitergehen wird. Der neue starke Mann im Konzern ist Oliver Mintzlaff, lange Jahre war er schon Boss bei den Fußballern von RB Leipzig.
Podcast bei Bayern 2 und in der ARD-Audiothek
Mehr über das Sportsystem Red Bull und einen mysteriösen Todesfall im Umfeld von Bernd Pansold erfahren Sie im Podcast „Dr. Red Bull“. Ein neuer sechsteiliger True-Crime- und Sport-Podcast. Die sechs Folgen von "Dr. Red Bull" stehen ab 22. März in der ARD Audiothek und überall, wo es Podcasts gibt. Ab 26. März gibt es sie außerdem immer sonntags, 17.05 Uhr auf Bayern 2.

Episodencover des investigativen Sport-Podcasts "Dr. Red Bull"
Quelle: radioDoku 22.03.2023 - 17:05 Uhr