European-Championships-Euphorie Neue Olympiabewerbung? Was dafür spricht und was dagegen

Stand: 20.08.2022 00:11 Uhr

Durch den Erfolg der European Championships in München nimmt die Diskussion um eine deutsche Olympia-Bewerbung an Fahrt auf. Sagt Deutschland nun doch wieder "Olymp-JA"?

Von BR24 Sport

Die European Championships (ECS) sind bislang ein voller Erfolg: Tausende Fans applaudieren den Sportlern bei den Europameisterschaften in neun verschiedenen Sportarten zu. Jenseits der Stadien feiern die Menschen friedlich und ausgelassen miteinander - ob am Königsplatz und im Olympiapark München erlebt nach der Fußball-WM 2006 das nächste "Sommermärchen".

Der Hype ist riesig und Stimmen werden laut, Deutschland möge sich wieder um Olympia bemühen. Tatsächlich zeigt "Mini-Olympia" in München, dass und wie eine solche Multisportveranstaltung in Deutschland ganz hervorragend funktionieren kann. Thomas Weikert, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB), bestätigte: "Wir machen uns natürlich Gedanken."

BR-Reporter Nagel: "Die Leute lechzen danach"

"Die European Championships zeigen doch, dass die Leute eher danach lechzen", sagt BR-Sportreporter Philipp Nagel im BR24Sport-Talk "Eins gegen eins" und plädiert dafür, eine weitere Olympiabewerbung zu prüfen. Trotz sieben gescheiterter Bewerbungsversuche sei die "Sehnsucht nach Emotionen" riesengroß.

Das sieht auch BR-Moderator Lukas Schönmüller so, allerdings mit einer kleinen, wichtigen Einschränkung: "Ich gebe Dir Recht. Alles was ich erleben durfte hier in München war unglaublich. Das kann nur der Sport, aber der IOC kann sowas nicht."

City-Host-Verträge bei Olympia: "Völlig absurd!"

Das Internationale Olympische Komitee sei an der Stelle das Problem, denn so etwas wie die Championships in München unter der Olympia-Flagge zu wiederholen, sei momentan nicht vorstellbar: "Was München gerade geschafft hat, auch als Stadt, die mitentscheiden durfte (...), diese Entscheidungsgewalt hast Du bei Olympia nicht. Du unterschreibst da irgendwelche City-Host-Verträge, gibst alles ab, das ist vollkommen absurd."

Knebelverträge, Gigantismus, die Frage nach Nachhaltigkeit und bei einigen anderen Themen müsse sich das IOC bewegen. Am Ende steht die Forderung: "Gebt den Leuten den Sport zurück."

Joachim Herrmann: Deutschland muss "sich aufraffen"

Bayerns Innen- und Sportminister Joachim Herrmann (CSU) hofft dennoch, dass dass von München ein Zeichen für eine Austragung Olympischer Spiele ausgehe, Deutschland müsse sich also "zu einer Bewerbung aufraffen." Jörg Ammon, Präsident des Bayerischen Landes-Sportverbandes, nahm die Vorlage auf und sagte: "Gell, Herr Herrmann, das kriegen wir schon gebacken für 2036, dass wir hier in München wieder Olympische Spiele haben werden."

Aber würde - trotz der aktuellen Euphoriewelle - eine Olympiabewerbung auch auf die Zustimmung in der Bevölkerung stoßen? Die letzten Spiele fanden vor 50 Jahren in München statt - seitdem hat sich die Bundesrepublik sieben Mal erfolgslos um die Ausrichtung der Spiele beworben. In der Bevölkerung formierte sich regelmäßig Widerstand gegen Pläne, Olympia in Deutschland stattfinden zu lassen.

DOSB in der Zwickmühle

IOC-Präsident Thomas Bach hält Olympia in Deutschland ebenfalls für möglich, sogar im Jahre 2036, also 100 Jahre nach den Nazi-Spielen von Berlin und Garmisch-Partenkirchen. Als Bach Anfang Juli bei einem Termin in München sagte: "Auf geht's München, pack ma's", gab es aber auch Buhrufe.

DOSB-Präsident Weikert steckt also in einer Zwickmühle. Er kann und will Olympia in Deutschland, sei es im Winter oder im Sommer, naturgemäß nicht ausschließen. Aber zugleich weiß er um die vielen Hürden, unter anderem eine Steuerbefreiung des IOC, und bleibt vorsichtig: "Erst einmal werden wir die Mitglieder befragen generell", sagte er in der ARD. Dies soll bei der nächsten Versammlung im Dezember geschehen - "und dann werden wir weitersehen".

NOlympia-Bündnis sieht deutsche Olympia-Bewerbung weiter kritisch

Widerstand gegen solcherlei Pläne wären freilich vorprogrammiert. So sieht die Sprecherin des Bündnisses NOlympia, Katharina Schulze, die aktuelle Euphorie um die European Championships nicht als Legitimation für Olympische Spiele in Deutschland: "Sport ist großartig, deswegen kann ich es verstehen, dass manch einer erneut von einer Olympiabewerbung träumt", sagte Schulze, die auch Chefin der Grünen-Fraktion im bayerischen Landtag ist. Aber der Staat sollte sich lieber zuerst um die dauerhafte Instandhaltung der vielen Sportstätten und den Breitensport kümmern, anstatt Olympiaträume zu verfolgen.

"Die Rahmenbedingungen haben sich seit den letzten Bewerbungen nicht verändert: Das IOC ist immer noch das gleiche, inklusive Knebelverträge, die die finanziellen Risiken auf die Austragungsorte abwälzen nach dem Motto 'Gewinne behalten wir, Verluste tragen die anderen'", betonte Schulze. Zudem betreibe das IOC eine massive Kommerzialisierung der Spiele.

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Quelle: Blickpunkt Sport
21.08.2022 - 21:45 Uhr