BR24 Sport Nagelsmann im Interview: "Emotionale Situationen" fehlen
In der Bundesliga läuft's durchwachsen, in DFB-Pokal und Champions League stehen die ersten K.o.-Spiele 2023 bevor. Wie geht der taumelnde FC Bayern mit dem Druck um? Trainer Julian Nagelsmann im Exklusivinterview mit BR24 Sport.
Drei Spiele, drei Mal nur Remis - zufrieden sein kann FC-Bayern-Trainer Julian Nagelsmann mit den Auftritten seines Teams nach der WM-Pause nicht. "Wir haben anders als vor Weihnachten oft diesen Dosenöffner nicht gehabt, dass wir früh in Führung gehen", urteilt er pragmatisch.
Nagelsmann ist, nicht erst seit er in München Chefcoach ist, nun mal ein sehr analytischer Mensch. Und als solcher sieht er natürlich die Defizite und wo er den Hebel ansetzen muss.
"In gewissen Situationen haben wir nicht mehr diese Spielbeschleunigung, die wir vor Weihnachten hatten", erklärt er im Exklusivinterview mit BR24 Sport: "Wir brauchen oft zu lange, um zwischen den Linien zu spielen. Gerade wenn der Gegner tief verteidigt, haben wir nicht viel Zeit, da rein zu spielen, das dauert viel zu lange."
Nagelsmann vermisst "emotionale Situationen" am Strafraum
So weit, so simpel? Man merkt Nagelsmann an, dass er doch etwas mit seinem Team hadert - weil das die im vergangenen Jahre teilweise schon verinnerlichte Spielphilosophie offenbar wieder vergessen hat. "Wir kommen insgesamt in zu wenige emotionale Situationen vor dem Sechzehner, um mehr Tore zu erzielen", kritisiert er.
Emotionale Situationen? "Den Ball scharf machen, öfter in die Box flanken, Standardsituationen kreieren, dass wir einfach häufiger in und um den Sechzehner vom Gegner kommen", führt er weiter aus: "Wir spielen sehr viel über die Viererkette, sehr viel über den Flügel aktuell und kommen nicht da hin, wo am Ende die Spiele entschieden werden."
Die Lösung liegt im Inhalt, nicht in der Psychologie
Immerhin: Noch glaubt Nagelsmann, dass er seine Spieler mit Videoanalysen und Trainingseinheiten zurück in die Erfolgsspur bringen kann. "Generell versuche ich immer, die Stimmung der Mannschaft aufzugreifen und dann Lösungen zu entwickeln", sagt Nagelsmann. Er habe "immer noch das Gefühl, dass es bei uns eine Lösung des Inhaltes ist. Dass wir die Dinge, die wir oft ansprechen, oft trainieren, stetig wiederholen, besser machen können."
Von einer vermeintlichen Kopfblockade bei einigen Spielern, die nach der verkorksten WM in Katar vielleicht angeknackst zurückgekommen sind, will Nagelsmann noch nichts wissen. "Wir haben auch schon verschiedene Psychologiemodelle angewendet in Anführungszeichen. Also Zuckerbot und Peitsche recht plakativ", räumt er zwar ein. Aber derzeit habe sein Team "noch Luft nach oben, auch inhaltlich." Insofern mag er Stand jetzt noch nicht zu anderen Maßnahmen greifen.
Druck vor den ersten K.o.-Spielen 2023
Doch ein Wandel im Denken könnte schnell kommen - wenn in den kommenden Wochen die Erfolgserlebnisse weiter ausbleiben. Denn Druck, räumte Nagelsmann ein, verspüren er und sein Team durch die kommenden Wochen und Spiele in Bundesliga, DFB-Pokal und Champions League schon.
"Es ist eine Mischung aus allen dreien", sagt er mit Blick auf die drei Wettbewerbe mit drei möglichen Saisontiteln: "Wir sind nicht in dem Lauf, in dem wir sein müssten vor diesen wichtigen, großen K.o.-Spielen. Wir dürfen nicht den Fehler machen und denken, jetzt können wir alles locker machen und bei den großen Spielen sind wir da."
Gegen Paris kein zweites Villareal erwünscht
Mahnend blickte Nagelsmann auf die vergangene Spielzeit zurück. "Das haben wir letztes Jahr in der Champions League gesehen", schob er nach: "Da war es auch nicht so, dass wir vorher super im Lauf waren und sind dann ausgeschieden. Jetzt haben wir garantiert noch einmal einen stärkeren Gegner als letztes Jahr." 2022 waren die Bayern am FC Villareal gescheitert, diesmal ist Paris St. Germain mit seinen Superstars Messi, Mbappé und Neymar der Gegner.
Einfachster Ausweg aus der Krise? Am Mittwoch ein Sieg im DFB-Pokal beim FSV Mainz, es wäre der erste Pflichtspielsieg im Kalenderjahr 2023. Und "nicht riskieren, dass wir ins Elfmeterschießen kommen", sagt Nagelsmann, "sondern versuchen, unser bestes Gesicht zu zeigen und damit sollten wir bald anfangen."
Quelle: Blickpunkt Sport 29.01.2023 - 21:45 Uhr