Tourreporter

Jumbo-Visma dominiert die Tour Wie es ihnen gefällt

Stand: 23.07.2022 00:39 Uhr

Das Team Jumbo-Visma feiert in Cahors den fünften Etappensieg bei der diesjährigen Tour de France. Diesmal entscheidet sich die Mannschaft für Christophe Laporte.

Von Michael Ostermann, Cahors

Einen ähnlichen Kultstatus wie Gary Lineker wird John Degenkolb vermutlich nicht erreichen. Aber man muss sagen, der deutsche Radprofi hat sich im Ziel der 19. Etappe der Tour de France in Cahors ähnlich verdient gemacht wie der ehemalige englische Fußballer und TV-Experte.

Christophe Laporte hat sich den Tagessieg auf der 19. Etappe der Tour de France gesichert. Es war der erste Etappenerfolg für einen Franzosen in diesem Jahr. mehr

"Am Ende gewinnt einer von Jumbo"

Lineker hat sein Bonmot von 1990, wonach Fußball ein Spiel sei, bei dem 22 Männer 90 Minuten einem Ball nachjagen und am Ende immer Deutschland gewinnt, längst selbst einkassiert. Degenkolbs Aussage nach dem Etappensieg des Franzosen Christophe Laporte dürfte dagegen vorerst keiner Revision bedürfen.

"Tour de France ist in diesem Jahr, wenn alle 50 km/h fahren und am Ende einer von Jumbo gewinnt", sagte Degenkolb, während er in Cahors auf der Rolle saß, um die Beine von den Strapazen des Tages zu lockern. Dem kann man angesichts des Geschehens bei der Tour in diesem Jahr kaum wiedersprechen.

Christophe Laporte bejubelt den Tagessieg auf der drittletzten Etappe der diesjährigen Tour de France.

Christophe Laporte bejubelt den Tagessieg auf der drittletzten Etappe der diesjährigen Tour de France.

Die Wahl fällt diesmal auf Laporte

Auf dem Podium der Tour de France geben sich die Fahrer der niederländischen Jumbo-Visma-Mannschaft inzwischen die Klinke in die Hand. Laporte wurde in Cahors als Etappensieger geehrt, anschließend betrat Jonas Vingegaard die Bühne und bekam das Gelbe Trikot überreicht. Es folgte Wout van Aert, der wieder ins Grüne Trikot des punktbesten Sprinters schlüpfte. Und schließlich hatte Vingegaard seien zweiten Auftritt, um das gepunktete Bergtrikot in Empfang zu nehmen.

Es ist eine beängstigende Dominanz dieser Équipe in diesen Tagen. Und wer von ihnen am Ende vorne ist, bestimmen sie auch gleich selbst. Diesmal fiel die Wahl also auf Laporte, der in den vergangen Wochen harte Arbeit für das Team verrichtet hatte und nun seine Landsleute mit dem ersten französischen Erfolg in diesem Jahr beglücken durfte.

Drei Kilometer vor dem Ziel habe man ihm die "Carte blanche" zugeteilt, berichtete Laporte. Er solle sein Glück versuchen. Laporte schlug den Sprintern dann mit einer Attacke etwa anderthalb Kilometer vor dem Ziel ein Schnippchen. Wobei er auch davon profitierte, dass Jasper Philipsen vorher in einer Kurve das Hinterrad seines Anfahrers Alexander Krieger verlor.

19. Etappe - die letzten drei Kilometer

Sportschau, 22.07.2022 14:12 Uhr

Zu viele Siege? Laporte muss lachen

Laportes Etappensieg war bereits der fünfte für Jumbo-Visma. Gut möglich, dass auf den letzten beiden Teilstücken noch zwei weitere Erfolge hinzukommen. Im Zeitfahren am Samstag (23.07.2022) gehört Wout van Aert zu den Topfavoriten. Und den Sprint auf den Champs Élysées hat der Belgier auch schon gewonnen.

Sieben Etappensiege, das wäre ein Drittel aller möglichen Tageserfolge. Ob das nicht ein bisschen viel sei, wurde Laporte auf der Pressekonferenz des Siegers gefragt. "Ein bisschen zu viel? Ich muss lachen, wenn ich solche Sachen höre", sagte der Franzose sehr ernst: "Ich denke, dass alle Fahrer und auch wir sehr hart dafür arbeiten, also ist es nie zu viel. Man gibt auf jeder Etappe sein Bestes, um den Sieg zu erringen."

Laporte, 29, ist erst seit Beginn dieser Saison bei Jumbo-Visma aktiv. Davor fuhr er für die französische Cofidis-Mannschaft. Er ist ein tempoharter Fahrer, der durchaus auch einige kleinere Erfolge vorzuweisen hatte. Doch seine beiden größten Erfolge feierte er in diesem Jahr.

Sportschau Tourfunk, 22.07.2022 19:38 Uhr

Nichts dem Zufall überlassen

Einem Etappensieg bei Paris-Nizza ließ er nun den Etappensieg bei der Tour folgen. "Es ist schwer, sich zwischen den beiden zu entscheiden", sagte Laporte: "Aber ein Sieg bei der Tour de France - das ist der schönste Tag meiner Karriere."

Der Teamwechsel habe zu 100 Prozent zu diesem Erfolg beigetragen, erklärte Laporte: "Ich habe eine Form, die ich noch nie zuvor hatte." Als Begründung dafür nannte er die intensive Vorbereitung. Sechs Wochen lang habe er ein Höhentrainingslager absloviert. Die Ernährung, das Material - nichts werde bei Jumbo-Visma dem Zufall überlassen.

Das alles klingt ähnlich wie beim britischen Team Sky (heute Ineos-Grenadiers), das die Tour de France zwischen 2012 und 2019 fast durchgehend dominierte. Auch dort berief man sich auf Details, die man besser mache, und "marginal gains", kleine Fortschritte. Teams wie Jumbo-Visma, die wie die britische Mannschaft mit einem üppigen Budget ausgestattet sind, haben inzwischen nachgezogen.

In der Grauzone

Und dass man dabei bisweilen auch zumindest in Grauzonen vordringt, ist ebenfalls kein Geheimnis. So nutzt das Team etwa Ketone, ein Stoff, der den Körper mit zusätzlicher Energie versorgen und vor allem der Regeneration dienen soll. Verboten ist die Einnahme nicht, aber die niederländische Anti-Dopingagentur wie auch der Radsportweltverband UCI raten davon ab.

Jumbo-Visma wird am Sonntag mit ziemlicher Sicherheit mit dem Gelben Trikot in ihren Reihen nach Paris fahren. 3:26 Minuten beträgt Jonas Vingegaards Vorsprung auf Tadej Pogacar vor dem Zeitfahren am Samstag. Das sollte reichen. Das Grüne Trikot für van Aert ist auch schon sicher, das Bergtrikot für Vingegaard ebenso. Den anderen bleibt also nur die Hoffnung auf einen Etappensieg. Es sei denn, John Degenkolb behält auch am Sonntag recht.