
Vingegaard baut Führung aus Der Weg zum Toursieg führt über Geschkes rote Punkte
Mit seinem Etappenerfolg in Hautacam ist Jonas Vingegaard der Toursieg kaum noch zu nehmen. Auf dem Weg dorthin macht er auch Simon Geschke unglücklich.
Kurz nachdem Simon Geschke den Zielstrich in Hautacam überquert hatte, betrat Jonas Vingegaard bereits das dritte Mal das Podest. Als Etappensieger und Träger des Gelben Trikots war der Däne bereits geehrt worden. Und während sich Vingegaard nun auch noch als Führender der Bergwertung das weiße Trikot mit den 75 roten Punkten überstreifen ließ, saß Geschke nur wenige Meter entfernt in eben jenem Trikot schluchzend auf der Straße.
Die letzte Bergetappe ist zuviel
Vier, fünf Minuten vergingen, bis der Berliner sich einigermaßen gefangen hatte. "Es ist natürlich super schade. Aber das Bergtrikot ist für den besten Bergfahrer der Tour – und der trägt es jetzt", sagte Geschke, der das gepunktete Trikot so gerne als erster Deutscher gewonnen hätte.
Aber sein großer Kampf in den vergangenen Tagen, an denen er immer wieder in die Ausreißergruppen gesprungen war und immer wieder Punkte gesammelt hatte, wird nun nicht mit einem Auftritt auf der großen gelben Bühne auf den Champs Élysées belohnt. Die letzte große Bergetappe dieser Tour de France 2022 war dann eben doch die eine zuviel.
In Paris wird also nun wohl Jonas Vingegaard mit dem Bergtrikot geehrt. Vorausgesetzt, er übersteht die beiden noch anstehenden Tage bis zur Schlussetappe am Sonntag unbeschadet. Kommt er durch, ist ihm in der französischen Hauptstadt aber vor allem auch das Gelbe Trikot sicher.
Pogacar bereut nichts
Auf der 19. Etappe von Lourdes nach Hautacam manifestierte sich der 25 Jahre alte Vingegaard mit seinem zweiten Etappensieg endgültig als der designierte Toursieger. Glückwünsche wollten natürlich weder er noch sein Team Jumbo-Visma entgegennehmen. Es stehen schließlich noch zwei ernstzunehmende Etappen auf dem Programm. Am Freitag eine Flachetappe nach Cahors und am Samstag das Einzelzeitfahren von Lacapelle-Marival nach Rocamadour.
Aber bei jetzt 3:26 Minuten Vorsprung in der Gesamtwertung auf Tadej Pogacar kann Vingegaard wohl nur noch durch einen Sturz oder eine Krankheit aufgehalten werden. Pogacar jedenfalls, zuletzt zwei Mal als Toursieger in Paris gefeiert, gestand seine Niederlage in Hautacam schon ein. "Ich habe alles versucht für das Gelbe Trikot und muss nichts bereuen", sagte Pogcar: "Jonas war über drei Wochen der stärkste Fahrer."
Vingegaard strauchelt, Pogacar fällt
Daran ließ Vingegaard auch auf der letzten schweren Pyrenäenetappe keine Zweifel. Als Pogacar am vorletzten Berg, dem Col de Spandelles, fünf Mal attackierte, blieb der Däne jedes Mal leichtfüßig am Hinterrad des Slowenen. Alle anderen mussten dagegen jedes Mal passen. Die zwei Kontrahenten fuhren auch an diesem Tag wieder auffällig deutlich in ihrer eigenen Liga.
Auf der Abfahrt vom Spandelles geriet Vingegaards Gelbes Trikot ein einziges Mal in Gefahr, als er in einer Kurve mit der Pedale aufsetzte und sich nur dank einer artistischen Leistung auf dem Rad halten konnte. Kurze Zeit später versteuerte sich Pogacar, landete im Schotter auf dem Straßenrand, konnte aber anders als sein Rivale einen Sturz nicht verhindern.
Dass Vingegaard anschließend wartete, bis Pogacar wieder aufgeschlossen hatte, und die beiden sich danach die Hand reichten, dürfte zur Szene der Tour werden, die in keinem Rückblick fehlen wird. Pogacar aber war von dem Sturz nachhaltig beeindruckt. "Ich habe danach ein wenig die Motivation verloren", sagte der Slowene. Auf dem Schlussanstieg nach Hautacam, seiner letzten Chance auf einen Angriff, hatte er dann jedenfalls keine Energie mehr für eine Attacke.
Wout van Aert - der beste Fahrer der Welt als Helfer
Stattdessen bekam Vingegaard aus dem Teamfahrzeug signalisiert, dass Pogacar offenbar am Limit sei. Und so ließ der Däne den zweimaligen Toursieger 4,4 Kilometer vor dem Ziel einfach zurück. Oder besser gesagt, sein Teamkollege Wout van Aert. Der Belgier war von Kilometer eins an in die Attacke gegangen, war in der Spitzengruppe über die ersten zwei Anstiege hinweggefahren und hatte sich dann im Schlussanstieg vor Vingegaard und Pogacar gespannt.
Es war van Aerts Tempoverschärfung, die Pogacar letztlich alle Hoffnungen auf einen dritten Toursieg in Folge kostete und Vingegaards Etappensieg vorbereitete. "Ich habe den besten Fahrer der Welt als Helfer", sagte Vingegaard später. Und tatsächlich muss man wohl sagen, dass der Däne zwar die Tour gewinnen wird, aber es vor allem van Aert war, der über die drei Wochen gesehen die Tour am stärksten geprägt hat.
Geschke hat keinen Bock auf die Stellvertreterrolle
Van Aert wird in Paris das Grüne Trikot des besten Sprinters gewinnen, auch das steht schon fest. Das Team Jumbo-Visma nimmt am Sonntag in Paris damit wohl drei der vier Wertungstrikots mit nach Hause. Lediglich das Weiße Trikot des besten Jungprofis bekommt der erst 23 Jahre alte Tadej Pogacar ausgehändigt.
Simon Geschke wird bis dahin als Zweitplatzierter der Bergwertung das gepunktete Trikot tragen - stellvertretend für Jonas Vinegaard, der natürlich in Gelb gekleidet die letzten Etappen bestreitet. "Das ist das Schlimmste, das Trikot jetzt weiter zu tragen als Zweiter", sagte Geschke: "Da habe ich jetzt gar keinen Bock drauf eigentlich."