Tourreporter

2. Etappe der Tour de France Radsport zwischen innen und außen

Stand: 02.07.2022 21:18 Uhr

Fabio Jakobsen sprintet in Nyborg zum Sieg, am Ende einer Etappe, bei der sich vieles innerhalb des Pelotons anders darstellt als von außen.

Von Michael Ostermann, Nyborg

Von außen betrachtet wirken die Dinge oft anders als wenn man sie im Inneren erlebt. Der Radsport ist da keine Ausnahme. Und so gab es nach der 2. Etappe der Tour de France von Roskilde nach Nyborg gleich mehrere Ereignisse, die sich aus den verschiedenen Blickwinkeln unterschiedlich darstellten.

Jakobsens Märchen bei Tempo 70

Da war der Etappensieger Fabio Jakobsen, dessen Comeback-Geschichte nach seinem lebensgefährlichen Sturz bei der Polen-Rundfahrt zum gefeierten Sprintsieger beim bedeutendsten Radrennen der Welt so unwahrscheinlich ist, dass er selbst sie in Nyborg als ein "Märchen" bezeichnete.

Von außen betrachtet wirkt es schwer verständlich, dass jemand, der wegen eines Radsprints beinahe sein Leben gelassen hätte, sich überhaupt jemals wieder in einen solchen Pulk wagt, der mit Tempo 70 dem Ziel entgegen rast. Was bei der Tour de France, wo ein Sprintsieg so viel mehr bedeutet als anderswo, auch fast nie ohne Stürze abgeht.

Sportschau Tourfunk, 02.07.2022 22:26 Uhr

So war es dann auch beim ersten Massensprint der diesjährigen Tour. 2,1 Kilometer vor dem Ziel schepperte Carbon auf den Asphalt, lagen Radprofis auf der Straße. "Das wird immer so sein, das ist halt der Radsport und die Tour und jeder will dann vorne sein", sagte Lennard Kämna, der den Sturz im Finale aus unmittelbarer Nähe erlebt hatte, aber davonkam. "Ist nicht schön, aber ist so."

Quickstep-Teamchef Lefevere: "The winner takes it all"

Auch Jakobsen war verschont geblieben, geriet aber 500 Meter vor dem Ziel mit dem dreimaligen Weltmeister Peter Sagan aneinander. "Radsport ist manchmal ein Kontaktsport, und mit mir mag das eine andere Geschichte sein. Aber man darf sich auch nicht aus der Position drängen lassen, wenn man um den Sieg sprinten will", erklärte der Niederländer. Von außen sehe das oft gefährlicher aus als es tatsächlich sei. "Ich hatte die volle Kontrolle."

Mit dem frühen Etappensieg hat Jakobsen dem großen Druck, der auf ihm lastete, standgehalten. Im Vorfeld hatte es vor allem in den belgischen Medien aufgeregte Diskussionen darüber gegeben, dass das Team Quick Step-Alpha Vinyl den 34-maligen Etappensieger Mark Cavendish nicht mit zur Tour genommen hat.

Nach zwei Etappensiegen in den ersten beiden Tagen, sind die Kritiker nun verstummt. Teamchef Patrick Lefevere konnte seine Genugtuung darüber dann auch gar nicht verbergen. "Kennen Sie den ABBA-Song? The winner takes it all", sagte Lefevere und erklärte die Kritiker von außen für ahnungslos: "Was wissen diese Leute schon vom Radsport, ich bin seit 40 Jahren dabei."

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Van Aert fühlt sich als Sieger und findet gelben Trost

Da ließ es sich für den mit allen Radsport-Wassern gewaschenen Belgier auch ganz gut verkraften, dass Yves Lampaert, der Gewinner des Zeitfahrens zum Auftakt, das Gelbe Trikot nach nur einem Tag an Wout Van Aert abgeben musste. Van Aert war in Nyborg auf Rang zwei gesprintet, was ihm sechs Bonussekunden einbrachte und damit die fünf Sekunden Rückstand auf Lampaert in eine Sekunde Vorsprung verwandelte.

In seiner Innensicht hatte sich Van Aert zunächst sogar als Tagessieger gefühlt. "Als ich Mads Pedersen überholt habe, dachte ich, ich hätte gewonnen", erzählte er, nachdem er wie schon am Vortag mit Platz zwei Leben muss. "Aber mit dem Gelben Trikot gibt es keinen Grund sich zu beschweren."

Die Brücke über den Großen Belt? "Langweilig"

Grund zur Beschwerde gab es anders als vor dem Start der Tour auch nicht an der Streckenführung. Wind, schmale Straßen, viele Richtungswechsel und zum Schluss die 18 Kilometer lange Brücke über den Großen Belt. Das alles versprach ein großes Spektakel. Was nicht alle Fahrer goutierten, weil sie fürchteten in unangenehmen Kontakt mit dem Asphalt zu kommen.

2. Etappe - die letzten drei Kilometer

Sportschau, 02.07.2022 14:35 Uhr

Doch dann fuhr das Peloton anstatt in Windstaffeln zu zerfallen geschlossen und die ganze Breite der Straße nutzend über das gigantische Bauwerk in Richtung Nyborg. "Es war langweilig", sagte Van Aert später. Und in diesem Fall deckten sich dabei ausnahmsweise Außen- und Binnensicht auf das Rennen. "Der Gegenwind war so stark, dass es sich nach 180 Rennkilometern wie bei einer Trainingsfahrt angefühlt hat", ergänzte der 27-Jährige. "Aber es war das Finale, also konnte man sich auch nicht umgucken und es genießen."

Kampf um die Positionen

Schon zu Beginn der Etappe hatte sich das Rennen sehr schnell sortiert, die zunächst vier Ausreißer hatten sich unmittelbar nach dem scharfen Start gefunden und durften sich von den Menschenmassen entlang der Straße feiern lassen. Allen voran Magnus Cort Nielsen. Der Däne wurde von seinen Landsleuten frenetisch für die drei Bergpunkte gefeiert, die er sich unterwegs sicherte und ihm im Ziel das Bergtrikot verschaffte.

Und so schien es von außen betrachtet anders als erwartet ein ruhiger Tag gewesen zu sein. Das allerdings hatte sich innerhalb des Pelotons ganz anders dargestellt. "Ich weiß, dass es im Fernsehen immer nicht so rüberkommt. Da sieht es so aus, als wäre das ja gar nichts", erklärte John Degenkolb. "Aber es war schon echt harte Arbeit, dort auch immer in Position zu bleiben und auch ja in den Positionen zu behaupten, um vor den brenzligen Situationen zu sein."

John Degenkolb geht nach der 2. Etappe der Tour de France in die Analyse der letzten Kilometer. mehr

Am Sonntag beendet die Tour de France ihre Trilogie in Dänemark, bevor es am Montag nach Frankreich geht.  Zurück bleiben dann verschiedene Betrachtungen auf das Geschehen. Aber wenigstens wird darüber Einigkeit bestehen, dass diese drei Tage im Norden von einer besonderen Begeisterung getragen worden sind.