Radsport-WM Rad-Weltmeisterin Balsamo - auf den Spuren des Gentleman-Gangsters

Stand: 25.09.2021 18:51 Uhr

Elisa Balsamo düpierte bei den Weltmeisterschaften in Flandern die favorisierten Niederländerinnen. Die Italienerin setzte sich im Sprint einer kleinen Gruppe von Favoritinnen vor der mehrfachen Weltmeisterin Marianne Vos durch. Balsamo wurde dabei von ihrer Teamkollegin Elisa Longo-Borghini perfekt in Position gefahren.

Von Tom Mustroph

"Ich bin einfach sprachlos, es ist unglaublich, ich kann meine Gefühle gar nicht in Worte fassen", sagte die gewöhnlich sehr wortgewandte Athletin im Ziel. Balsamo, 23 Jahre jung, will gern Journalistin werden. Sie fesselt schon jetzt Leserinnen und Leser durch die Beiträge ihres Blogs. Sie postet Fotos von sich als Kind auf einem Kinderfahrrad mit Stützrädern. Und sie stellt immer wieder heraus, wieviel ihr die Arbeit im Team bedeutet.

Exzellente Teamarbeit

Das war auch der Schlüssel bei diesem eher unerwarteten WM-Erfolg. "Meine Mannschaft hat einen perfekten Leadout gefahren. Ich habe ihnen einfach vertraut. Nach der letzten Kurve habe ich den Kopf ausgeschaltet und mir einfach nur gesagt, dass ich jetzt Vollgas fahren muss", erklärte sie im Ziel. Die italienische Nationalmannschaft war schon zuvor stets auf der Höhe der Dinge. Immer, wenn eine Fahrerin aus dem hoch favorisierten niederländischen Team eine Attacke startete, folgte eine der Italienerinnen. Trat eine Frau in Orange an, folgte ihr ein Schatten in Blau.

Es war ein brilliant umgesetzter Plan, der zugleich an eine Vorliebe von Balsamo erinnerte. Die 23-Jährige ist Fan von den in Italien sehr populären Comics um den Gentleman-Gangster "Diabolik". "Eigentlich lese ich nicht so gern Comics. Aber mein Großvater hatte früher immer 'Diabolik'-Hefte zu Hause. Die habe ich regelrecht verschlungen. Und noch heute kaufe ich oft, wenn ich sie in einem Kiosk sehe, 'Diabolik'-Hefte“, erzählte sie in diesem Frühjahr italienischen Medien.

Ihre Vorliebe für diesen Helden, dessen Markenzeichen Juwelendiebstähle sind, passte perfekt zum WM-Rennen. Das startete in  Antwerpen, der einstigen Hauptstadt der Diamantenschleifer, und führte in die Bierbrauerstadt Löwen. Und so wie 'Diabolik' oft die Reichen düpiert, so überraschte Balsamo auch die erfolgsverwöhnten Niederländerinnen. Die hatten in den letzten vier Jahren stets den Titel errungen. Gegen dieses Italien, und gegen die neue Weltmeisterin Balsamo, waren sie aber machtlos.

Königin der Vielseitigkeit

Ganz überraschend kommt der Erfolg von Balsamo aber nicht. Bei Klassikerrennen wie dem Pfeil von Brabant und dem Schelde-Preis landete sie in diesem Jahr auf dem Podium. Vor allem aber ist sie eine vielseitige Bahnfahrerin. Ihre Lieblingsdisziplin dort ist die Mannschaftsverfolgung. Dort wurde sie auch Welt- und Europameisterin bei den Juniorinnen und der U23. Sie fährt aber auch erfolgreich Omnium, Scratch, Einerverfolgung und Madison.

"Im Mannschaftszeitfahren ist die Harmonie wichtig, die muss man immer wieder neu erarbeiten. Im Omium muss man nicht die perfekte Athletin sein. Wichtig ist der Mix aus Schnelligkeit, Widerstandskraft und Intuition. Scratch ist unvorhersehbar, da muss man schnell entscheiden können. Im Madison hingegen muss man sehr ausdauernd sein und sich gut erholen können", beschrieb sie die unterschiedlichen Anforderungen der diversen Bahndisziplinen, die sie allesamt ziemlich gut beherrscht.

Marianne Vos nicht überrascht

Ihre Vielseitigkeit bringt Balsamo auch auf die Straße. "Sie ist schnell, sie übersteht auch gut die harten Klassiker, sie war meine persönliche Favoritin für diese WM", sagte Marianne Vos. Die Niederländerin ist die Grande Dame des Frauenradsports, war drei Mal Weltmeisterin - und wurde jetzt in Löwen von Balsamo im Sprint niedergerungen.