Radsport | Giro d'Italia Einzelkämpfer Phil Bauhaus beim Giro: "Ich traue mir einen Etappensieg zu"

Stand: 16.05.2022 20:54 Uhr

Radprofi Phil Bauhaus kämpft beim Giro d’Italia gegen die besten Sprinter der Welt. Seine Gegner heißen Cavendish, Ewan, Démare und Gaviria. Die Konkurrenz, gerade bei den Massenankünften, könnte prominenter kaum sein. Doch der Kölner ist optimistisch, dass es für ihn auf den nächsten Etappen mit einem Topresultat klappt.

"Auf den letzten drei Kilometern kenne ich keine Freunde mehr", sagt Phil Bauhaus. Offensichtlich ein erfolgreiches Credo, denn der Sprintspezialist hat 2021 mehr Profirennen gewonnen, als jeder andere deutsche Fahrer. Sieben waren es, 18 insgesamt in seiner Karriere. Obwohl schon seit sieben Jahren Profi, durfte der endschnelle Bauhaus fast noch nie bei einer der drei großen Landes-Rundfahrten Giro d’Italia, Tour de France oder Vuelta a España am Start stehen.

Umso größer ist seine Motivation beim aktuellen Giro d’Italia. Zwei sechste Etappenplätze - Bauhaus' Ausbeute der ersten neun Etappen. Klingt noch nicht so berauschend, aber wenn man die Besetzung der Konkurrenz-Teams betrachtet, ergibt sich für seine Bilanz ein durchaus anderes Bild.

Mannschaftstaktik für Gesamtwertung

Phil Bauhaus fährt für das Bahrain-Victorious Team, das bei großen Rundfahrten vor allem auf ein möglichst gutes Resultat in der Gesamtwertung fokussiert ist. Teamkollege Mikel Landa gehört zu den Podestkandidaten, liegt aktuell auf Rang sieben, nur 29 Sekunden hinter dem rosa Führungstrikot. "Landas Minimalziel ist das Podium. Ich traue ihm aber auch den Gesamtsieg zu", hält der Deutsche große Stücke auf seinen Teamkapitän. "Wir fahren seit drei Jahren in der gleichen Mannschaft, ich habe ihn noch nie so austrainiert und vom Kopf her bereit erlebt."

Mikel Landas Stärke ist aber auch Phil Bauhaus' Leidwesen. Weil der Spanier viel Unterstützung braucht, ist die achtköpfige Mannschaft vor allem auf ihn ausgerichtet. Bauhaus hat nur einen einzigen Helfer, der bei den Massensprints für ihn da ist, den Freiburger Jasha Sütterlin. Eigentlich hätte als Stamm-Anfahrer auch Heinrich Haussler dabei sein sollen, doch der Australier musste im April am Knie operiert werden und so auf einen Start in Italien verzichten.

Duell zwei gegen acht

Deswegen duellieren sich Bauhaus und Sütterlin auf dem Weg Richtung Zielgerade teilweise mit kompletten Mannschaften, die nur einen Plan haben: ihren Sprinter in eine perfekte Ausgangsposition zu bringen. Ein Kampf zwei gegen sieben oder acht. "Jasha versucht sein bestes, aber das Tempo ist so hoch, da kann er gegen komplette Sprintzüge nur wenig ausrichten", beschreibt Bauhaus die Schwierigkeiten. "Normalerweise versucht man im Leadout immer vor der Konkurrenz zu sein, doch hier geht es für uns vor allem darum, die richtigen Hinterräder zu finden", erklärt der 27-Jährige: "Während meine Konkurrenten auf den letzten 300 - 400 Metern noch einen Anfahrer an ihrer Seite haben, hänge ich ganz allein dazwischen."

Sportschau Tourfunk, 16.05.2022 16:00 Uhr

Auf den letzten Metern der Sprintankünfte hatte Bauhaus zum Teil mit die höchste Endgeschwindigkeit, trotz der Extra-Energie, die der 27-Jährige investieren musste, um nicht zu sehr eingebaut zu werden. "Das ist teilweise schon frustrierend. Doch ich setze weiter auf taktisches Risiko, investiere lieber alles in ein absolutes Top-Resultat, anstatt nur mit dem Ziel einer guten Platzierung in den Sprint zu starten."

Ungewohnte Dauerbelastung

Für den Kölner ist der kräftezehrende Ablauf einer Dreiwochen-Rundfahrt eine ziemlich neue Erfahrung. Die Tage sind extrem lang. Nach den Etappen des vergangen Wochenendes wurde das Abendessen für das Team erst nach 21.30 Uhr serviert. Massage geht vor, dazu die langen Fahrten von den Zielankünften bis zum Hotel mit dem Teambus.  

An Schlafen ist vor Mitternacht kaum zu denken. Wenn Phil Bauhaus die Schlussetappe am 29. Mai in Verona erreichen will, muss er insgesamt 21 Etappen und noch reichlich Anstiege im Hochgebirge überstehen. So viele Renntage in so kurzer Folge, auch das, für ihn Neuland. "Wenn ich raus bin, bin ich raus. Aber ich hoffe, dass ich bis zum Ende dabei bin."

Hoffnung Massensprints

Vorerst dominieren Begeisterung und Optimismus. Gerade für die nächsten Tage hat Phil Bauhaus große Hoffnungen: "Auf den vier Etappen bis zum Freitag gibt es eigentlich an jedem Tag die Chance auf einen Massensprint. Zwei oder drei Mal wird es hoffentlich dazu kommen."

Drei Sprintankünfte gab es bisher bei diesem Giro. Zwei davon gewann der Franzose Arnaud Démare, eine der Brite Mark Cavendish. Alle übrigen Konkurrenten sind leer ausgegangen. Eine Tatsache, die auch dem Deutschen hilft. Denn so lange zum Beispiel das Team Lotto-Soudal mit seinem Topstar Caleb Ewan oder die Israel-Premier Tech Mannschaft um Giacomo Nizzolo einem Erfolg hinterherlaufen, werden sie alles versuchen, für weitere Massensprints zu sorgen.

Und dann will auch Phil Bauhaus ganz vorne mit dabei sein. "Ein Platz unter den besten drei  ist mein erstes Ziel, doch im Optimalfall gewinne ich hier noch eine Etappe. Die Beine dafür habe ich."