Radsport | Giro d’Italia Startschuss zum Giro d’Italia: Budapest feiert Premiere

Stand: 05.05.2022 17:14 Uhr

Am Freitag (06.05.2022) startet der 105. Giro d’Italia. Der Radklassiker wartet mit ein paar Besonderheiten auf. Erstmals beginnt er in einem osteuropäischen Land. Start ist in der ungarischen Hauptstadt Budapest.

Von Tom Mustroph

Die 13 Mal davor - wo der Start außerhalb Italiens war - waren San Marino, Belgien, Frankreich, Vatikanstadt, die Niederlande, Dänemark, Großbritannien und Israel die Austragungsorte der Grande Partenza. Die Rennställe stellt das vor logistische Herausforderungen.

"Im Grunde genommen haben wir zwei Rundfahrten. Ein Fahrzeugpark wird nach Ungarn geschickt, der andere nach Sizilien", erzählte Giuseppe Martinelli, sportlicher Leiter von Astana, der als Fahrer und Betreuer neun der bislang 13 Auslandsstarts miterlebt hat, der Sportschau.

Schnell im Klettermodus

Nach zwei Flachetappen und einem kurzen Zeitfahren geht es nach dem mehr 1.000 km langen Transfer gleich die Serpentinen zum Vulkan Ätna hoch. Bora-hansgrohe-Profi Emanuel Buchmann sieht darin kein großes Problem. "Wir fliegen ja mit dem Flugzeug hin", sagte er vor dem Rennen. Dennoch, wer nicht schnell vom Flachlandmodus in Ungarn auf Klettermodus umstellt, könnte den Giro bereits hier verlieren.

Weitere Bergankünfte bieten die 9. Etappe zum Blockhaus und die 15. nach Cogne, bevor es nach dem zweiten Ruhetag in die entscheidende Phase der Rundfahrt geht. Höchstschwierigkeiten weisen die 16. Etappe unter anderem mit dem Mortirolo, die 17. nach Lavarone sowie die 20. zur Marmolada auf. Hier dürfte der Sieger gekürt werden. Beim abschließenden Zeitfahren in Verona reicht die Distanz von nur 17 Kilometern bestenfalls für kleinere Reparaturen im Gesamtklassement aus.

Perfektes Rennen für Kletterer

Wegen der insgesamt lediglich 26 Zeitfahrkilometer und der enormen Anzahl von Höhenmetern – knapp 51.000 – ist dieser Giro mehr noch als die früheren Editionen für reine Kletterer geeignet. Dazu zählen der Sieger von 2019, Richard Carapaz vom Team Ineos Grenadiers, der letztjährige Dritte Simon Yates vom australischen Rennstall Bike Exchange, der einstige Giro-Bergkönig Mikel Landa von Bahrain Victorious sowie der frühere Tour-Zweite Romain Bardet (DSM).

Bora-Co-Kapitän Buchmann hält vor allem Carapaz und Yates für die Top-Favoriten. Selbst geht er aufgrund von Krankheiten in der Vorbereitung den Giro gebremst optimistisch an. "Ich muss erst einmal sehen, wie gut ich in den Giro hineinkomme. Ich war nach der Baskenlandrundfahrt krank und habe lange gebraucht, um mich wieder gut zu fühlen. Jetzt muss man schauen, wie fit ich wirklich bin", sagte er. Seine beiden Mitkapitäne Jai Hindley und Wilco Kelderman, 2020 Zweiter und Dritter beim Giro, plagten in der Vorbereitung ebenfalls Krankheiten.

Sportschau Tourfunk, 02.05.2022 10:00 Uhr

Bora-hansgrohe mit drei Kapitänen

Für das Trio geht es daher um ein Einrollen ohne große Probleme. "Für mich wäre es schon gut, wenn ich durch den Giro ohne Krankheiten und Stürze durchkomme. Das wäre bereits ein Erfolg. Auf eine Platzierung will ich mich nicht festlegen", meinte Buchmann. Den Giro 2021 verließ er nach Sturz auf der 15. Etappe. Eine dritte Giro-Woche stellt für ihn also Neuland dar.

Etwas optmistischer blickt Teamkollege Lennard Kämna auf die kommenden drei Wochen. Er sieht seine drei Kapitäne in guter Wettkampfverfassung. "Sie machen alle einen guten Eindruck. Es wird sich Ende der ersten Woche zeigen, wer da der fitteste ist. Entschieden wird der Giro ohnehin erst in der zweiten und dritten Woche. Und da, denke ich, können sie gut auftrumpfen", sagte er.

Die Transformation bei Bora-hansgrohe

Sonderbehandlungen für einen der drei schloss Kämna aus. "Wir werden ihnen gleichmäßig zun helfen versuchen und sie in Position fahren. Dann werden wir sehen, wer der Beste ist." Kämna geht von einem "positiven Konkurrenzkampf" des Trios aus. "Ich denke nicht, dass es interne Hahnenkämpfe geben wird", meinte er.

Bora-hansgrohe treibt bei diesem Giro die Transformation zu einem Rundfahrer-Team weiter. Erstmals seit 2017 nimmt der Rennstall zu einer Grand Tour keinen Sprinter mit und konzentriert sich komplett auf einen Podiumsplatz im Abschlussklassement. Das ist riskant, weil man auf die Möglichkeit verzichtet, durch Sprintsiege die Ergebnisbilanz aufzubessern. Eine Jokerrolle könnte allerdings Kämna spielen. Auf den zahlreichen Bergetappen kann er aus einer Ausreißergruppe heraus entweder als Relaisstation für die Kapitäne agieren oder selbst den Tagessieg anstreben.

Image-Show für Ungarn

Ähnliche Pläne haben allerdings auch die 21 anderen Rennställe. Etappensiege beim Giro bringen Prestige und Sichtbarkeit. Das ist wichtig für die Sponsoren, die den Profiradsport finanzieren. Zur Erhöhung der internationalen Sichtbarkeit gehen schließlich auch die Giro-Veranstalter ins Ausland. In Ungarn werden sie mit offenen Armen empfangen. 100 Tage vor dem Girostart tauchten die 37 ungarischen Etappenstädte sogar ihre Sehenswürdigkeiten in rosafarbenes Licht. Solchen kollektiven Aufwand betreiben nicht einmal die italienischen Kommunen.

Für das Startland des Giro wäre es perfekt, wenn Attila Valter seine Show aus dem vergangenen Jahr wiederholen könnte. 2021 fuhr der ungarische Profi des französischen Rennstalls FDJ dank eines erfolgreichen Ausreißversuchs drei Tage im Rosa Trikot. In diesem Jahr stehen drei Ungarn in der Startliste.