Der Brite Adam Yates vom Team Ineos Grenadiers steht im Vorfeld der 4, Etappe der Deutschland-Tour im roten Trikot des Gesamtführenden am Start

Deutschland Tour 2022 Wie ein Pflänzchen, das langsam Wurzeln schlägt

Stand: 28.08.2022 22:26 Uhr

Beim Finale in Stuttgart krönte sich Adam Yates zum König der Deutschland Tour. Zu verdanken hatte der Brite das auch seinem Team Ineos Grenadiers. Für die Organisatoren waren die fünf Tage ebenfalls ein voller Erfolg.

Von Katarina Schubert, Stuttgart

Bereits vor vier Jahren richtete Stuttgart das Finale der Deutschland Tour aus, und auch 2022 fand das größte Rennen hierzulande in der Landeshauptstadt Baden-Württembergs seinen Abschluss. Bei strahlendem Sonnenschein kamen die Menschen in Strömen zur Strecke, viele von ihnen in voller Rad-Montur und mit Medaille um den Hals, hatten sie vorher doch am ausverkauften Jedermann-Rennen teilgenommen. Später konnten sie beobachten, wie sich Pello Bilbao (Bahrain-Victorious) den Tagessieg sicherte, während Adam Yates (Ineos Grenadiers) sich zum König der Deutschland Tour krönte.

Ein besonderer Erfolg für Yates

Lange sah es so aus, als ob Yates seine Führung doch nicht über den Stuttgarter Herdberg bringen könnte. Teilweise mehr als zwei Minuten lag die Ausreißergruppe mit Bergspezialist Romain Bardet (Team DSM) und Clément Berthet (AG2R Citroën Team) zwischenzeitlich in Führung. Doch dank der Nachführarbeit seines Teams Ineos Grenadiers, allen voran Zeitfahr-Weltmeister Filippo Ganna, der sich wie ein Zugpferd vor das Peloton spannte, war Yates das Rote Trikot des Gesamtsiegers auf den letzten Kilometern nicht mehr zu nehmen.

Sportschau Tourfunk, 28.08.2022 20:32 Uhr

"Wir sind ruhig geblieben und nicht in Panik verfallen. Das Team hat echt einen großartigen Job heute gemacht", so der Brite nach dem Rennen. Yates, dessen Zwillingsbruder Simon ebenfalls ein erfolgreicher Radrennfahrer ist, habe ein Jahr voller Rückschläge hinter sich. Umso mehr freue sich der Zehnte der diesjährigen Tour de France über diesen Erfolg bei der Deutschland Tour. "Der Sieg hier bedeutet mir wirklich sehr viel."

Ineos Grenadiers bestimmt das Geschehen

Es ist erst das zweite Jahr von Yates bei Ineos Grenadiers, das in den 2010er Jahren - damals noch unter dem Namen Sky Professional Cycling Team - das Radsport-Geschehen nach Belieben bestimmte, reihenweise Tour-de-France-Siege einheimste, aber auch mit Doping-Vorwürfen zu kämpfen hatte. Bei der Deutschland Tour trat das britische Team nun mit der nominell besten Mannschaft an, was sich auszahlte.

Der Brite Adam Yates vom Team Ineos Grenadiers steht im Vorfeld der 4, Etappe der Deutschland-Tour im roten Trikot des Gesamtführenden am Start

Nicht nur gewann Yates die Königsetappe auf den Schauinsland, zuvor hatte Filippo Ganna mit seinem Sieg beim Prolog in Weimar den Auftakt für eine äußerst erfolgreiche Woche für Ineos Grenadiers gemacht. Über fünf Tage führte die Deutschland Tour durch Süddeutschland, vier davon hatte das britische Team die Gesamtführung inne. In der endgültigen Team-Wertung schaffte es Ineos Grenadiers kurioserweise dennoch nicht einmal in die Top Ten.

Tour-de-France-Feeling auf der Strecke

Was auch daran lag, dass sich Top-Fahrer wie der Tour-de-France-Sieger von 2019, Egan Bernal, oder später Ganna für den Erfolg in den Dienst des Teams stellten und dafür auf eine gute Platzierung im Gesamtklassement verzichteten. "Die Bilanz für das Team ist natürlich grandios", so Christian Knees, sportlicher Leiter des Teams, nach dem Rennen. "Aber das war ganz schön harte Arbeit, das zu gewinnen." Zwei seiner Fahrer, darunter eben auch Bernal, schafften es nicht über die Ziellinie in Stuttgart.

Neben dem sportlichen Erfolg werde ihm aber vor allem die Stimmung an der Strecke in Erinnerung bleiben. "Was da gestern rund um Freiburg und heute in Stuttgart los war, hat mich an frühere Etappen der Tour de France in Deutschland erinnert." Es sei schade, dass die Deutschland Tour das einzige große nationale Etappenrennen ist. "Ich hoffe, das ändert sich wieder."

Mehr Etappen seien finanziell nicht möglich

Tatsächlich ist die Zeit der großen Rundfahrten hierzulande schon lange vorbei. Aufgrund der vielen Doping-Skandale wurde die Deutschland Tour damals eingestampft, erst zehn Jahre später feierte sie 2018 eine Renaissance – mit vier Etappen in einem Mini-Format. Dieses Jahr kam nun eine Etappe hinzu, der Prolog in Weimar. Auf die Frage, ob in Zukunft noch mehr Renntage geplant seien, gibt Tour-Geschäftsführer Matthias Pietsch gegenüber der Sportschau eine klare Antwort. "Das ist finanziell derzeit gar nicht möglich." Außerdem sei man mit seinem Platz im sowieso schon vollen Wettkampfkalender sehr zufrieden. "Würden wir auf sieben Tage gehen, müssten wir uns einen neuen suchen."

Vorerst bleibt es also bei fünf Etappen, dennoch wichen die Organisatoren von ihrem üblichen Klassiker-Streckenprofil ab und nahmen erstmals eine Bergankunft ins Programm. "Das hat es sportlich interessanter gemacht. Unser Gefühl ist es, dass sich die Deutschland Tour dadurch nochmal einen Schritt weiterentwickelt hat", sagt Pietsch.

Die Deutschland Tour wie ein kleines Pflänzchen

Mit Georg Zimmermann und Jakob Geßner sind auch zwei junge deutsche Fahrer unter den Trikotträgern. Letzterer fährt für das Team Lotto – Kern Haus, eines von drei Continental-Teams, die bei der Deutschland Tour am Start waren. Diese nahmen das größte nationale Rennen als Bühne wahr, um sich selbst zu präsentieren, stellten sie doch fast jeden Tag die Ausreißergruppe und bestimmten so das Renngeschehen maßgeblich mit. "Wir bieten den Continental-Teams die Möglichkeit, hier zu fahren, im Gegenzug haben sie es uns mit guten Leistungen zurückgezahlt", so Pietsch.

Neben finanziellen Einschränkungen sind die Continental-Teams laut des Tour-Geschäftsführers ebenfalls ein Grund, nicht in eine höhere Rennkategorie zu wechseln. Derzeit ist die Deutschland Tour nämlich Teil der UCI ProSeries. Würde sie in die WorldTour, der höchsten Rennserie des Weltradsportverbands, wechseln, dürften die drittklassigen Continental-Teams nicht mehr teilnehmen.

Das würde nicht in das Konzept der Organisatoren passen, die den Radsport in Deutschland voranbringen wollen. Dieser gewinne nämlich so langsam wieder an Stellenwert. Wie die Deutschland Tour sei der Radsport "ein Pflänzchen, welches wir hegen und pflegen. Mittlerweile hat sie ein paar gute Wurzeln bekommen und hält auch mal einen Windstoß aus", so Pietsch.