Pferdesport Unerlaubte Trainingsmethoden? Schwere Vorwürfe gegen Springreiter Ludger Beerbaum

Stand: 13.01.2022 17:22 Uhr

Für viele ist Springreiter Ludger Beerbaum Vorbild und Idol. Jetzt wird der Vorwurf gegen ihn erhoben, an seinem Stall würden unerlaubte Trainingsmethoden angewendet. Beerbaum wehrt sich gegen die Anschuldigungen.

Von Tina Srowig

Der Sender RTL zeigte am Dienstag (11.01.2022) Videoaufnahmen, die eine Insiderin dem Sender zugespielt haben soll. Darauf ist in vier Sequenzen zu sehen, wie ein Reiter auf der Anlage von Beerbaum über ein Hindernis springt, während ein Mitarbeiter mit einer Stange gegen die Vorderbeine des Pferdes schlägt.

Der Vorwurf: Die Bilder zeigten das "Barren", eine verbotene Trainingsmethode. Sie fügt dem Pferd starke Schmerzen zu und verstößt gegen das Tierschutzgesetz. Das Ziel der Methode ist, die Pferde zu vorsichtigerem beziehungsweise höherem Springen zu bewegen. Schon 1990 gab es einen Skandal um die Methode des "Barrens" – damals stand Reiter Paul Schockemöhle im Mittelpunkt der Affäre.

Beerbaum wehrt sich gegen die Vorwürfe

Der mehrfache Weltmeister und Olympiasieger Ludger Beerbaum äußerte sich am Mittwoch (12.01.2022) schriftlich zu den Vorwürfen. Der Beitrag sei in mehreren Punkten "falsch, verleumderisch und ehrverletzend". Weiter schreibt der 58-Jährige in der Pressemitteilung: "Die im Beitrag gezeigten Szenen auf dem Reitplatz haben mit Barren nichts zu tun. Es handelt sich dabei um erlaubtes Touchieren, das von einem erfahrenen, routinierten Pferdefachmann durchgeführt wurde. Der im Video zu sehende Gegenstand erfüllte die Vorgaben der Deutschen Reiterlichen Vereinigung für ein zulässiges Touchieren: nicht länger als drei Meter, maximal zwei Kilogramm schwer." Beerbaum kündigte zudem juristische Schritte an: "Es ist nicht hinzunehmen, dass heimlich auf meinem privaten Grund und Boden gefilmt wurde."

Das "Touchieren" ist erlaubt – genoppte Stangen jedoch nicht

Tatsächlich ist das "Touchieren" nach den Regeln der FN (Deutsche Reiterliche Vereinigung) erlaubt. In den Richtlinien heißt es: "Beim Touchieren handelt es sich um ein fachgerechtes Sensibilisieren des Pferdes durch gezieltes Berühren der Pferdebeine im Sprungablauf." Das Pferd soll mit der Touchierstange dazu angeregt werden, die Durchlässigkeit und Koordination zu erhöhen. "Die Beschaffenheit der Stange muss rund sein, mit glatter Oberfläche aus nicht splitterndem Material. Sie darf jedoch nicht aus Metall sein." Die Trainingshilfe dürfe nur sehr dosiert angewendet werden. Außerdem wurden im Beitrag Stangen mit Noppen gezeigt. Der Einsatz solcher Stangen im Springtraining ist verboten.

Von Ludger Beerbaum heißt es dazu: "Diese stammen aus einem gekauften Bestand von Hindernissen und wurden aussortiert, damit sie nicht benutzt werden. Sie werden auch nicht beim Training mit Pferden eingesetzt. Wie jetzt eines dieser Teile, blank geputzt und sauber, zwischen die gebräuchlichen Hindernisstangen kommt, kann ich nur mutmaßen. Für mich ist es naheliegend, dass explizit für den Beitrag eine dieser Stangen dorthin gelegt wurde."

Reaktion des Dachverbands FN

Die deutsche reiterliche Vereinigung (FN) reagierte am Mittwoch auf die Vorwürfe gegen Ludger Beerbaum. Schriftlich hieß es, dass sie das gesamte Videomaterial prüfen und die Staatsanwaltschaft informieren wolle. Weiter heißt es von Generalsekretär Sönke Lauterbach: "Bereits jetzt, unabhängig von dem gezeigten Beitrag, können wir klar sagen, dass der Gebrauch von Vierkantstangen sowie genopptem oder gestacheltem Stangenmaterial inakzeptabel ist und nicht im Einklang steht mit den Grundsätzen des fairen Pferdesports."

Er äußerte sich auch zu dem Vorwurf gegenüber der FN, nicht klar Stellung zu beziehen, ob die gezeigten Filmaufnahmen als "Barren" oder als "Touchieren" einzuordnen sind.

"Die Grenzen zwischen dem (…) zulässigen Touchieren und dem gemäß Tierschutz-Leitlinien verbotenen Barren sind fließend. Genau deshalb ist eine differenzierte Betrachtung erforderlich. Wie schon mehrfach geäußert, ist diese nur möglich, wenn uns das gesamte Video- und Beweismaterial zur Verfügung gestellt wird. Allein der Umstand, dass sich die mit Experten bestückte FN-Kommission für Ausbildungsmethoden seit einem Jahr mit der Grenzziehung befasst, zeigt, dass eine Spontanbeurteilung der gezeigten Bilder der Sache nicht gerecht wird."

PETA erstattet Strafanzeige

Auch die Tierrechtsorganisation PETA meldete sich zu Wort und erstattete bei der Staatsanwaltschaft Münster Strafanzeige gegen den viermaligen Olympiasieger Ludger Beerbaum und eine weitere noch unbekannte Person wegen quälerischer Tiermisshandlung und Mittäterschaft.

PETA betrachtet die Aufnahmen als weiteren Beleg dafür, dass tierquälerische Methoden zur Leistungssteigerung in der Branche an der Tagesordnung sind. Die Organisation fordert von der Bundesregierung Maßnahmen, um die Ausbeutung von Pferden für den Reitsport zu beenden. "Die Tierquälerei im Reitsport zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte", sagte Peter Höffken, Fachreferent bei PETA: "Die Branche ist eindeutig unbelehrbar. Wir fordern die Politik auf, diesem tierquälerischen Geschäft endlich einen Riegel vorzuschieben."

Legale oder illegale Trainingsmethoden?

Ludger Beerbaum ist einer der erfolgreichsten Springreiter weltweit und gilt vielen als Vorbild. Andere sehen ihn kritischer – so wurde bei den Olympischen Spielen 2004 in Athen bei seinem Pferd beispielsweise eine unerlaubte Medikation festgestellt. Beerbaum wurde daraufhin nachträglich disqualifiziert, das deutsche Team verlor die Goldmedaille und fiel zurück auf Rang 3.

Ob die auf dem Filmmaterial gezeigte Methode legal oder illegal war – also als "Touchieren" oder "Barren" einzuordnen ist - ist nach dem aktuellen Regelwerk offenbar sogar für Fachleute schwer zu beurteilen. Falls das alles zulässig ist, drängt sich jedoch eine weitere Frage auf: Warum ist es im Jahr 2022 eigentlich erlaubt, einem Pferd im Spring-Training mit einer Stange gegen die Beine zu hauen? Welcher Profi ist davon überzeugt, dass das eine sinnvolle und zielführende Trainingsmethode ist – und warum? Und wer lehnt diese Methoden ab? Hier braucht es eine offene Diskussion – sonst entsteht ein weiterer Skandal im Spitzenreitsport mit schalem Nachgeschmack.