Olympia | Rennrodeln Olympia-Kritik und Fast-Boykott: Geisenbergers besonderer Weg zu Gold

Stand: 08.02.2022 17:21 Uhr

Natalie Geisenberger hat lange überlegt, ob sie in Peking starten soll. Die Rodlerin flog schließlich nach China und machte ihren Olympia-Gold-Hattrick perfekt. Vor allem dank des Rückhalts ihrer Familie.

Von Matthias Heidrich

Als es vollbracht war, schlug Natalie Geisenberger die Hände über dem Kopf zusammen und verdrückte ein paar Tränen der Freude in einer Deutschland-Flagge. Olympiasiegerin! Zum fünften Mal insgesamt und zum dritten Mal in Folge.

"Ich habe nicht wirklich Worte dafür", sagte die Miesbacherin, die mit dem Gold-Hattrick in Peking bereits Olmypia-Geschichte geschrieben hat und mit einem Sieg mit der Staffel sogar zur erfolgreichsten deutschen Winter-Olympionikin aufsteigen könnte. Ein Rekord, der ihr am Dienstag im Eiskanal von Yanqing erstmal nichts bedeutete.

Geisenberger widmet Gold ihrer Familie

Die 34-Jährige dachte im Moment ihres Triumphes vielmehr an die Lieben daheim und an den beschwerlichen Weg, der hinter ihr liegt. "Danke an meine Familie", sagte sie in die Sportschau-Kamera und zeigte auf die Goldmedaille "Die hier ist für uns."

"Sehr lange nachgedacht, ob ich nochmal nach Peking fliegen will"

Ohne den Rückhalt ihres Mannes, ihrer Eltern und auch ihres kleinen Sohnes Leo, den sie erst vor 21 Monaten zur Welt gebracht hat, wäre die Rekord-Weltmeisterin sehr wahrscheinlich nie nach China gereist. Dafür waren die Erfahrungen, die die 34-Jährige im vergangenen November beim Weltcup-Auftakt auf der Olympia-Bahn gemacht hatte, zu schlecht.

"Ich habe nach dem, was wir im November in China erlebt haben, seeeehr lange nachgedacht, ob ich nochmal nach Peking fliegen will", hatte Geisenberger Mitte Januar gesagt, sich dann aber doch für den Olmpia-Start entschieden. "So kurz vor dem Ziel auszusteigen, hätte sich falsch angefühlt."

Kleine Corona-Odyssee beim Testwettkampf in China

Der Corona-bedingt rigide Umgang mit den Sportlern vor Ort, die Bedingungen in der Isolation und auch den Gigantismus der Rennrodel-Bahn hatte Geisenberger scharf kritisiert, nachdem sie selbst eine kleine Corona-Odyssee hinter sich bringen musste.

Die neunfache Weltmeisterin war im vergangenen November in China nach dem Flug aus Frankfurt irrtümlich als Kontaktperson einer positiv getesteten Person eingestuft worden und musste sich in der Nähe der Olympia-Bahn in Yanqing im Hotel zunächst in Isolation begeben.

Zahlreiche Gespräche mit IOC-Vertretern und auch eines mit Präsident Thomas Bach, in der ihr Verbesserungen zugesagt wurden, brachten Geisenberger von ihren "Boykott-Überlegungen" ab. Und nicht zuletzt der sportliche Ehrgeiz, nach der Geburt ihres Sohnes 2020 in Peking wieder auf dem Olympia-Treppchen zu stehen, trieb sie an.

Durchwachsene Weltcup-Saison

Das hat sie eindrucksvoll geschafft. Dass es wie 2014 in Sotschi und 2018 in Pyeongchang wieder die Stufe ganz oben auf dem Podest geworden ist, kam dann doch etwas überraschend. Die Weltcup-Saison verlief für die erfolgsverwöhnte Rennrodlerin durchwachsen. Nach acht Gesamtweltcup-Siegen in Folge musste sie in dieser Saison als Dritte Teamkollegin Julia Taubitz den Vortritt lassen.

Wieder so ein "ausgerechnet", denn Taubitz hatte sich auch in Peking schon aufgemacht, um Geisenberger den Triumph streitig zu machen. In Führung liegend wurde der Oberwiesenthalerin aber im zweiten Lauf die berüchtigte Kurve 13 der Olympia-Bahn zum Verhängnis. Sie kam letztlich auf Platz sieben.

Kurve 13 des "Drachen" bezwungen

Mit der verflixten 13 hatte auch Geisenberger im Testwettkampf und im Training vor dem Olympiastart schon unliebsame Sturzerfahrungen gemacht. Der Respekt vor der tückischen 180-Grad-Kurve im "Snow Dragon", wie die knapp zwei Kilometer lange Schlängelbahn im Xiaohaituo-Gebirge auch genannt wird, war groß bei der 34-Jährigen.

"Ich war brutal nervös, ich habe ganz schlecht geschlafen", hatte Geisenberger vor den Endläufen gesagt. "Nicht wegen des Rennens, sondern wegen der Kurve da unten, Ausfahrt 13." Aber sie bezwang den neuralgischen Punkt des "Drachen" auch am zweiten Tag und fuhr zu Gold und in die olympischen Geschichtsbücher.

Der Weg dahin war voller Rückschläge und Zweifel, aber im Moment des Triumphes wollte Geisenberger nicht zurückblicken. "Mein Weg war genauso wie er war super. Mehr habe ich sportlich nicht erreichen können."