Olympia | Peking 2022 Fall Peng Shuai - IOC-Mitteilung über erneute Videoschalte

Stand: 02.12.2021 16:44 Uhr

Das IOC hat nach eigenen Angaben eine weitere Videoschalte mit Peng Shuai geführt. Über die Aufklärung der Vorwürfe der Tennisspielerin gegen einen hohen chinesischen Parteifunktionär hält sich das IOC aber weiter bedeckt und setzt stattdessen weiter auf "stille Diplomatie".

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) verschickte am Donnerstagmittag (02.12.2021) eine Mitteilung. Demnach habe das IOC am Mittwoch ein weiteres Video-Gespräch mit der chinesischen Tennisspielerin Peng Shuai geführt. "Wir haben sie umfassend unterstützt, werden mit ihr in regelmäßigem Kontakt bleiben und haben bereits im Januar ein persönliches Gespräch vereinbart", hieß es in der Stellungnahme des IOC.

IOC spricht von Sorge und Bedenken

Das IOC teilte außerdem mit, es teile "die gleiche Sorge wie viele andere Menschen und Organisationen um das Wohlergehen und die Sicherheit von Peng Shuai".

Anders als in bisherigen Verlautbarungen sprach das IOC erstmals von "Bedenken", diese würden aber "direkt mit chinesischen Sportorganisationen" angesprochen. Das IOC bevorzuge dabei den Weg der "stillen Diplomatie", hieß es in der Mitteilung. "Wir werden uns weiterhin um ihre persönliche Situation sorgen und sie weiterhin unterstützen."

China-Boykott der WTA verstärkt Druck auf das IOC

Die 35 Jahre alte, zweifache Grand-Slam-Siegerin im Doppel hatte Anfang November in einem Social-Media-Post einen hochrangigen chinesischen Politiker des sexuellen Übergriffs bezichtigt. Im Anschluss verschwand sie aus der Öffentlichkeit und war über Wochen unerreichbar. Die Tennis-Welt und Vertreter aus der internationalen Politik zeigten sich besorgt und forderten Aufklärung. Dabei gerieten zuletzt auch immer stärker das Internationale Olympische Komitee in den Fokus und die Olympischen Winterspiele, die im Februar in Peking stattfinden.

Der Druck auf das IOC war am Mittwochabend nochmals gestiegen, nachdem Steve Simon, der Vorsitzende der WTA, verkündet hatte, die in China geplanten Tennisturniere vorerst aus dem Tennis-Kalender zu streichen. Als Reaktion auf die aus Sicht der WTA unzureichende Aufklärung des Falls Peng Shuai, auch durch das IOC.

Das IOC hatte bereits eineinhalb Wochen zuvor die Meldung über eine erste Schalte mit Peng Shuai verbreitet. Dazu stellte das IOC ein Bild von einem Videocall mit Präsident Thomas Bach, verbunden mit der Botschaft, sie sei wohlauf und zu Hause in Sicherheit - was aber eher weitere drängende Fragen an das IOC hinterließ statt der geforderten Antworten.

Pound: Kritik am IOC sei "etwas dumm"

Die Kritik am IOC war seitdem weiter angewachsen, am Dienstag (30.11.2021) hatte auch die Europäische Union "nachprüfbare Beweise" über Peng Shuais Wohlergehen gefordert. Mit Richard Pound antwortete nun erstmals ein hochrangiges IOC-Mitglied - und wies die internationale Kritik am Vorgehen des IOC zurück. Die Zweifel an der Darstellung des IOC und die anhaltenden Forderungen nach weiterer Aufklärung bezeichnete Pound in einem Bloomberg-Interview als "etwas dumm", sie stimmten nicht mit der Beweislage überein, so Pound. Der IOC-Funktionär erteilte auch Spekulationen eine Absage, Peng Shuai habe in dem Videocall womöglich nicht frei sprechen können. "Es gibt keinerlei Anzeichen für Zwang. Es können sich alle sicher sein: Es geht ihr gut."

Pound betonte, dass es alle möglichen Leute zuvor vergeblich versucht hätten, Peng Shuai zu erreichen, um sicherzustellen, dass sie lebt oder dass sie nicht in Arrest sei. "Das IOC hat dies als einzige Organisation geschafft."

Pound: "Mögliche Fortsetzung des Dialogs"

Darüber hinaus hielt sich aber auch Pound weiter bedeckt - vor allem bei der zentralen Frage, wie das IOC mit den von einer chinesischen Spitzensportlerin erhobenen Missbrauchsvorwürfen umgeht. Gegen den Spitzenfunktionär eines Regimes, das im kommenden Februar die Olympischen Winterspiele ausrichten wird. Der Videocall mit dem IOC-Präsidenten sei "ein guter Anfang", sagte Pound, sprach sonst aber nur nebulös von einer "möglichen Fortsetzung des Dialogs" über die von Peng Shuai getätigten Aussagen.

Für etwas mehr Klarheit könnten die Videobilder vom Gespräch mit Bach sorgen. Nach einem Bericht des "Guardian" weigert sich das IOC jedoch, den Videocall in voller Länge zu veröffentlichen, trotz mehrerer Anfragen. Womöglich, weil dadurch publik werden könnte, dass das IOC unangenehme Fragen gegenüber dem Olympia-Gastgeber und seiner millionenschweren Sponsorenindustrie lieber nicht zur Sprache bringt?

Pounds Aussagen ließen sich zudem so verstehen, dass das IOC den Videocall mit Peng Shuai eingefädelt hatte. Dies darf jedoch mehr als bezweifelt werden, angesichts der rigiden Kommunikationspolitik von Chinas Führung - vor allem wenn es um solch schwerwiegende Vorwürfe gegen einen hochrangigen Parteifunktionär geht, wie im Fall von Peng Shuai. Auch dass Chinas IOC-Mitglied Li Lingwei an der Schalte mit Bach und der Spielerin teilnahm, ist eher als Indiz dafür zu werten, dass die Regie in Wahrheit in Peking saß.

US-Think-Tank: IOC als "Kollaborateur bei der Unterdrückung von Menschenrechten"

Das IOC setzt sich damit weiter dem Vorwurf aus, sich für Chinas PR-Kampagne einspannen zu lassen. Das Regime in Peking ist bestrebt, jegliche Diskussion über Peng Shuais Anschuldigungen zu unterdrücken. Und die Berichterstattung darüber aus dem Ausland, wie schon oft in ähnlichen Fällen praktiziert, als anti-chinesische Propaganda darzustellen.

Das IOC und sein deutscher Präsident wiederum betrachten die Videoschalte mit Peng Shuai offenbar weiterhin als ausreichenden Beleg dafür, dass die Spielerin in China keinerlei Bedrohung ausgesetzt sei. Damit jedoch mache sich das IOC zum "Kollaborateur der chinesischen Regierung bei der Unterdrückung von Menschenrechten", sagte China-Expertin Sarah Cook vom US-Think Tank "Freedom House" in der "New York Times". Cook sieht eine neue Qualität im zweifelhaften Umgang des IOC mit Chinas Machthabern: "Das geht über alles hinaus, was wir bisher gesehen haben."

Druck auf Bachs IOC vor Olympia

Der Druck auf das IOC wird wohl eher zunehmen, je näher der Termin für die Eröffnungsfeier rückt. Die USA haben bereits einen diplomatischen Boykott der Peking-Spiele angekündigt. Die Beziehungen beider Länder sind wegen Chinas Unterdrückungspolitik ohnehin schwer beschädigt. Es ist wahrscheinlich, dass auch die Politik-Prominenz aus anderen westlichen Staaten einen Bogen um Chinas Winter-Festspiele machen wird.

Kritik an den olympischen Nebengeräuschen gibt es inzwischen offenbar auch aus China selbst. Wie der "Guardian" berichtet, wurde ein englischer Korrespondent des chinesischen Staatsfernsehens "CGTN" beurlaubt. Er hatte zuvor kritisiert, dass der Sender es einfach nicht schaffe, die Zweifel im Ausland zu zerstreuen, dass es Peng Shuai gut gehe.