Olympia | Deutsches Team "Team D": Weltspitze im Eiskanal - aber auch Sorgenfalten

Stand: 20.02.2022 13:14 Uhr

Das vom DOSB ausgegebene Ziel, erneut zu den drei besten Wintersportnationen zu gehören, hat Team Deutschland in Peking erreicht. Doch es lohnt sich ein genauerer Blick auf die Bilanz der einzelnen Verbände. Nur zwei können wirklich zufrieden sein.

Der Blick auf den Medaillenspiegel dieser Olympischen Winterspiele macht erstmal Spaß. Platz zwei hinter Norwegen, insgesamt zwölfmal Gold, dazu zehn Silber- und fünf Bronzemedaillen - der erste Eindruck ist: Die deutsche Bilanz kann sich sehen lassen. "Wir haben ein gutes Ergebnis erzielt", findet auch Chef de Mission Dirk Schimmelpfennig. Das Ziel, "in einen Korridor zwischen den Spielen in Sotschi 2014 und Pyeongchang 2018 einzulaufen" wurde erreicht.

Es lohnt sich aber auch ein zweiter Blick auf die sportliche Bilanz von "Team Deutschland". Denn lediglich zwei Verbände sorgten für Edelmetall - der Bob- und Schlittenverband BSD sowie der Deutsche Skiverband (DSV). Vor vier Jahren in Pyeongchang waren die Medaillen noch auf fünf Verbände verteilt. Snowboard, Eishockey und Eiskunstlaufen ging diesmal leer aus. Verbände wie die Deutsche Eislauf Union (DEU) haben den Anschluss an die Weltspitze völlig verpasst.

Einsame Weltspitze im Eiskanal

Besser geht's kaum: Von zehn möglichen Goldmedaillen im Eiskanal von Yanqing gewannen die deutschen Athleten sagenhafte neun. Lediglich den Monobob-Wettbewerb bei den Frauen entschied eine US-Amerikanerin für sich, ansonsten räumten die deutschen Rodler, Skeletoni und Bobpiloten alles ab, was da in Gold glänzte, im Zweierbob der Männer gab es sogar einen historischen Dreifach-Erfolg.

Gar nicht auszudenken, wie die Bilanz aussähe, hätten auch noch Rodel-Weltcupsiegerin Julia Taubitz und der dreimalige Olympiasieger Felix Loch performt. Doch als diese beiden Probleme hatten, waren andere zur Stelle: bei den Frauen Natalie Geisenberger, die nun die erfolgreichste deutsche Winter-Olympionikin der Geschichte ist, und bei den Männern Johannes Ludwig.

DSV: Viel Pech, aber trotzdem elf Medaillen

Mehr als die Hälfte der deutschen Medaillen in Peking gehen damit auf das Konto des BSD. Die restlichen Podestplätze sammelte der Deutsche Skiverband ein. Drei Medaillen gab es für die Skispringer, je zwei für die Langläuferinnen, Biathletinnen und Nordische Kombinierer sowie eine für die Skicrosser und die Alpinen.

"Wir hatten als Zielvorgabe elf bis 15 Medaillen", sagte DSV-Präsident Franz Steinle. Punktlandung! Dank Silber im Teamevent kamen die Alpinen doch noch zu ihrer ersehnten Medaille - die elfte für den DSV. Ziel erreicht, dazu kamen ja noch einige vierte Plätze und die so nicht einkalkulierte Disqualifikation im Mixed-Team der Skispringer.

Skispringen: Althaus und Geiger erfüllen die Erwartungen

Die DSV-Adler erfüllten mit dreimal Edelmetall dennoch ihr Soll - Silbermedaillengewinnerin Katharina Althaus lag sogar auf Goldkurs, hatte dann aber Pech mit den Windbedingungen und einer Juryentscheidung.

Bei den Männern lief es auf der Normalschanze erst gar nicht. Auf der Großschanze mogelte sich der im Weltcup führende Karl Geiger mit seinem zweiten Sprung noch auf den Bronzerang, und auch im Team reichte es knapp zu Platz drei.

Biathlon: "Die Frauen haben geliefert"

Vier Medaillen - je zwei Einzel- und zwei Staffelmedaillen - hatten sich die Biathleten vorgenommen. Denise Herrmann gewann überraschend im Einzel über die 15 Kilometer und darf sich nun auch Olympiasiegerin nennen. In der Staffel reichte es immerhin zu Bronze. "Die Frauen haben geliefert", konstatierte der Sportliche Leiter Biathlon, Bernd Eisenbichler.

Von den Männern hatte man dagegen mehr erhofft: "Wir sind ein Stück weit enttäuscht. Mir tut's aber vor allem für die Athleten leid. Sie hätten sich's verdient, haben hart gearbeitet", so Eisenbichler. Die Laufform stimmte. Was fehlte, war "immer dieser eine Schuss", relativiert er das Abschneiden der DSV-Jäger, die die schlechteste Bilanz seit Vancouver 2010 hinlegten. Speziell in der Staffel habe man "mehr als nur einen Finger an einer Medaille" gehabt, sagte Erik Lesser. Ein fataler Fehlschuss von Schlussläufer Philipp Nawrath spülte das Quartett aber doch noch auf den undankbaren vierten Platz.

Nordische Kombination: Medaillen trotz Coronapech

Besser lief es da für die Nordischen Kombinierer. Dabei fielen Eric Frenzel und Terence Weber wegen positiver Coronatests für den Einzelwettbewerb von der Normalschanze aus. Aber Vinzenz Geiger sprang mit einem unglaublichen Finish in der Loipe in die Bresche und holte Gold.

Keine Medaille gab es von der Großschanze, dafür reichte es in der Teamstaffel - übrigens wieder mit Eric Frenzel - zu Silber.

Langlauf: Gold-Sensation und Silber-Coup

Gold und Silber - das ist auch die Bilanz der deutschen Langläufer. Anders als bei den Kombinierern, war damit aber überhaupt nicht zu rechnen. Die Goldmedaille im Teamsprint, die sich Katharina Hennig und Victoria Carl holten, war bei den Spielen der Paukenschlag sondergleichen aus deutscher Sicht. "Sensationell", fand auch Steinle.

Stark auch die Silbermedaille, die Katherine Sauerbrey, Katharina Hennig, Victoria Carl und Sofie Krehl in der 4 x 5-km-Staffel holten. Die Langläufer um Bundestrainer Peter Schlickenrieder übertrafen damit alle Erwartungen in einer Sportart, die in den vergangenen Jahren vor allem die Skandinavier und Russen dominiert hatten.

Ski Alpin: Ohne Dreßen wär's fast nix gewesen

Für eine Bronzemedaille sorgte auch Skicrosserin Daniela Maier. Beim Alpin-Team sah es bis zum letzten Wettkampftag so aus, als würde es komplett leer ausgehen. Erst das Teamevent brachte Zählbares und die "Erlösung" bei Alpin-Direktor Wolfgang Maier. Lena Dürr verpasste um Haaresbreite eine Medaille im Slalom. Das Gleiche passierte Kira Weidle in der Abfahrt.

Die Männer waren weiter weg - am nächsten kam noch Linus Straßer mit Platz sieben im Slalom einer Medaille. In den Speed-Disziplinen gab es ohne den verletzten Thomas Dreßen nichts zu holen. Romed Baumann, Andreas Sander, Josef Ferstl und Dominik Schwaiger konnten diese Lücke nicht schließen. Maiers Analyse: "Wollen die deutschen Alpin-Asse wieder häufiger jubeln, müssen sie entweder "technisch noch besser werden (...) oder wir müssen – in Anführungszeichen - das Schwein im Rennfahrer noch besser ausprägen".

Auf dem Eis im Krisenmodus - Sorgen beim DEB und den Snowboardern

Während BSD und DSV also ablieferten, dürfte es in den Verbänden, die in Peking ohne Medaille blieben, zu dem einen oder anderen Krisengespräch kommen. So hatten sich die Snowboarder mit Ramona Hofmeister, Stefan Baumeister oder Martin Nörl wie auch der Deutsche Eishockey Bund (DEB) durchaus Medaillenchancen ausgerechnet. Das Ziel wurde aber mehr oder weniger deutlich verfehlt.

Die Aktiven der Deutschen Eislauf-Union (DEU) und der Deutsche Eisschnelllauf- und Shorttrack-Gemeinschaft (DESG) blieben erstmals seit 16 Jahren ohne olympische Medaille. Egal ob im Eisschnelllauf, beim Shorttrack oder auch beim Eiskunstlauf: Die Weltspitze ist meilenweit entfernt. Wo es vor vier Jahren immerhin noch einmal Gold durch Aljona Savchenko/Bruno Massot im Paarlauf gab, erlebten die Athletinnen und Athleten in Peking ein - auch der Coronapandemie geschuldetes - Desaster.

Das Leistungsprinzip und die Folgen

Folgen hat ein nicht so gutes Abschneiden immer auch für die Förderungen innerhalb des DOSB. Denn die Spitzensportförderung hat zwar ein "Potenzialanalysesystem" integriert, funktioniert aber im Wesentlichen nach dem Leistungsprinzip. Wer gute Leistungen zeigt, also olympische Medaillen gewinnt, der darf auf mehr Geld in der Zukunft hoffen. Wer das nicht schafft, muss möglicherweise mit weniger Mitteln auskommen.

So profitierte der BSD bereits von Förderungen, wie sie in anderen Ländern nicht gibt. Andere sehen nun ihre Felle davonschwimmen. Für die international nicht konkurrenzfähigen Eisschnellläufer und Shorttracker verheißt das nichts Gutes. Gleiches gilt für die Eiskunstläufer.

Freestyler werden abgehängt

Die Freestyler, die ohnehin schon (und zu Recht) fehlende Trainingsmöglichkeiten beklagen und bisher kaum mit attraktiven TV-Zeiten punkten können, müssen sich darauf einstellen, noch länger ein Schattendasein hinter den populäreren Premiumsportarten zu fristen und weiter abgehängt zu werden.

Das deutsche Eishockey könnte sich noch am ehesten vom verpassten Viertelfinale erholen. In dieser hierzulande populären und telegenen Sportart sind Sponsoren eher bereit, die fehlenden Förderung mit Geldspritzen auszugleichen.

Schimmelpfennig: "Werden genau hinsehen"

Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) wird genau hinsehen und nach den Spielen analysieren, was auch im Hinblick auf die kommenden Spiele in vier Jahren notwendig ist. Für den Moment tröstet auch Dirk Schimmelpfennig noch der Blick auf den Medaillenspiegel.