Die Fahne des Olympischen Kommittees der Ukraine

Olympia 2024 in Paris Ukraine will Olympia-Start von Russland und Belarus verhindern

Stand: 03.02.2023 15:09 Uhr

Die Ukraine will einen Start russischer und belarusischer Sportlerinnen und Sportler bei den Olympischen Spielen 2024 verhindern und so einen eigenen Boykott abwenden.

Man werden entschlossen gegen eine Zulassung der russischen und belarusischen Athleten zu internationalen Veranstaltungen und zu Olympischen Spielen arbeiten, sagte Sportminister und NOK-Chef Wadym Hutzajt am Freitag (03.02.2023) nach einer außerordentlichen Generalversammlung in Kiew.

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hatte sich zuletzt offen gezeigt, Sportler aus Russland und Belarus wieder als neutrale Athleten im Weltsport zuzulassen und ihnen so auch die Teilnahme an den Olympischen Spielen 2024 in Paris zu ermöglichen.

Ukrainisches NOK: Boykott erst Thema, wenn der Ausschluss wirklich fällt

"Solange der Krieg dauert, solange unser Vaterland bombardiert wird, solange wir unsere Unabhängigkeit erkämpfen, unsere (territoriale Unversehrtheit), können wir sie nicht sehen. Wir haben den großen Wunsch, sie so lange nicht zu sehen, wie der Krieg nicht mit unserem Sieg endet", betonte Hutzajt. Erst wenn es trotz größter Anstrengungen nicht gelinge, einen Ausschluss von Russen und Belarusen zu erreichen, werde ein Boykott thematisiert.

"Wenn wir alle (hart) daran arbeiten und alles dafür tun, doch es uns nicht gelingt, dann - das ist nur meine persönliche Meinung - müssen die Olympischen Spiele boykottiert werden. Doch diese Frage wird nur kollegial in einer außerordentlichen Sitzung unseres Nationalen Olympischen Komitees entschieden", erklärte der NOK-Chef.

Unterstützung von baltischen Staaten und Polen

Die baltischen Staaten und Polen hatten sich zuvor in einer gemeinsamen Erklärung der für Sport zuständigen Minister entschieden gegen den Vorstoß des IOC ausgesprochen, russische und belarusische Sportler wieder im Weltsport zuzulassen. Polens Minister sprach von einer Koalition von fast 40 Staaten und deutete einen möglichen breiten Boykott der Olympischen Spiele 2024 an.

"Wir, die Sportminister der baltischen Staaten und Polens, verurteilen die Bemühungen des Internationalen Olympischen Komitees (IOC)", hieß es am 2. Februar von Piret Hartman (Estland), Anda Caksa (Lettland), Jurgita Siugzdiniene (Litauen) und Kamil Bortniczuk (Polen).

Die Bemühungen, russische und belarusische Athleten unter dem Deckmantel der Neutralität zurückzubringen, legitimierten die politischen Entscheidungen und die weiter verbreitete Propaganda der beiden Länder, betonte die Gruppe aus dem Baltikum und Polen in ihrer gemeinsamen Erklärung. Der Sport werde dafür eingesetzt, um von der illegalen Aggression gegen die Ukraine abzulenken.

US-Regierung unterstützt IOC-Vorstoß

Aus der US-Politik gab es dagegen Zustimmung für die IOC-Pläne. Washington stellte am Donnerstag klar, den Kurs von IOC-Präsident Thomas Bach zu unterstützen. Athleten aus Russland und Belarus sollten an Olympischen Spielen teilnehmen dürfen, allerdings nicht unter ihrer Flagge, teilte das Weiße Haus mit.

In Deutschland hatte die für den Sport zuständige Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) die IOC-Pläne strikt abgelehnt und als "völlig falschen Weg" bezeichnet.

Auch DOSB ist auf IOC-Linie

Verständnis für den IOC-Vorstoß gab es aus einigen deutschen Verbände. Andreas Michelmann, Präsident des Deutschen Handballbundes (DHB) sagte im Deutschlandfunk, Sanktionen gegen Staaten seien richtig, nicht aber gegen Sportler: "Wenn ich es ernst nehme, dass es im Kern um die Athleten geht, muss ich die Athleten trennen von den Staaten."

Auch der DOSB hatte gegenüber der Sportschau mitgeteilt, den IOC-Vorstoß zu unterstützen und Athletinnen und Athleten aus Russland und Belarus die Teilnahme zu ermöglichen, "unter strengen Voraussetzungen", die im Wesentlichen dem auch vom IOC aufgestellten Kriterienkatalog entsprechen: Ein Start sollte nur für neutrale Teilnehmende möglich sein, es dürften keine Flaggen, Farben, nationalen Symbole zu sehen sein und auch keine Hymnen gespielt werden.

Athleten Deutschland gegen Rückkehr Russlands

Die vom DOSB unabhängige Athletenvertretung "Athleten Deutschland" hält eine Rückkehr Russlands in den Weltsport zum jetzigen Zeitpunkt dagegen für verfrüht. Der IOC-Vorstoß sei vorschnell und sende das falsche Signal, hieß es in einer Mitteilung.

Kritik gab es auch von der unabhängigen Athletenvereinigung "Global Athlete": Selbst wenn russische Sportler unter neutraler Flagge starteten, hieß es in einer Mitteilung, sei es doch klar, dass der Sport ein fester Bestandteil der außenpolitischen Strategie Russlands sei.

Bachs Argument: Niemand darf wegen seines Passes ausgeschlossen werden

IOC-Präsident Thomas Bach hatte seine Haltung mehrfach bekräftigt, Es entspreche "nicht den Werten und der Mission der Olympischen Charta, Athleten aufgrund ihres Passes auszuschließen", sagte Bach.

IOC-Präsident Thomas Bach bei einem Auftritt in Kiew

IOC-Präsident Thomas Bach bei einem Auftritt in Kiew

"Es geht nicht um den Pass", sagte der ukrainische Skeletonpilot Vladyslav Heraskevych gegenüber der ARD. "Russische Sportler sind keine zufällige Gruppe, jeder hat seine Geschichte und die Statistik sagt: Circa 85 Prozent der russischen Sportler sind Angehörige von Militär, Polizei oder anderen staatlichen Strukturen."

IOC beruft sich auf Neutralität und UN-Charta

Das IOC berief sich in seiner Haltung auf die Olympische Charta, aber auch auf Expertisen der Vereinten Nationen (UN), wonach Athleten nicht allein aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit ausgeschlossen werden dürften. In der Historie gab es einen unterschiedlichen Umgang seitens des IOC: Während der Zeit der Balkankriege etwa durften Teilnehmende aus dem früheren Jugoslawien als unabhängiges Team starten, unter olympischer Flagge. Südafrika hingegen blieb während der Zeit des Apartheid-Regimes von den Spielen ausgeschlossen.

Für die aktuelle Haltung des IOC hinsichtlich Russland und Belarus gebe es großen Rückhalt bei den internationalen Verbänden, hatte IOC-Präsident Bach nach Konsultationen mit den Nationalen Olympischen Komitees (NOK) betont. Der IOC-Vorstoß werde auch von einer Mehrheit der NOKs mitgetragen, hieß es auch vom DOSB.

Allerdings sprach sich der Leichtathletik-Weltverband in einem ersten Statement nach dem IOC-Vorstoß gegen eine Rückkehr der Athleten zu internationalen Wettkämpfen und den Olympischen Spielen aus.