Der Norweger Magnus Carlsen (l) sitzt dem US-Amerikaner Hans Niemann in einer Schachpartie gegenüber.

Mehr als 100 Partien unter Verdacht Schach: Niemann reagiert erstmals auf Vorwürfe

Stand: 06.10.2022 12:23 Uhr

Der US-amerikanische Schach-Großmeister Hans Niemann hat erstmals auf die heftigen Betrugsvorwürfe reagiert.

Er werde "nicht nachgeben", sagte der 19-Jährige nach einem gewonnenen Spiel bei der US-Schachmeisterschaft am Mittwoch (05.10.2022). Die Partie "spreche für sich und habe den Schachspieler gezeigt, der ich bin".

Zuvor hatte die Schachplattform chess.com davon berichtet, dass Niemann "wahrscheinlich in mehr als 100 Online-Schachpartien" geschummelt haben soll. "Wir bezweifeln nicht, dass Hans ein talentierter Spieler ist, aber wir stellen fest, dass seine Ergebnisse statistisch gesehen außergewöhnlich sind", heißt es dem 20-seitigen Bericht mit Anhängen.

Souveräner Sieg

Der unter Betrugsverdacht stehende Schachgroßmeister Hans Niemann war kurz nach dem Erscheinen des Untersuchungsberichts bei den US-Meisterschaften in St. Louis/Missouri zu seinem Erstrundenspiel angetreten.

Nach dem souveränen Sieg gegen den 15-jährigen Christopher Yoo gab er eine kurze Stellungnahme ab. Auf Nachfragen des Moderators ging er nicht ein: "Tut mir leid, das war's. Sie können das interpretieren, wie sie wollen."

Niemann steht im Fokus, seit ihm Weltmeister Magnus Carlsen offen Betrug vorwirft. Anfang September war es zum ersten Vorfall zwischen beiden Großmeistern gekommen. Beim Sinquefield Cup in St. Louis verlor der Superstar aus Norwegen überraschend gegen Niemann und zog sich erstmals in seiner Karriere von einem Turnier zurück.

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Niemann gab während des Sinquefield Cups in einem Interview dann zu, zweimal als Teenager im Alter von zwölf und 16 Jahren bei Online-Partien betrogen zu haben, nie jedoch in Präsenz am Schachbrett.

Aussagen zweifelhaft

Der Untersuchungsbericht des Portals chess.com, über den das "Wall Street Journal" (WSJ) am Dienstag erstmals berichtete, zieht diese Angaben nun in Zweifel. Nach Angaben des WSJ hat Niemann die Anschuldigungen in dem Bericht zugegeben und wurde für einige Zeit von der sowohl bei Amateuren als auch bei Großmeistern beliebten Seite ausgeschlossen. Den Angaben zufolge betrog Niemann zuletzt 2020, auch bei Turnieren, in denen es um Preisgelder ging.

Der Bericht von chess.com trifft laut WSJ keine Aussage dazu, ob Niemann bei direkten Duellen ebenfalls betrogen hat. Allerdings gebe es den Hinweis, dass Niemanns stärkste Vorstellungen weitere Untersuchungen auf Grundlage der Daten verdienten.

Nicht unerwähnt sollte in diesem Zusammenhang die enge Verbindung zwischen chess.com und Weltmeister Carlsen bleiben: Die Plattform kaufte im August dieses Jahres Carlsens Unternehmen Play Magnus Group.

Sicher ist: Das Thema wird die Schachwelt noch weiter in Atem halten. Der Schach-Weltverband hat in der vergangenen Woche bekannt gegeben, dass er eine Untersuchungskommission einsetzen wird.