Quarterback Tua Tagovailoa wird auf einer Trage vom Feld gebracht.

Kopfverletzung von Tagovailoa Handelten die Dolphins fahrlässig?

Stand: 30.09.2022 08:15 Uhr

Nach der erneuten Kopfverletzung von Tua Tagovailoa stellt sich die US-Football-Community die Frage: Haben die Miami Dolphins ihren Quarterback nicht ausreichend geschützt?

Tagovailoa war im Duell mit den Cincinnati Bengals zu Boden gerissen worden und dabei hart mit dem Kopf auf dem Feld aufgekommen. Seine Hände verkrampften offensichtlich, er wurde minutenlang behandelt und mit einer Trage vom Feld gebracht.

Die Dolphins gaben wenige Minuten später bekannt, der 24-Jährige könne die Partie wegen "Kopf- und Nackenverletzungen" nicht fortsetzen. "Tua Tagovailoa wurde für weitere Untersuchungen in ein lokales Krankenhaus gebracht. Er ist bei Bewusstsein und kann alle Extremitäten bewegen." US-Medien berichteten unmittelbar nach Spielende, Tagovailoa werde noch am Abend aus dem Krankenhaus entlassen und werde mit dem Team nach Miami reisen.

Aufprall auf den Kopf schon gegen die Buffalo Bills

Für Tagovailoa kam Teddy Bridgewater in die Partie, die Dolphins verloren 15:27. Doch die erste Niederlage der Saison geriet wegen der Vorgeschichte um Tagovailoa zur Nebensache.

Der Quarterback hatte schon vier Tage zuvor am Sonntag im Spiel gegen die Buffalo Bills angeschlagen gewirkt. Nach einem Schubser hatte er da beim Aufschlag ebenfalls seinen Kopf nach hinten überstreckt. Als er wieder aufgestanden war, wirkte er sehr unsicher auf den Beinen, knickte nach den ersten Schritten weg und wurde von Teamkollegen gestützt.

Wurde das Concussion Protocol umgangen?

Nach einer Untersuchung spielte er in der zweiten Halbzeit allerdings weiter. Im Anschluss an die Partie war die Rede von einer Rückenverletzung, nicht aber von einer Kopfblessur. Dies sorgte für Kritik im Umfeld der NFL, die Spieler-Gewerkschaft NFLPA leitete eine Untersuchung ein.

Denn bei Kopfverletzungen sieht die Liga ein strenges "Concussion Protocol" vor. Mit genau festgelegten Tests während des Spiels und in den Tagen danach sollen die Teamärzte die Spieler auf Gehirnerschütterungen (Concussions) untersuchen. Denn es gilt als sehr gefährlich, mit einer schweren Kopfverletzung weiterzuspielen oder zu früh wieder einzusteigen. Tua selbst sagte nach der Partie, er habe das "Concussion Protocol" bestanden.

Diagnose CTE bei 315 ehemaligen Footballern

Das Thema beschäftigt die NFL seit vielen Jahren. Bei mittlerweile 315 ehemaligen Football-Profis ist posthum CTE festgestellt worden. Die Chronisch Traumatische Enzephalopathie (CTE) ist eine schwere Erkrankung des Gehirns, die unter anderem Demenz und schwere Persönlichkeitsveränderungen auslösen kann. CTE wird durch wiederholte Kopfverletzungen und vielfache Schläge auf den Kopf ausgelöst. Sie kann nur durch eine Obduktion festgestellt werden.

Die NFL hatte lange einen Zusammenhang zwischen ihrem Sport und CTE bestritten. Erst 2016 änderte sich der Ton und die Liga führte Maßnahmen zum Schutz vor Kopfverletzungen ein, beispielsweise sind harte Tacklings gegen den Kopf mittlerweile verboten. Wie wirksam die Maßnahmen sind, ist allerdings umstritten.

Kritik an den Dolphins

Der Umgang mit den Verletzungen von Tagovailoa bringt das Thema erneut auf den Tisch. Der ehemalige Wrestler und heutige Neurowissenschaftler Christopher Nowinski twitterte in Richtung der Dolphins: "Ihr solltet ins Gefängnis gehen dafür, dass ihr ihn fünf Tage nach einer offensichtlichen Gehirnerschütterung wieder spielen lasst." Nowinski ist auch Geschäftsführer der Concussion Legacy Foundation, die sich unter anderem für den Schutz von Sportlern vor Gehirnerschütterungen und CTE einsetzt.