Ausgebranntes Polizeiauto im Stadion von Malang

Stadion-Katastrophe in Indonesien 37 Minderjährige unter den Toten

Stand: 04.10.2022 18:51 Uhr

Nach der Stadion-Katastrophe im indonesischen Malang sprechen Behörden von mindestens 133 Toten, darunter 37 Kinder und Jugendliche.

Die Katastrophe ereignete sich am Samstagabend (01.10.2022/Ortszeit) im Anschluss an die Partie zwischen Arema FC und Persebaya Surabaya im Stadion von Malang in der indonesischen Provinz Ostjava.

Indonesien hat ein unabhängiges Expertenteam eingesetzt, das die Hintergründe klären soll. Dies wurde am Montag nach einer Sondersitzung der Regierung mit hochrangigen Sicherheitsbeamten bekannt. Das "Joint Independent Fact Finding Team" werde aus Regierungsbeamten, Vertretern des Fußballverbandes, Experten, Akademikern und Journalisten bestehen, sagte Sicherheitsminister Mohammad Mahfud. "Es wird erwartet, dass das Team seine Arbeit in zwei oder drei Wochen abgeschlossen hat", sagte Mahfud. Die Regierung habe zudem die Nationalpolizei angewiesen, "in den nächsten Tagen" gegen Personen zu ermitteln, die für die Tragödie verantwortlich sein könnten.

Polizeichef entlassen

Erste personelle Konsequenzen gibt es schon. Der Polizeichef der Stadt Malang, Ferli Hidayat, wurde von seinem Amt entbunden. Neun weitere Beamte wurden suspendiert, gegen mindestens 28 Polizeibeamte wird wegen mutmaßlicher Verstöße gegen die Berufsethik ermittelt.

Überdies sperrte der nationale Fußball-Verband PSSI am Dienstag zwei Funktionäre des Arema FC lebenslang. Sie waren für Spielorganisation und Sicherheitskoordination zuständig gewesen.

133 Tote, 300 Verletzte nach Massenpanik im Stadion

Die Behörden hatten die Zahl der Todesopfer zwischenzeitlich auf 125 korrigiert - nachdem sie wenige Stunden zuvor von 174 Todesopfern gesprochen hatten. "Einige Namen wurden zweimal erfasst, da sie in ein anderes Krankenhaus verlegt und dort erneut aufgeschrieben wurden", sagte der Vizegouverneur der Provinz Ostjava am Sonntag dem Sender "Metro TV". Am Dienstag stieg die Zahl dann auf 133, weil weitere Menschen ihren Verletzungen erlegen waren. Zudem seien 300 Menschen verletzt worden. 

91 der Todesopfer sind den Behörden zufolge männlich, 42 weiblich. Unter ihnen befinden sich mindestens 37 Kinder und Jugendliche. Das bisher jüngste identifizierte Opfer sei ein drei oder vier Jahre altes Kleinkind, sagte ein Sprecher des Ministeriums für Frauenförderung und Kinderschutz am Dienstag.

Polizei feuerte Tränengas in die Menge

Nach Polizeiangaben hatten Arema-Fans nach der 2:3-Niederlage ihres Klubs das Feld gestürmt. Die Polizei versuchte daraufhin eigenen Angaben zufolge, die Fans zur Rückkehr auf die Ränge zu bewegen und feuerte schließlich Tränengas in die Menge. Dies löste Polizeiangaben zufolge eine Massenpanik aus, als viele Fans versuchten, aus dem Stadion zu flüchten. 

An einem Ausgang sei es zum Stau sowie zu "Atemnot und Sauerstoffmangel" gekommen, erklärte der örtliche Polizeichef Nico Afinta. Viele der Opfer wurden demnach zu Tode getrampelt.

Rund 3.000 Menschen hätten den Platz gestürmt, hieß es weiter: "Wir möchten darauf hinweisen, dass nicht alle anarchisch waren, es waren nur etwa 3.000, die das Spielfeld betraten", sagte der örtliche Polizeichef Nico Afinta.

FIFA und Amnesty: "Kein Tränengas im Stadion"

Fotos aus der Umgebung des Stadions zeigen ausgebrannte und demolierte Autos, darunter ein Polizeifahrzeug. Videos von den Ausschreitungen in den sozialen Medien zeigen massiven Einsatz von Tränengas im Stadion. Inwieweit die Todesfälle direkt mit dem Einsatz von Tränengas zusammenhängen, ist unklar.

Der Weltverband FIFA wies laut "BBC" in einem ersten Statement darauf hin, dass Tränengas zur Kontrolle von Fanbewegungen von Sicherheitskräften und Polizei im Stadion nicht eingesetzt werden dürfe.

Auch Amnesty International forderte eine Untersuchung des Tränengas-Einsatzes. Die Zuständigen müssten im Falle von Rechtsverstößen vor Gericht gestellt werden.

Die Fußballwelt befinde sich in einem "Schockzustand", sagte FIFA-Präsident Gianni Infantino und sprach den Familien und Freunden der Opfer "mein tiefstes Beileid aus." Die spanische Fußballliga kündigte an, dass es am Sonntag in den Stadien eine Schweigeminute in Gedenken an die Opfer geben werde.

Indonesiens Regierung: Mehr Zuschauer im Stadion als zugelassen

Das Kanjuruhan Stadion fasst insgesamt 38.000 Zuschauer und war nach Angaben der Behörden ausverkauft. Die "BBC" zitierte einen indonesischen Minister, wonach die im Stadion zugelassene Zahl an Zuschauern um 4.000 überschritten wurde.

Der indonesische Präsident Joko Widodo hat nach der Katastrophe eine Sicherheitsüberprüfung der Fußballspiele des Landes angeordnet. Der Sport- und Jugendminister des Landes, der nationale Polizeichef und der Chef des indonesischen Fußballverbandes wurden angewiesen, "eine gründliche Bewertung der Fußballspiele und der Sicherheitsverfahren vorzunehmen", sagte Widodo in einer im Fernsehen übertragenen Erklärung. "Dies soll die letzte Stadion-Tragödie des Landes sein", sagte der Präsident.

Im indonesischen Fußball ist es mehrfach zu gewaltsamen Auseinandersetzungen gekommen, die Fans von Arema und Persebaya gelten als rivalisierend. Der indonesische Fußballverband setzte die Erstliga-Spiele zunächst für eine Woche aus. Er untersagte dem Arema FC zudem für den Rest der Saison die Austragung von Heimspielen. 

Die Tragödie in Malang gilt als eine der schwersten Sportstadion-Katastrophen der Welt. 1964 wurden bei einer Massenpanik während eines Olympia-Qualifikationsspiels zwischen Peru und Argentinien im Nationalstadion von Lima 320 Menschen getötet und mehr als 1.000 Personen verletzt. 2012 starben in Port Said in Ägypten bei Stadion-Ausschreitungen nach einem Fußballspiel 74 Menschen. Bei der Katastrophe im Hillsborough-Stadion von Sheffield im Jahr 1989 kamen 97 Fans des FC Liverpool ums Leben.