Der ehemalige Schiedsrichter und heutige Funktionär Lutz-Michael Fröhlich

Schiedsrichter-Chef im Interview Fröhlich - "Rückendeckung und Wertschätzung fehlen"

Stand: 28.09.2022 22:41 Uhr

Schiedsrichter sehen sich nicht nur auf dem Platz sondern vermehrt auch im Netz Anfeindungen ausgesetzt. DFB-Schiedsrichter-Boss Lutz-Michael Fröhlich nimmt auch Trainer und Spieler in die Pflicht.

Sportschau: Herr Fröhlich, Schiedsrichter Felix Zwayer hat davor gewarnt, dass auch immer mehr jüngere und Amateur-Schiedsrichter mit Hassrede in den Sozialen Netzwerken konfrontiert werden und dadurch die Motivation verloren gehen kann, zur Pfeife zu greifen. Teilen Sie diese Befürchtungen?

Lutz-Michael Fröhlich: "Ja, absolut. Das ist zwar sicher nicht nur ein Problem bei den Schiedsrichtern, sondern eins der gesamten Gesellschaft. Aber natürlich beschäftigen wir uns auch damit. Für die Elite-Schiedsrichter haben wir über die Jahre ein sportpsychologisches Netzwerk aufgebaut, wo über diesen zusätzlichen Druck gesprochen werden kann. Aber auch im Jugend- und Amateurbereich ist es total wichtig, sich damit auseinanderzusetzen."

Beispielsweise im Saarländischen Fußballverband gibt es zu diesem Thema Crashkurse für angehende Schiedsrichter - ein gutes Modell?

Fröhlich: "Auf jeden Fall, wir begrüßen jede Schulung oder Ausbildung, die auch diesen Themenbereich umfasst."

Sind Sie persönlich auch schonmal in ein solches Kreuzfeuer geraten?

Fröhlich: "Bei mir hielt sich das bisher zum Glück in Grenzen, aber bei den Schiedsrichtern gibt es immer wieder mal starke Ausschläge nach oben. Besonders schlimm war es vergangene Saison natürlich bei Felix Zwayer nach dem Spiel zwischen Dortmund und Bayern."

Zuletzt haben die Regelexperten von Collinas Erben vorübergehend ihren Twitter-Account nach einem Shitstorm stillgelegt. Was raten Sie jungen Schiedsrichtern: Sollen sie diese fast immer anonymen Kommentare lesen? Oder besser alles ausblenden?

Fröhlich: "Ich bin sehr stark dafür, diese Dinge möglichst auszublenden und sich auf den Sport und die Aufgabe zu fokussieren, sich eher mit der Spielleitung zu beschäftigen als damit, wie man in der Öffentlichkeit oder in den Sozialen Netzwerken dasteht oder gesehen wird. Dazu muss es aber auch ein Umdenken gegenüber dem Schiedsrichterjob und gegenüber dem Umgang mit Regeln geben."

Was meinen Sie damit konkret?

Fröhlich: "Es ist doch so: Wenn man von den Schiedsrichtern bei einem Spiel wenig hört und sie vielleicht dabei richtig gut waren, dann wird wenig oder gar nicht über sie gesprochen. Aber wenn sie mal daneben liegen oder einen schlechten Tag haben, dann wird draufgehauen.

Im Zweifel sind die Schiedsrichter schuld, der Schiedsrichter als Spielverderber – das ist so die allgemeine Wahrnehmung. Es fehlen Rückendeckung und Wertschätzung für den Einsatz und die Leistung.

Auch die Spieler und Trainer können da helfen, indem sie sich auch mehr mit der Perspektive des Schiedsrichters auseinandersetzen und öffentlich auch mal positive Kommentare abgeben, zum Beispiel über eine tolle Vorteilsauslegung oder einen klasse gesehenen Strafstoß."

Im Jugendfußball sieht man generell sehr viel aus dem Profibereich wieder: Torjubel werden kopiert, coole Skills, aber auch das Auftreten gegenüber den Schiedsrichtern. Gibt es da nicht ganz massiven Nachholbedarf?

Fröhlich: "Klar, was wir Sonntag in der Kreisliga oder bei der Jugend sehen, das ist oft ein Spiegelbild von Vorbildern. Auch da kann ich wieder nur wünschen, dass die Profis immer mal die Perspektive wechseln und stärker auf Fairplay und einen respektvolleren Umgang hinweisen.

Das Problem ist ja: Wenn die Spirale bei den Schiedsrichterzahlen immer weiter abwärts geht, werden bald viele Spiele im Amateur- und Jugendbereich ohne Unparteiische stattfinden müssen. Es gab schon herbe Verluste bei den Schiedsrichterzahlen, auch durch die Corona-Zeit, der Trend geht leider eindeutig nach unten.

Für die jungen Leute wird ja auch der Druck in Studium und Ausbildung immer größer, auch da ist es dann manchmal parallel mit der Schiedsrichterei nicht so leicht."

Ist es da noch zeitgemäß, den Sportvereinen Geldstrafen aufzuerlegen, wenn sie nicht die erforderliche Zahl an Schiedsrichtern stellen können?

Fröhlich: "Sehr schwierige Frage, die der Verband beantworten müsste. Kann man über Sanktionen das Problem lösen? In jedem Falle sollte man aber auch an die Werte ran, an Fairplay und das Image des Fußballs. Dazu gehören Spieler und Schiedsrichter."

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Warum sollen junge Leute bei all dem Stress auf dem Platz, von der Seitenlinie und im Netz eigentlich noch Schiedsrichter werden?

Fröhlich: "Weil es eigentlich ein toller Job ist. Man ist aktiver Teil des Fußballs. Man lernt Verantwortung zu tragen, Entscheidungen zu treffen und zu vertreten, mit Konflikten umzugehen und sich auch zu reflektieren. Die Schiedsrichterei ist eigentlich eine hervorragende Schule für das ganze Leben."