Carlos Sainz nach seinem Sieg beim Großen Preis von Großbritannien

Formel 1 in Silverstone Sainz-Triumph mit Beigeschmack

Stand: 04.07.2022 12:00 Uhr

Carlos Sainz feiert in Silverstone einen Sieg, Ferrari fühlt sich trotzdem wie ein Verlierer. Mick Schumacher holt die ersten Formel-1-Punkte, doch der schwere Unfall von Guanyu Zhou stand über allem.

Die wahrscheinlich wichtigste Nachricht des Formel-1-Wochenendes in Silverstone: Alexander Albon und Guanyu Zhou haben den Horror-Unfall am Sonntag (03.07.2022) gleich nach dem Start unbeschadet überstanden. Vor allem die Bilder von Zhous Crash ließen das Schlimmste befürchten: Der Alfa Romeo des Chinesen drehte sich nach einer Kollision mit George Russells Mercedes auf den Kopf, flog von der Strecke, hob über einen Reifenstapel ab und kam erst nach einem heftigen Einschlag im Fangzaun zum Stehen – nur wenige Meter vor einer dahinter postierten Zuschauertribüne entfernt.

Dass Zhou mit dem Leben davonkam, hatte er wohl nur dem Halo-System zu verdanken, dem sieben Kilogramm schweren Überrollbügel aus Titan, der seit 2018 Pflicht in der Formel 1 ist und den Kopf der Fahrer auch gegen schwerste Kollisionen schützt. "Ohne Halo wäre er nicht mehr dabei", sagte auch Weltmeister Max Verstappen nach Ansicht des Unfallvideos.

Halo rettet zwei Leben an einem Tag

Die beängstigenden Szenen von Silverstone dürften auch die letzten Kritiker des Halo verstummen lassen, einige hatten bei der Einführung unter anderem ein eingeschränktes Sichtfeld durch den Titanring bemängelt. "Der Halo hat mich heute gerettet", sagte auch Zhou, der "wie durch ein Wunder unversehrt" ("The Times") und schon wieder vom Start beim kommenden Rennen in Österreich sprach. Auch Williams-Pilot Albon, der ebenfalls in den schlimmen Start-Unfall verwickelt war, wurde am Sonntagabend wieder aus dem Krankenhaus entlassen und konnte Entwarnung geben.

Auch in der Nachwuchsklasse Formel 2 überstand der Israeli Roy Nissany in Silverstone einen schlimmen Unfall dank des Titanbügels, nachdem das Auto des Norwegers Dennis Hauger in Cockpithöhe auf seinem Boliden gelandet war. "Der Halo hat heute vermutlich zwei Leben gerettet", sagte Ferrari-Pilot Carlos Sainz und betonte mit Blick auf die immer umfassenderen Sicherheitsmaßnahmen: "Ich bin sehr glücklich, in dieser Zeit in der Formel 1 zu fahren."

Sainz oder Leclec? Gemischte Stimmung bei Ferrari

Sainz durfte sich außerdem über seinen ersten Sieg in der Formel 1 freuen, ausgerechnet auf dem prestigeträchtigen Kurs in Silverstone. Eigentlich auch ein Grund zum Jubeln für Ferrari, doch mit Charles Leclerc gab ein eigener Angestellter den Partycrasher: Leclerc, der designierte Nummer-eins-Fahrer bei der Scuderia, zeigte sich nach dem Rennen "enttäuscht", nachdem ihm die Teamleitung in ihrer Strategie während des Rennens höchstens halbherzig den Vorzug gegenüber Carlos Sainz gegeben hatte.

So ließ Ferrari mit Sainz, der in der WM-Wertung auf Platz vier liegt, eine gute Chance liegen, Boden auf Max Verstappen gutzumachen, der im Red Bull diesmal schwächelte. Es sei "zu knapp" gewesen, "um beide zu stoppen", sagte Teamchef Mattia Binotto über die Entscheidung in der entscheidenden Safety-Car-Phase, als sie darauf verzichtet hatten, Leclerc aufgrund seiner frischeren Reifen und seiner Position auf der Strecke nicht mehr an die Box zu holen. Sainz bekam neue Reifen und gewann. "Ich verstehe Charles' Enttäuschung. Im Nachhinein hätten wir besser bei ihm auf den roten Reifen gewechselt", sagte Binotto.

Carlos Sainz nach seinem Sieg beim Großen Preis von Großbritannien

Schumacher punktet erstmals im 31. Rennen

Mick Schumacher feierte seine ersten WM-Punkte wie einen Sieg, 31 Rennen musste er darauf warten. "Es hat lang genug gedauert, ich fühle mich wirklich großartig", sagte der Haas-Pilot mit einem Grinsen. Als Achter sammelte er gleich vier Zähler ein und beendete so die lästige Zählerei der Nullrunden. Endlich passte einmal alles zusammen - Schumacher machte keine Fehler, der Haas nicht schlapp.

Seine grandiose Aufholjagd in Silverstone vom vorletzten auf den achten Platz beseitigt zumindest vorerst die Restzweifel an Schumachers Formel-1-Tauglichkeit und liefert ihm beste Argumente für die bald anstehenden Vertragsverhandlungen, auch wenn Schumacher in Silverstone davon profitierte, dass viele Konkurrenten aus dem Fahrer-Mittelfeld ausschieden.

Einfacher wird es für ihn aber nicht, um in die Punkte zu fahren muss bei Schumacher weiter alles passen. Doch der junge Pilot mit dem großen Namen kann jetzt von einer gewissen Last befreit die nächsten Rennen angehen. Auch Teamchef Günther Steiner, zuletzt auch mit öffentlicher Kritik am 23-Jährigen aufgefallen, hoffte darauf, dass "jetzt einiges von dem Druck weggeht und er freier fahren kann".

Hat in Silverstone seine ersten WM-Punkte geholt: Mick Schumacher vom Team Haas Martin.

Hat in Silverstone seine ersten WM-Punkte geholt: Mick Schumacher vom Team Haas Martin.

Mit Selbstbewusstsein in die Vertragsverhandlungen

Nach einem harten Lehrjahr in einem unterlegenen Auto und vielen Rückschlägen durfte sich Schumacher in Silverstone endlich für seine Geduld und harte Arbeit belohnen. Dass es ihm nach wie vor nicht an Selbstbewusstsein mangelt, bewies er kurz vor dem Ziel, als er es auch noch mit Weltmeister Verstappen aufnahm.

Teambesitzer Gene Haas hatte zuletzt betont, der Rennstall wolle mit den Gesprächen über einen neuen Vertrag noch etwas warten. Schumachers aktueller Kontrakt läuft am Jahresende aus. Bestätigt er aber in den drei Rennen bis zur Sommerpause seinen Formanstieg, wird das US-Team wohl kaum über eine Trennung nachdenken.