Motorsport | Formel 1 Mit Verspätung - Formel 1 rast auf den Markt in China

Stand: 29.11.2021 21:09 Uhr

Bernie Ecclestone hatte die Bedeutung des chinesischen Marktes für die Formel 1 früh erkannt. Alfa Romeo realisiert mit der Verpflichtung von Guanyu Zhou nun die Idee des Ex-"Paten".

Die beiden letzten Rennwochenenden in Saudi-Arabien Anfang Dezember und Abu Dhabi eine Woche später kann Guanyu Zhou einigermaßen entspannt angehen. Er liegt zwar in der Gesamtwertung der Formel 2 auf dem zweiten Platz und hat durchaus Chancen, Oscar Piastri den Titel noch abzujagen.

Aber seine nähere Zukunft ist schon geregelt: Der 22-jährige Chinese hat sein Cockpit in der Königsklasse für das kommende Jahr sicher und schreibt damit Geschichte.

"Potenzial für die Marke voll ausschöpfen"

Sein neuer Arbeitgeber Alfa Romeo Racing Orlen hat in Guanyu Zhou den ersten Rennfahrer aus dem bevölkerungsreichsten Land der Erde für ein festes Formel-1-Cockpit verpflichtet. Interessanterweise stellt das Unternehmen in der Pressemitteilung nach einem Willkommensgruß für den aufstrebenden Piloten auch sofort klar, in welchem Gesamtkontext dieser Transfer zu sehen ist: "Einzigartige Gelegenheit für Alfa Romeo, das Potenzial der Formel-1-Plattform in einem für die Zukunft der Marke wichtigen Land voll auszuschöpfen."

Schon 2004 den Markt erkannt

Dass die Formel 1 eine große Werbeplattform ist und es - in der wievielten Linie auch immer, wahrscheinlich in der ersten - ganz einfach darum geht, Autos an die nicht rennfahrende Bevölkerung zu verkaufen, ist keine neue Erkenntnis. Dass dies so offen kommuniziert wird, ist dagegen eher die Ausnahme, zumindest seit Bernie Ecclestone nicht mehr der Patron dieses Businessbetriebes ist.

Ecclestone war zwar nicht gerade ein Sympathieträger, er hat aber aus seinen Geschäftsinteressen nie ein Geheimnis gemacht und schon 2004 propagiert, dass in China noch herausragend viel Geld zu verdienen ist. Deshalb solle man dort Rennen veranstalten und Fahrer rekrutieren.

Die Sportschau fragte im künftigen Rennstall von Guanyu Zhou nach, wie sehr es bei seiner Verpflichtung eine Rolle spielt, dass man jetzt mit China einen riesigen Markt ansprechen kann, der noch nie einen Formel-1-Rennfahrer hatte.

Jean Philippe Imparato, Chief Executive Officer von Alfa Romeo, erklärt: "Diese Wahl ist das Ergebnis eines eindeutig definierten Ziels und einer klaren Strategie: Alfa Romeo soll eine globale Premium-Marke werden. Guanyu Zhou stellt für uns eine große Chance dar, das globale Potenzial der Plattform Formel 1 voll  auszuschöpfen. Er ermöglicht uns außerdem einen privilegierten Zugang zum chinesischen Markt, der für die Zukunft von Alfa Romeo eine bedeutende Rolle spielt."

"Unseren Sport in China zu einem großartigen Erlebnis zu machen"

Frédéric Vasseur, Teamchef von Sauber F1, unter dessen Dach die Alfa Romeos aufgrund einer Partnerschaft mit dem Fiat-Konzern fahren, lobt zunächst das große Talent von Guanyu Zhou und seine Performance in der Formel 2. Er freue sich auch auf das spannende Fahrerduo mit dem erfahrenen Finnen Valtteri Bottas.

Dann stellt auch Vasseur klar: "Wir freuen uns auch darauf, die neuen chinesischen Fans zu begrüßen. Alfa Romeo Racing Orlen ist eine traditionsreiche Marke, die den Geist der Formel 1 verkörpert. Wir werden unser Bestes geben, um unseren Sport in China zu einem großartigen Erlebnis zu machen."

China ist auch für den deutschen Automobilmarkt von herausragender Wichtigkeit. Knapp 420 Millionen Autofahrer gibt es im bevölkerungsreichsten Land der Erde, von allen in der Volksrepublik verkauften Fahrzeugen aus der Premiumkategorie kamen im vergangenen Jahr 77,8 Prozent aus Deutschland. Die Luxusmarke mit den höchsten Werbeausgaben in China ist Mercedes-Benz, bei den verkauften Fahrzeugen lag Audi (650.000) im Vorjahr aber noch knapp vor Mercedes (640.000) und BMW (611.000).

Dass der Motorsportbereich als Werbelokomotive nicht nur mit dem prominentesten Formel-1-Star Lewis Hamilton und dem Rennen in Schanghai eine immense Rolle spielt, wollen jetzt offenbar auch die Stuttgarter Autobauer verstärkt nutzen.

Mercedes verpflichtet 13-jähriges Kart-Talent aus China

Im Juni dieses Jahres hat Mercedes einen 13-jährigen Kartfahrer aus China in seine Nachwuchs-Rennstall aufgemnommen. Laut Gwen Lagrue, Driver Development Advisor bei den Silberpfeilen, erhält Yuanpu Cui "nach einer positiven Saison mit einer guten Entwicklung" nun die Chance, seine Entwicklung in der Mercedes-Akademie fortzusetzen. "Yuanpu hat unsere Aufmerksamkeit geweckt, er hatte bislang eine vielversprechende Karriere. Wir sind stolz darauf, jungen Fahrern mit vielfältiger Herkunft aus vielen verschiedenen Ländern und Hintergründen dabei zu helfen, in der Motorsportwelt aufzusteigen. Und Yuanpu ist das Top-Karttalent aus China."

Dass die Formel 1 nach Abflauen der Pandemie nach Schanghai zurückkehren wird, gilt in der Branche als sicher. Seit mehreren Jahren laufen sogar Gespräche über ein zweites Rennen in der Volksrepublik, dass es in der Formel E (Haitang Bay und Hongkong) bereits gab. Mercedes-Motosportchef Toto Wolff erklärte schon 2019, China sei groß genug für zwei Rennen. Ihm würde es gefallen, wenn die Formel 1 nach Hongkong oder Peking ginge.

Botschafter einer ganzen Branche

Wie Guanyu Zhou selbst damit klar kommt, dass er nicht nur schnell Auto fahren und neben Bottas bestehen soll, sondern auch Botschafter für die immensen wirtschaftlichen Erwartungen einer ganzen Branche sein soll, bleibt abzuwarten.

Was ihm da auf den Schultern lastet, scheint er durchaus zu ahnen, aber er äußert sich sehr professionell: "Der erste chinesische Fahrer in der Formel 1 zu sein, ist ein Meilenstein in der Rennsporthistorie meines Landes. Ich weiß, dass viele Hoffnungen auf mir ruhen werden. Wie bisher immer, nehme ich sie als Motivation, noch besser zu werden und noch mehr zu erreichen."

Noch etwas erreichen möchte übrigens auch Bernie Ecclestone. Der Mann, der 2016 die Formel 1 für 4,4 Milliarden Euro an Liberty Media verkaufte, hat gerade mit 91 Jahren nochmal einen Beraterjob beim internationalen Skiverband FIS angenommen.

Ecclestone wirkt dort in einer neu gegründeten "Zukunftsarbeitsgruppe" mit. Es geht laut dem neuen Präsidenten Johan Eliasch um eine verbesserte Kommerzialisierung, so solle zum Beispiel China als neuer Markt erschlossen werden.