Formel 1 Jochen Mass wird 75: "Frieden in der Geschwindigkeit gefunden"

Stand: 29.09.2021 16:50 Uhr

Jochen Mass machte als Motorsportler Karriere. In der Formel 1 gehört er noch heute zu einem exklusiven deutschen Klub. Zu seinem 75. Geburtstag am 30. September philosophiert der Bayer: "Ich habe soviel Frieden in der Geschwindigkeit gefunden."

In der Formel-1-Geschichte gab es nur sieben deutsche Grand-Prix-Gewinner - Mass ist einer von ihnen. Der Mann aus Dorfen bei München bestritt insgesamt 105 Rennen, holte acht Podiumsplätze und 1975 einen Sieg.

Sieg von Unfall überschattet

Mass war damals erst der zweite deutsche Grand-Prix-Sieger nach Wolfgang Graf Berghe von Trips. "Das ist so, als ob man ein Tor in seiner Länderspielkarriere geschossen hat", meinte Mass, der 1989 mit Manuel Reuter und Stanley Dickens auch den Langstreckenklassiker von Le Mans gewann. Mass erlebte 1973 zunächst einen kurzen Einstand in der Formel 1. In seinem Surtees schied er nach einer Massenkollision bereits in der ersten Runde aus.

Sieg in hochgefährlichen Motorsportzeiten

Auch sein einziger Sieg in der Königsklasse war überschattet von einem schweren Unfall. Auf dem Stadtkurs von Montjuic in Barcelona kam Rolf Stommelen im April 1975 mit seinem Hill von der Strecke ab und schoss in die Zuschauermenge, mehrere Menschen starben. Drei Jahre später überlebte Mass einen schweren Testunfall in Silverstone, erlitt zahlreiche Knochenbrüche und Verletzungen der Lunge. Es war eine hochgefährliche Zeit im Motorsport.

Der Tod von Gilles Villeneuve hat bei Mass Spuren hinterlassen. Der Kanadier starb im Mai 1982 bei einem Horrorunfall im belgischen Zolder. Der vorausfahrende March-Pilot Mass wollte Villeneuve Platz machen, wählte jedoch jene Spur, auf der sein Rivale vorbeiziehen wollte. Villeneuve fuhr auf, überschlug sich mit seinem Ferrari und wurde folgenschwer aus seinem Wagen geschleudert.

"Frieden in der Geschwindigkeit gefunden"

"Ich wusste, ich bin nicht wirklich schuld, weil er ein übertriebenes Risiko eingegangen ist", sagte Mass. "Diese schlimme Erinnerung vergeht aber nicht mehr." Und nur drei Monate später flog Mass in Frankreich von der Strecke, wurde aus seinem brennenden Boliden gerettet - und machte sich nun doch Gedanken über das Ende seine Formel-1-Karriere. "Da zeigt jemand auf dich, das geht nicht mehr lange gut", habe er gedacht.

Trotz seines Hochgeschwindigkeitslebens wusste Mass die Muße stets zu schätzen. "Ich konnte Ruhe und Stille immer schon genießen, das war ein absolutes Muss", sagte er. Das Cockpit war stets wie ein ganz eigener Raum. "Ich habe soviel Frieden in der Geschwindigkeit gefunden, etwas, was ich nie in der Stille gefunden habe", zitierte er einen englischen Sinnspruch.

Zuerst keine Motorsport-Ambitionen

Mass war eigentlich in die See verliebt gewesen. Als junger Mann wollte er ursprünglich Kapitän werden. "Schiffe geben mir viel, sie haben Seele", erzählte er. Mass, dessen Großvater Kapitän war, arbeitete sogar in jungen Jahren als Seemann bei der Handelsmarine. "Ich hatte aber eine überzogene Vorstellung von der Seefahrt", räumte er ein. Das Älteste seiner vier Kinder ist heute Kapitän auf einem Segler.

Doch der Rennsport war und ist sein Leben - dabei ergab sich die Karriere eher zufällig. Als Jugendlicher habe er keine großen Ambitionen gehabt, sagt Mass. "Ich fuhr gut Auto, schneller als alle meine Freunde, das wusste ich", erklärt er im Gespräch mit dem SWR. Also probierte er es professionell und fand Gefallen. Noch heute fährt Mass, der in der Nähe von Grasse in Frankreich lebt, Oldtimer- und Klassikerrennen. Erst Anfang September saß Mass bei einem Festival in Brands Hatch in einem alten Gruppe-C-Porsche.

Rennsport: "Entweder man überlebt oder nicht"

Rückblickend empfindet der Bayer vor allem Dankbarkeit, überlebt zu haben. "Beinahe zählt im Rennsport nicht. Entweder man überlebt oder nicht", sagte er einmal, "es befriedigt mich, dass ich die ganzen Jahre weitestgehend gesund überstanden habe."