Hörmann-Nachfolger Neuer DOSB-Präsident Weikert als Versöhner gefordert

Stand: 04.12.2021 21:23 Uhr

Der neue oberste Repräsentant des deutschen Sportes heißt Thomas Weikert: Der Limburger Anwalt, vormals nationaler und internationaler Tischtennispräsident, ist in Weimar auf der Mitgliederversammlung mit großer Mehrheit zum Präsidenten des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) gewählt worden. Von 423 abgegebenen Stimmen entfielen 361 auf den Hessen. Seine Mitbewerberin, die Fechtpräsidentin Claudia Bokel, die nicht vor Ort war, bekam 56 Stimmen bei einer ungültigen und fünf Enthaltungen.

Thomas Weikert überraschte diesmal - im Gegensatz zu seinem Auftritt bei der Kandidatenauswahl in Düsseldorf - mit einer guten Rede: Dem Sport eine starke Stimme im politischen Berlin geben, Vielfalt in Einheit demonstrieren, klare gemeinsame Ziele für eine bessere Zukunft vorgeben, einen modernen, glaubwürdigen DOSB gestalten: Das waren seine vier Punkte, die er als Programm-Vorgabe vorstellte. Er forderte eine "Architektur des Sports", bei der alles nicht nur ineinander greift, sondern aufeinander aufbaut. "Ich bin jetzt ein bisschen überwältigt. Jetzt packen wir es gemeinsam an, dann kommen wir auch voran", sagte der 60-Jährige nach seiner Wahl. "Der dunkle Anzug muss fälschlicherweise oft als Entfremdung der Sportfunktionäre von der Basis herhalten. Das will ich ändern. Man kann nämlich Anzug tragen, aber Trikot denken", so der Anwalt, der Teamgeist und das Miteinander immer wieder betonte.

Weikert gilt als Mann des Ausgleichs, manchen ist er oft etwas zu harmoniesüchtig. Aber er will "Mannschaftskapitän eines starken Teams mit Transparenz, Offenheit und hoffentlich vielen richtigen Weichenstellungen sein." Und der DOSB braucht nach den turbulenten Zeiten einen Versöhner mehr denn je.

Schon 2018 mal im Gespräch

Schon 2018 war Weikert als DOSB-Chef im Gespräch, als eine Reihe von Spitzenverbänden sich mehr und mehr über seinen Vorgänger Alfons Hörmann, dessen Umgangston und Auftreten beklagten. Weikert wollte damals wegen seiner internationalen Verpflichtungen nicht antreten. Triathlon-Präsident Martin Engelhardt übernahm damals den Part des Gegenkandidaten. Die Revolte scheiterte, weil man schlecht vorbereitet war.

Hörmann, umstritten wie kein Präsident zuvor, stolperte jetzt drei Jahre später über die Vorwürfe aus dem vielzitierten anonymen Brief vom Mai, wo sich Mitarbeiter über ihn, Präsidium und Vorstand sowie deren Umgangston und Respektlosigkeit beklagten und von einer "Kultur der Angst" schrieben. Nach acht Jahren im Amt verzichtete er, als die Ethikkommission Neuwahlen empfahl und der Druck aus Mitgliedsverbänden und Öffentlichkeit wuchs.

Die Krise steigerte sich, nachdem ein anwaltlicher Drohbrief im Auftrag von ihm und Vorstandsvorsitzender Veronika Rücker an das Ex-Vorstandsmitglied Karin Fehres bekannt wurde. Sie wurde als Urheberin des anonymen Schreibens auf Grund eines angeblichen Sprachgutachtens verdächtigt, und ihr wurde mit Strafanzeige und  Zivilklage gedroht, wenn sie sich nicht als Autorin oute. Fehres wies die Anschuldigungen als haltlos zurück.

Hörmann und Rücker fehlten

Weder Hörmann noch Rücker waren in Weimar anwesend. Sie ließen sich wegen Krankheit "und auf Anraten ihres Arztes" entschuldigen. So begrüßte Kaweh Niroomand, bisher Schatzmeister im Präsidium, Plenum und Gäste. "Nicht nur unter Pandemievorzeichen ist momentan alles anders als normal. Es stellen sich viele Fragen, zu denen ich keine Bewertung abgeben werde", sagte er zu den Enthüllungen der letzten Wochen. Und ringt sich in seiner Begrüßung zu dem Satz durch: "Ja, auch wir im Präsidium haben zweifellos Fehler gemacht." Hörmann hatte vor der Sitzung in Weimar an die Mitgliedsorganisationen einen Abschiedsbrief geschrieben, der nochmal eine Art Verteidigungsrede ist.

Gleichzeitig gab er seinem Heimatblatt "Allgäuer Zeitung" ein Interview, in dem er sich keineswegs versöhnlich zeigt. Er wiederholt, wie schon in einem dpa-Interview vor Wochen, dass er Opfer einer Intrige geworden sei.

Der neue Präsidenten wird mit seinem Vorgänger Hörmann das Gespräch suchen müssen, um dessen Verschwörungstheorien zu widerlegen. Auf der To-Do-Liste wird der Familienanwalt Weikert nun erst mal die Wogen innerhalb und außerhalb des DOSB glätten müssen. Reden und vertrauensbildende Maßnahmen sind die ersten Aufgaben, die er sich vorgenommen hat. Dazu kommt ein dringliches Corona-Management. Und er muss die Beziehungen zum Internationalen Olympischen Komitee kitten. Und mit der neuen Bundesregierung ins Gespräch kommen.

Der Koalitionsvertrag sagt einiges zum Sport, was dem DOSB nun nicht ganz gefallen dürfte. "Es ist klar, dass die Politik nicht einseitig vorgehen darf und umgekehrt der DOSB auch nicht." Man müsse das gemeinsam erarbeiten - etwa den Entwicklungsplan Sport, der in dem Vertrag angekündigt ist.

Claudia Bokel, die wegen Corona nicht angereist und per Video zugeschaltet war, hatte ähnliche Ansätze in ihrer Rede wie Weikert, der auf ihre Expertise nicht verzichten möchte. Irritiert waren viele Delegierte durch ein merkwürdiges Verhalten der Fechterin. Zunächst empfahl sie zusammen mit anderen  Spitzenverbänden schriftlich Weikert als Kandidaten, um dann wenig später selbst ins Rennen zu gehen. Das kam nicht gut an.

Mayer polarisiert

Das bekam vielleicht auch Stephan Mayer zu spüren, der als Vizepräsident unter Vorbehalt ins DOSB-Gremium gewählt wurde. Nur 257 Stimmen bekam der Bayer am Samstag, was wohl auch zeigt, dass der CSU-Mann polarisiert. In Düsseldorf war er als Bewerber um das Präsidentenamt ausgewählt worden, verzichtete dann aber zur Überraschung aller, weil er den Sport nicht durch einen Wahlkampf schädigen wollte, der vielleicht weiter Gräben aufreißen könnte. Nun trat er, unterstützt von Teamsport Deutschland und dem Deutschen Fußball-Bund als Vize an. Turnpräsident Alfons Hölzl und DFB-Vize Reiner Koch sollen am Freitag noch heftig die Werbetrommel gerührt haben.

Mayer benötigt nun erst die Freigabe der Bundesregierung für das Amt, weil er als parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium eigentlich eine Karenzzeit von 18 Monaten einhalten muss. Ein Karenzgremium entscheidet darüber, ob sie der Bundesregierung eine Empfehlung für eine vorzeitige Befreiung gibt. Ob Mayer die bekommen wird, entscheidet sich wahrscheinlich im Januar.  Wenn nicht, steht ein neues Problem an. Und: Thomas Härtel, Berliner LSB-Chef, stellte die Frage an Mayer, ob es eine gute Idee sei, vom politischen Amt, in dem er für den Sport verantwortlich war, nun ins Ehrenamt zu wechseln. Mayer konterte: Er brauche keine "Abkühlungsphase".

Verzicht und Rücktritte

Nicht nur Mayer sorgte am Vorabend für  Aufregung. Hinter den Kulissen rumste es heftig. Stefan Klett, Präsident des Landessportbundes Nordrhein-Westfalen, zog nach Diskussionen seine  Bewerbung zurück, das LSB-Sprechergremium rund um Jörg Ammon, der auf seine Kandidatur wegen Ärgers um IT-Geschäfte in seinem Bayerischen Landessportverband verzichtete, warf hin.

Aber, das neue Präsidium verspricht Potenzial: Die Vielfalt des Sports ist durch die neuen Mitglieder vertreten. Die LSB-Kandidatin und ehemalige erfolgreiche Bahnradfahrerin Miriam Welte kann nicht nur Spitzensport, auch wenn der in ihrer Vorstellung sehr präsent war. Verena Bentele, ehemalige paralympische Biathletin und Langläuferin, überzeugte die Delegierten ebenso wie Kerstin Holze, Vorstandsvorsitzende der Stiftung Kinderturnen. Und die Nicht-Olympischen Verbände haben nun den ihnen bisher vom DOSB zugewiesenen Schattenplatz verlassen und mit ihrem Vorsitzenden Oliver Stegemann endlich einen Stuhl am Präsidiumstisch.

Die drei ehemaligen Vize-Präsidentinnen Gudrun Doll-Tepper, Petra Tzschoppe und Uschi Schmitz wurden nicht wieder gewählt. Ihre Absetzbewegungen zu Hörmann & Co. waren Rechtfertigungen, die ihnen nur noch wenige abnahmen.

Neue Vorstandsposten

Nun müssen sich Präsident und Präsidium auch mit der Besetzung der neuen Vorstandsposten beschäftigen. Ob alle abgelöst werden, das wird vermutlich erst nach den Winterspielen in Peking entschieden. Klar ist, dass der Posten des Vorstandsvorsitzenden besetzt werden muss, weil Rückers Vertrag zum Jahresende aufgelöst wurde. Namen kursieren, der aussichtsreichste Kandidat soll Torsten Burmeister vom Behindertensportverband sein.

Neben den Personalien steht dann noch die Aufarbeitung der Vorfälle im Haus des Sports an. Aus drei Anwaltskanzleien soll eine ausgesucht werden, die dann bis zur nächsten Mitgliederversammlung vorgelegt haben soll, was wirklich auf den Führungsetagen des DOSB unter der Präsidentschaft Alfons Hörmann gelaufen ist.