Sportpolitik | Krieg in der Ukraine FIFA verhängt erste Sanktionen gegen Russland - vorerst kein Ausschluss

Stand: 28.02.2022 07:30 Uhr

Keine Heimspiele, keine Flagge, keine Hymne: Der Fußball-Weltverband FIFA hat nach dem russischen Angriff auf die Ukraine erste Sanktionen verhängt. Die gehen dem polnischen Verband aber nicht weit genug.

Es werden keine internationalen Spiele in Russland mehr ausgetragen, Heimspiele finden auf neutralem Boden statt. Zudem wird bei Spielen der Nationalmannschaft die Hymne nicht mehr gespielt, auch die russische Fahne wird nicht zu sehen sein. Zudem darf die Nationalmannschaft nicht mehr unter dem Namen Russlands ihre Spiele bestreiten. Sie läuft künftig unter dem Namen ihres Verbandes RFU auf. Das gab die FIFA am Sonntagabend (27.02.2022) bekannt.

Die Entscheidung sei einstimmig und in enger Abstimmung mit der Europäischen Fußball-Union (UEFA) getroffen worden. Zudem behält sich die FIFA vor, weitere Sanktionen zu verhängen. Ein Ausschluss Russlands aus den WM-Playoffs erfolgte nicht.  

Die FIFA verurteilte gleichzeitig noch einmal die "russische Gewalt bei der Invasion" und brachte ihre "tiefste Solidarität" mit allen betroffenen Menschen zum Ausdruck. Zudem forderte der Weltverband "die Wiederherstellung des Friedens und die sofortige Aufnahme eines konstruktiven Dialogs".

Polen, Schweden und Tschechien boykottieren Playoffs

Polens Verbandspräsident Cezary Kulesza bezeichnete die Sanktionen durch die FIFA als "inakzeptabel". Der Funktionär führte bei Twitter aus: "Wir sind nicht an einem Spiel des Scheins interessiert. Unser Standpunkt bleibt unverändert: Die polnische Nationalmannschaft wird KEIN Spiel gegen Russland bestreiten. Ganz egal wie die russische Mannschaft heißt."

Am frühen Montagmorgen legte er über einen Twitter-Post nach und forderte Solidarität unter den Fußballverbänden: "Aufgrund der skandalösen Entscheidung der FIFA haben wir einen Brief an alle Verbände in Europa geschickt. Wir ermutigen sie, an unserer Seite zu stehen. Denn nur vereint sind wir stark. Keine Milde für die russische Aggression gegen die Ukraine!"

Mit Weltfußballer Robert Lewandowski als Mahner hatten der polnische sowie später auch der schwedische und tschechische Fußball-Verband schon zuvor angekündigt, nicht zu den WM-Playoffs Ende März in Russland anzutreten.

"Ich kann mir nicht vorstellen, in einem Monat auf den Platz zu gehen und zu vergessen, was passiert", sagte Bayern-Stürmer Lewandowski, der am Samstag in der Bundesliga aus Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung mit einer blau-gelben Kapitänsbinde spielte. "Wir wissen, was da passiert und dass die gesamte Welt das nicht akzeptiert. Wir müssen die Ukraine unterstützen."

Was wird aus den Playoffs?

Auch wenn sich die FIFA noch nicht entschieden hat, was aus den Ausscheidungsspielen auf dem Weg zur umstrittenen Katar-WMwird. Klar ist: Russland hat keine Gegner mehr.

In den Playoffs sollte laut ursprünglichem Plan zunächst Polen in Russland antreten, der Sieger fünf Tage später zu Hause auf den Gewinner der Partie von Schweden gegen Tschechien treffen.

FA: England boykottiert alle Spiele gegen Russland

Reagiert hat auch der englische Verband FA. Vorerst wird kein englisches Fußball-Nationalteam mehr gegen eine Mannschaft aus Russland antreten. Die Entscheidung sei "aus Solidarität mit der Ukraine" gefallen. In "absehbarer Zukunft" werde es auf keinem Spiellevel Duelle geben, unabhängig von den Altersklassen. Der Boykott gelte auch für den Para-Fußball. Die FA verurteilte die "Gräueltaten" der russischen Staatsführung.

Infantino weicht Fragen nach Freundschaftsorden aus

Der Frage, ob er den 2019 aus den Händen von Präsident Putin erhaltenen Freundschaftsorden zurückgeben werde, war FIFA-Präsident Gianni Infantino ausgewichen. Der Weltverband wird sich entscheiden müssen, ob er den WM-Gastgeber von 2018 von der WM-Qualifikation ausschließt - oder mit der gegenteiligen Entscheidung die überwältigende Mehrheit der anderen Verbände.

Möglich in dieser Ausnahmesituation erscheint die Verlegung der Partie Russlands gegen Polen und des Finales um ein WM-Ticket auf einen späteren Zeitpunkt in diesem Jahr, die WM beginnt am 21. November.

UEFA kündigt Notfallsitzungen des Exekutivkomitees an

Die Europäische Fußball-Union, die St. Petersburg bereits das Endspiel der Champions League entzogen hatte, kündigte am Wochenende weitere Notfallsitzungen ihres Exekutivkomitees an.

Wichtigster und wohl auch einflussreichster Geldgeber ist weiterhin der in Europa höchst umstrittene russische Energieriese Gazprom, dessen Rolle beim Zweitligisten FC Schalke 04 auch in Deutschland prominent spielt. Schalke spielte am Wochenende bereits ohne den Gazprom-Schriftzug auf den Trikots, reiste außerdem mit einem schlichten Bus ohne Logos nach Karlsruhe.

In England sorgte am Samstagabend auch die Mitteilung des Premier-League-Topklubs FC Chelsea für Aufsehen, dass der russische Eigentümer und Oligarch Roman Abramowitsch die Verwaltung die Treuhänder der wohltätigen Stiftung abgibt.

BVB-Boss Watzke: "Schmutziges Geld"

"Das ist jetzt schmutziges Geld. Da muss man ganz klar sagen, in jeder Richtung, das darf es nicht mehr geben, das dürfen wir nicht mehr annehmen", sagte DFB-Interimspräsident Hans-Joachim Watzke im ZDF-"Sportstudio".

Watzke, auch Geschäftsführer des Schalker Revierrivalen Borussia Dortmund, regte finanzielle Hilfen an, sollten sich die Königsblauen endgültig von Gazprom trennen. DFB-Präsidentschaftskandidat Peter Peters, einst auf Schalke für den Gazprom-Deal verantwortlich, äußerte: "Die Dinge haben sich so massiv verändert. Es kann nicht so weitergehen."

In der Frage, ob auch russische Mannschaften aus den Fußball-Wettbewerben ausgeschlossen werden müssten, waren sich Watzke und Peters uneins. "Da trifft man letztendlich den Klub, nicht den Staat", sagte Watzke.