Sportpolitik | DOSB DOSB: Tiefgreifendes Misstrauen an der Spitze

Stand: 29.11.2021 08:52 Uhr

Der DOSB befindet sich seit Monaten in einer Führungskrise. Wie groß das gegenseitige Misstrauen ist, zeigen Antworten des Athletenvertreters Jonathan Koch auf Fragen der Landessportbünde.

Dass auf den Führungsetagen des Deutschen Olympischen Sportbundes DOSB weder Harmonie noch Vertrauen herrscht oder respektvoll miteinander umgegangen wird, ist mittlerweile hinlänglich bekannt. Dass aber alles noch schlimmer ist als das, was bisher öffentlich wurde, belegen nun Antworten des Aktivenvertreters Jonathan Koch und anderer auf den Fragenkatalog der Landessportbünde an Präsidium und Vorstand des DOSB. Es geht um die forensische Durchleuchtung von Mailaccounts und die Isolation vermeintlicher "Nestbeschmutzer".

Fragen zu Vorgängen rund um anonyme Mail

In dem LSB-Fragenkatalog wurden die Mitglieder unter anderem befragt, ob und wie sie daran beteiligt waren, rechtlich gegen das ehemalige Vorstandsmitglied Karin Fehres oder den Triathlon-Verbandspräsident Martin Engelhardt vorzugehen. Oder wie es zu dem Auftrag eines Sprachgutachtens kam, mit dem man die Autorenschaft einer anonymen Mail vom 6. Mai herausfinden wollte. Diese Mail, in der von einer "Kultur der Angst" innerhalb des DOSB die Rede ist, war Auslöser für die Führungskrise, in deren Verlauf DOSB-Präsident Alfons Hörmann seinen Rückzug ankündigen musste.

Als Urheberin der Mail im Namen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Verbandes machte man an der DOSB-Spitze offenbar Karin Fehres aus. Das ehemalige Vorstandsmitglied sei durch besagtes Sprachgutachten als Autorin der Mail ausgemacht worden, behauptete die Verbandsführung in einem Schreiben an Fehres und drohte ihr mit juristischen Schritten, sollte sie sich nicht öffentlich als Verfasserin der Mail bekennen. Fehres nannte die Vorwürfe "absurd und haltlos".

Koch wird zum Außenseiter im DOSB-Präsidium

Seit diesem 6. Mai, als die anonyme Mail dem DOSB ins Haus flatterte, hat auch der ehemalige Ruderer Jonathan Koch keine gute Zeit mehr im Kreis des DOSB-Präsidiums. Er ist zum Außenseiter geworden, weil er sich weigerte, ein Statement zu unterschreiben, in dem die Mehrheit der Präsidiumsmitglieder dem Präsidenten Alfons Hörmann "das uneingeschränkte Vertrauen und unsere vollumfängliche Unterstützung" aussprach. Kochs Name stand trotzdem damals unter dem Statement, das Hörmann das Vertrauen aussprach. Der Athletenvertreter sah sich deshalb zu einer Richtigstellung genötigt. Er sei mit dem "Wording" nicht einverstanden.

Koch war danach isoliert innerhalb des DOSB-Präsidiums, galt als "Nestbeschmutzer", wie er nun in seiner der Sportschau vorliegenden Antwort auf den Fragenkatalog der Landessportbünde schildert. "Mir wurde teilweise offen, teilweise in geschützten Räumen unterstellt, nicht die Wahrheit zu sagen, von außenstehenden Kräften instrumentalisiert worden zu sein und die Hauptschuld an der größten Krise des DOSB zu tragen", schreibt Koch. Am 3. Juli sei ihm zudem der Zugang zu einer Präsidiumssitzung verweigert worden. "Zu dieser wollte ich mich wie gewohnt digital zuschalten und wurde kurzfristig ohne die Chance der eigenen Einflussnahme praktisch ausgeladen, indem mir zwei Stunden vor Sitzungsbeginn durch die Vorstandsvorsitzende (VV) mitgeteilt wurde, dass beschlossen worden sei, dass es keine Zuschaltung geben würde.

Brisant ist auch Kochs Bericht über forensische Durchleuchtung der Mailaccounts aller Vorstands- und Präsidiumsmitglieder. Nachdem Informationen über eine interne "Kulturanalyse" an die Medien gelangt waren, sei "am 10.8.2021 eine Art Jagd gegen den/die vermeintlichen Maulwürfe ausgesprochen" worden, schreibt Koch. Auch er habe der forensischen Untersuchung der Mail-Postfächer zugestimmt "um meine Unschuld beweisen zu können". Der DOSB äußerte sich auf Anfrage nicht zu all diesen Vorgängen.

Nicht alle Präsidiums-Mitglieder haben alle Infos

Wie tiefgreifend das gegenseitige Misstrauen an der Verbandsspitze inzwischen ist, zeigt auch die gemeinsame Antwort von DOSB-Präsident Alfons Hörmann, und seinen Vize-Präsidenten Kaweh Niroomand, Andreas Silbersack und Vize-Präsidentin Uschi Schmitz auf die Fragen der Landessportbünde. Sie verweisen darauf, dass das Präsidium die Rolle eines "Aufsichtsrates" einnehme.

"Dementsprechend  werden im Präsidium nur die grundsätzlichen Weichenstellungen und Themen mit strategischer Relevanz diskutiert und besprochen. Die Umsetzung der vielschichtigen konkreten Aufgaben in den verschiedenen Themen wird vom Vorstand verantwortet und dort, wo sinnvoll und notwendig, mit einzelnen, vor allem den jeweils zuständigen Präsidiumsmitgliedern abgestimmt", schreibt das Quartett. Oder in Präsidiumssitzungen "in Form von zusammengefassten Berichten dargestellt."

Die Folge offensichtlich haben in Präsidium nicht alle denselben Wissensstand. So wird dann auch erklärt, dass der Vorstand Finanzen, Mandantierungen und Rechnungsfreigaben unterschrieben habe, aber "inhaltlich nicht vollumfänglich" informiert sei. Die Unterzeichner betonen, es habe jahrelang ein "von hohem wechselseitigen Vertrauen geprägtes Klima zwischen Präsidium und Vorstand gegeben, das aber nun durch das "anonyme Schreiben und die dann folgenden Entwicklungen erheblich gelitten" habe.

Deshalb, so lassen die Präsidiumsmitglieder wissen, sei es konsequent, "dass sensible Informationen nur dort, wo unbedingt erforderlich, besprochen und nicht immer protokolliert werden konnten". Nach dem anonymen Schreiben sei dies "die einzig verbliebene Option zur Einhaltung der vorgegebenen gesetzlichen Vorgaben und der Compliance- und Good-Governance-Richtlinien innerhalb des DOSB."

Externe Untersuchung der Altlasten

Ein Blick in diese Good-Governance-Regeln wirft bei der Einlassung der Präsidiumsmitglieder allerdings dann doch Fragen auf. Da heißt es: "Die ethischen Maßstäbe orientieren sich an den vier Prinzipien von Good Governance: Integrität, Verantwortlichkeit und Rechenschaftspflicht, Transparenz, Partizipation und Einbindung."

Der Schriftverkehr zeigt, dass das Führungsgebaren der DOSB-Spitzen noch problematischer war, als bisher öffentlich bekannt. Am nächsten Samstag (04.12.21) will der DOSB ein neues Präsidium wählen. Fakt ist: die Altlasten wiegen schwer. Dies gilt es aufzuarbeiten. Dafür soll eine externe Kanzlei beauftragt werden.