Nach Rückzugs-Ankündigung als DOSB-Präsident Hörmann weiter unter Druck - Klage-Drohung durch Freitag

Stand: 18.06.2021 12:30 Uhr

Alfons Hörmann wird spätestens im Dezember als DOSB-Präsident aus dem Amt scheiden, trotzdem droht dem obersten deutschen Sportfunktionär noch ein Rechtsstreit.

Wenn sich Alfons Hörmann von der Ankündigung seines Rückzugs als DOSB-Präsident mehr Ruhe für sich und sein "Sportdeutschland" erhofft haben sollte, lag er falsch. Der oberste deutsche Sportfunktionär, der sich im Dezember nicht mehr zur Wiederwahl stellen will, steht wegen der fragwürdigen Vorgänge rund um eine Ehrenerklärung für sich durch das DOSB-Präsidium mehr denn je unter Druck.

Athletensprecher Jonathan Koch, Hörmanns Gegenspieler im Präsidium, bringt die Causa nun vor die hauseigene Ethikkommission. Und Dagmar Freitag, die Vorsitzende des Sportausschusses des Bundestages, schließt sogar eine persönliche Klage gegen den DOSB-Präsidenten nicht mehr aus.

Hörmann wirft Sportausschuss und Athleten Deutschland Einflussnahme vor

Grund ist eine pikante Rede Hörmanns, gehalten am vergangenen Samstag (12.06.2021) bei einer internen Online-Sitzung der im DOSB enorm einflussreichen Spitzenverbände. Deren Vertretern erklärte er dort seine Sicht der Vorgänge rund um die Ehrenerklärung, mit der ihm sein Präsidium nur einen Tag nach der Veröffentlichung eines anonymen Briefes von DOSB-Mitarbeitern zur Seite gesprungen war. Hörmann, so hieß es in dem Brief, sei für ein "Klima der Angst" beim DOSB verantwortlich und für den Posten ungeeignet.

Die Tatsache, dass die folgende Ehrenerklärung mit der Unterschrift von Athletenvertreter Koch erschien, der dazu nach eigener Darstellung nie seine Zustimmung gegeben hat, begründete Hörmann vor etwa 80 Vertretern der Spitzenverbände mit äußerst pikanten Aussagen. Koch habe den "Beschlusslagen mehrfach in Sitzungen zugestimmt", sei dann aber "aus dem Verein Athleten Deutschland und aus dem Sportausschuss des Deutschen Bundestages unter Druck gesetzt" worden, "sich von diesen Beschlüssen zu distanzieren". Ein Mitschnitt der entsprechenden Hörmann-Aussagen liegt der ARD vor.

Scharfe Dementis

Der schwerwiegende Vorwurf der Einflussnahme eines DOSB-Präsidiumsmitglieds gegen den Sportausschuss und die Interessenvertretung Athleten Deutschland, der auch Koch angehört, ruft nun zum Teil heftige Reaktionen hervor. Koch selbst wies in einem Brief an die Mitglieder des Sportausschusses und die Spitzenverbände, der der ARD vorliegt, am Freitag Hörmanns Darstellungen "entschlossen zurück". "Kein Mitglied des Deutschen Bundestages hat mich diesbezüglich in meiner Haltung, meinem Abstimmungsverhalten oder meinen öffentlichen Äußerungen beeinflusst." Auch die Interessenvertretung der Sportler habe "keinerlei Druck" auf ihn ausgeübt, was Athleten Deutschland der ARD auch schriftlich bestätigte.

Einer Aussage Hörmanns aus der Rede, man habe zu den Vorgängen geschwiegen, um Koch schützen zu wollen, begegnete der Athletenvertreter mit sarkastischem Unterton. "Ich möchte Ihnen hiermit versichern, dass ich als ehrenamtlicher und durch die Vollversammlung der Athleten gewählter Vertreter der AthletInnen im Präsidium des DOSB nicht schutzbedürftig bin."

Koch unterrichtet DOSB-Ombudsmann

Koch habe sich im Zuge der Diskussionen über die Ehrenerklärung lediglich von Anfragen zahlreicher Medien unter Zugzwang gesetzt gefühlt. Der ARD bestätigte er, dass er die Angelegenheit an Felix Rettenmaier, den derzeit viel beschäftigten DOSB-Ombudsmann, übergeben habe. Nach dessen Stellungnahme muss sich dann satzungsgemäß die DOSB-Ethikkommission mit dem Fall befassen. Aber für Hörmann bleibt es nicht nur im eigenen Haus ungemütlich.

Die Sportausschuss-Vorsitzende Dagmar Freitag (SPD) fühle sich durch Hörmanns Aussagen "persönlich betroffen", sagte sie der ARD: "Ich kann für mich erklären, zu keinem Zeitpunkt - weder direkt noch indirekt - Kontakt mit dem Athletenvertreter Jonathan Koch gehabt zu haben. Somit weise ich die ehrenrührige Unterstellung des Herrn Hörmann auf das Schärfste zurück." Freitag fordert Hörmann auf, "seine Behauptung unverzüglich gegenüber den Mitgliedern der Konferenz der Spitzenverbände schriftlich zu widerrufen." Andernfalls, so Freitag, "behalte ich mir die Prüfung auch rechtlicher Schritte vor". Sie riet dem DOSB, "noch einmal darüber nachzudenken", ob Hörmann als Delegationsleiter für die Olympischen Spiele in Tokio die richtige Wahl sei.

Hörmann schweigt

Freitag kann in dieser Causa momentan nicht als Vorsitzende des Sportausschusses sprechen, weil es noch keinen mehrheitlichen Beschluss in dem Gremium für eine Stellungnahme zu Hörmanns Vorwürfen gibt. Ob es also ein konzertiertes Vorgehen gegen Hörmann gibt, ist unklar. Die Union etwa hat Vorbehalte gegen allzu scharfe Maßnahmen gegen CSU-Mitglied Hörmann. CDU/CSU-Ausschussobmann Frank Steffel sieht Hörmann grundsätzlich gar als Opfer einer Intrige. "Durch gezielte Indiskretionen und Unwahrheiten" seien Präsidium und Vorstand des DOSB "nachhaltig beschädigt" worden.

Hörmann selbst schweigt, seit er am Mittwochabend den Weg für Neuwahlen im Dezember freigemacht hat. Eine ARD-Anfrage, die Vorwürfe aus seiner Rede zu belegen beziehungsweise näher zu erläutern, ließ Hörmann am Freitag unbeantwortet.