Teilnehmerinnen beim Siebenkampf während der Leichtathletik WM 2022 in Eugene.

Busemanns WM-Kolumne Husch, husch, schnell mal zur WM

Stand: 18.07.2022 03:43 Uhr

Die Besten sollen kommen und dann machen sie den Weltmeister aus. Hier in Eugene. So geht Sport. Das ist doch kinderleicht. Doch dann kommen die ganzen Weltranglisten-Hopper und ARD-Leichtathletik-Experte Frank Busemann nicht mehr mit.

Da hat sich der Weltverband aber mal was ganz Feines einfallen lassen. Abgeguckt bei den Tennisspielern und Golfern muss eine Sportart von Welt eine Weltrangliste einführen. Da gibt es dann irgendwelche Punkte für irgendwelche Wettkämpfe und man kommt auf irgendeinen Platz. Ich hoffe nicht, dass man bei diesen Schilderungen einen süffisanten Unterton wahrnimmt?!

Ich komme aus der Leichtathletik. Ich bin "oldschool". Ich springe acht Meter weit und weiß, das ist gut. Okay, das ist gelogen, soweit springe ich nicht (mehr). Ich werfe 33 Meter Diskus und das ist mies. Früher und heute. Aber auch im Mehrkampf. Da gibt es zum Beispiel Punkte für Platzierungen. Einmal sind die 6.300 Punkte im Siebenkampf 100 Punkte wert, woanders nur 50, ganz woanders vielleicht nur 30. Das Schlimme an meinem Alter ist auch: Ich kapiere das nicht mehr.

Frank Busemann: "Wie halten wir da den Anschluss?"

Morgenmagazin, 18.07.2022 05:30 Uhr

Ticket über'n Teich dank geschickter Planung

Mitunter hat das ganz neue taktische Dimensionen. Gut so, sagt man doch immer, dass Leichtathleten im Gros eher der intelligenteren Spezies Sportler angehören. Sagt der Leichtathlet im Schreiberling. Geschickte Planung gespickt mit körperlicher Leibesertüchtigung ergeben ein Ticket über'n Teich. Wie bei der Formel 1: Wenn du nicht überholen kannst, entscheidet der Reifenwechsel. Dann sehe ich die ganzen Weltranglisten-Hopper. Die suchen sich die Wettkämpfe raus, wo es am billigsten die meisten Punkte gibt. Und dann sind sie bei der WM.

Aus deutscher Sicht finde ich das natürlich mega. Da schaffen es Athleten nach Eugene, die die WM-Norm eigentlich verfehlt haben. Das freut mich sehr, für unsere Athleten. Und für mich als Fan. Sozusagen Hintertürchen C. Das Problem ist mitunter aber auch, dass sie von der Nominierung total überrascht wurden. Die bekommen eine Woche vorher einen Anruf, dass sie jetzt doch dabei sind. Glück gehabt, kann man da nur sagen. Zack, schnell den Eisbecher und die Chipstüte im Schrank verstaut, Klamotten zusammenraffen und los geht's nach Amerika. Zur WM. Professionell ist anders.

Das sind alles Rennpferde. Hochleistungssportler. Die kannst du nicht morgens fragen, ob sie Bock auf ein Läufchen haben. Die Psyche muss sich darauf vorbereiten. Alles auf diesen einen Punkt fokussieren und dann - Bäm! Entladung am Saisonhöhepunkt.

Ein Fest der Welt kann schon verbindlicher sein

Husch, husch, schnell mal zur WM, wir haben noch Plätze frei. Verknappung schafft mitunter Begehrlichkeiten, wird bis kurz vor Toresschluss in der weiten Welt der Leichtathleten abgefragt, wer denn nun kommen kann und kommen will, aber ein Fest der Welt kann schon verbindlicher sein.

Beim Siebenkampf der Frauen bekomme ich morgens die Startliste und blättere auf Seite zwei. Zu den Läufen drei und vier. Dachte ich. Da steht aber "400 Metres Men - Round 1". Es sind nur sechzehn Mehrkämpferinnen gemeldet. Eine verletzt sich schon beim Warmmachen, dann sind es nur noch fünfzehn. Und lass sich noch ein paar verlaufen, da muss frau nur ins Ziel kommen und ist Top Ten in der Welt.

Soll das so sein? Dafür haben wir in der Leichtathletik doch Zeiten, Weiten und Punkte. Da brauchst du keine B-Note. Die Besten sollen kommen und dann machen sie den Weltmeister aus. Hier in Eugene. So geht Sport. Das ist doch kinderleicht. Der Beste ist vorne, die anderen kommen danach.

Ich bin "oldschool" und ein treudoofer Enthusiast

Aber okay, ich komme aus dem letzten Jahrtausend. Habe seit 26 Jahren die gleiche Frau, bin seit fast 20 Jahren bei der ARD, schmiere mir seit 40 Jahren das gleiche aufs Brot. Ich bin "oldschool" und ein treudoofer Enthusiast. Die Leichtathletik muss sich neu erfinden, heißt es immer. Attraktivität für die neuen Generationen muss geschaffen werden. Immer mal wieder probiert man was Neues. Glücklicherweise wird der Weltmeister noch hier im direkten Duell ermittelt. Die Weltranglisten gibt es schon seit einiger Zeit, aber ich tue mich noch schwer damit.

Dieses Thema im Programm: Das Erste | Sportschau | 15.07.2022 | 20:20 Uhr