Hockeyspielerin Nike Lorenz betritt beim Spiel gegen Südafrika das Feld vor Teamkollegin Julia Sonntag

DHB-Damen vor Viertelfinale Wie mit Rüdiger und Schlotterbeck im Sturm

Stand: 11.07.2022 19:01 Uhr

Deutschlands Hockeydamen peilen bei der WM in Spanien und den Niederlanden eine Medaille an. Am Dienstag (12.07.2022, 17 Uhr) steht das Viertelfinale gegen Neuseeland auf dem Programm. Helfen soll dem deutschen Team ein taktischer Kniff von Bundestrainer Valentin Altenburg, der auch in anderen Ballsportarten Schule machen könnte.

Von Jan Wochner

Kurz vor Weihnachten. WM-Viertelfinale in Katar. Die deutschen Fußballer von Bundestrainer Hansi Flick sind in Topform. Und bieten Antonio Rüdiger und Nico Schlotterbeck als Doppelspitze im Sturm auf.

Geht’s noch? Klingt schließlich total unrealistisch und wird im Dezember bei den Fußballern in dieser Form wohl unter keinen Umständen passieren. Bei der deutschen Hockey-Nationalmannschaft der Frauen aber ist genau dieser Fall jetzt eingetreten.

Aus der Abwehr in den Sturm gezogen

Nike Lorenz und Hannah Granitzki zählen seit einigen Jahren zu den wichtigsten Köpfen der Defensive im deutschen Team. In diesen Tagen beim WM-Turnier in den Niederlanden und Spanien aber bietet sie Hockey-Bundestrainer Valentin Altenburg im Sturm auf.

Altenburg verfolgt damit ein klares Ziel: "Hockey ist doch längst vom Konterspiel geprägt. Und unsere vorderste Linie trägt deshalb ganz viel dazu bei, dass unsere gesamte Defensive steht", verrät er.

Zwei Defensivspezialistinnen als erste Verteidigerinnen

Deshalb hat er zwei gelernte Verteidigerinnen zu Stürmerinnen umfunktioniert. Lorenz läuft den Gegner als erste Deutsche zentral an, Granitzki verteidigt in vorderster Front zumeist auf den Flügeln.

"Mir ist es wirklich egal, wo ich spiele. Ein Tor vorzubereiten oder selbst zu schießen gibt mir emotional genauso viel, wie wenn ich in der Abwehr ein Gegentor verhindere", sagte Granitzki dem "Hamburger Abendblatt".

Nur vier Gegentore in vier WM-Spielen

Für die Hamburgerin Granitzki und die Kölnerin Nike Lorenz war der Wechsel auf die neue Position natürlich eine gewaltige Umstellung. "So etwas geht auf Weltklasseniveau nicht mal eben so", weiß auch der Bundestrainer. Aber sein Konzept geht bei dieser WM auf.

Denn tatsächlich verteidigt die deutsche Mannschaft extrem gut, hat in vier Spielen nur vier Gegentore kassiert. Granitzki und Lorenz fungieren als vorgezogene Abfangjägerinnen, antizipieren die Anspiele der gegnerischen Verteidigerinnen frühzeitig, vielleicht auch, weil sie aus eigener Erfahrung wissen, welche Pässe Defensivkräfte nun mal gerne spielen.

Option auch für andere Ballsportarten?

Doch nicht nur die beiden Neu-Stürmerinnen mussten sich umstellen. "Am Anfang habe ich immer hinter mich geschaut und vergeblich nach Nike Ausschau gehalten", sagt Mittelfeldspielerin Anne Schröder. "Mittlerweile bin ich dankbar für die defensive Arbeit vor mir, weil uns das dahinter eine unheimlich große Sicherheit gibt."

Die deutsche Mannschaft blieb zuletzt beim 1:0-Achtelfinalerfolg über Südafrika genauso ohne Gegentor wie im letzten Gruppenspiel gegen Irland (3:0). Und Bundestrainer Altenburg glaubt, dass sein taktischer Kniff durchaus auch auf andere Ballsportarten übertragbar sein könnte.

Selin Oruz und Hanna Granitzki bei der Hockey-WM im Wagener Stadion

Das Risiko von Strafecken für den Gegner wird minimiert

"Denkbar ist das schon auch in anderen Sportarten", meint er. "Allerdings ist Hockey speziell, denn hier macht es einen großen Unterschied, ob du den Gegner vor oder erst im eigenen Schusskreis verteidigst." Schließlich schwingt im Kreis immer die Gefahr von Strafecken mit, die im Hockey zu einem Großteil der Tore führen.

Dass das deutsche Team auch im Viertelfinale gegen Neuseeland wieder mit Granitzki und Lorenz im Angriff auflaufen wird, steht bereits fest. Und vielleicht bleibt es dann nicht nur bei der Abwehrarbeit der beiden. Strafeckenspezialistin Lorenz hat bereits drei Turniertore erzielt. Hannah Granitzki will nachlegen: "Über ein Törchen würde ich mich freuen", sagt sie.