Handball | Frauen-Bundesliga Riesenzoff wirft Schatten auf Bietigheimer Handball-Erfolge

Stand: 04.06.2022 16:36 Uhr

Die SG BBM Bietigheim ist das erfolgreichste Team in der Geschichte des deutschen Frauenhandballs. Die Erfolge werden von der Stadt aber kaum gewürdigt. Grund dafür ist wohl der Streit zwischen zwei Männern. Der Verein denkt an Konsequenzen.

Die Handballerinnen der SG BBM Bietigheim haben zuletzt alles gewonnen, was es zu gewinnen gab: 53 Siege wettbewerbsübergreifend sind eine historische Ausnahmeleistung. In der abgelaufenen Saison holten die Bietigheimerinnen gleich vier Titel: Supercup, European League, Meisterschaft und zuletzt den DHB-Pokal. In den vergangenen 14 Monaten haben sie jedes Spiel gewonnen. So erfolgreich war noch keine Frauen-Handballmannschaft in Deutschland. Im Bietigheimer Rathaus müssten sie eigentlich vor Stolz platzen und längst eine große Sause organisiert haben. Doch die Stadt Bietigheim mit Oberbürgermeister Jürgen Kessing, 65, hält sich mit Ehrungen für die Übermannschaft erstaunlicherweise zurück.

Bietigheim als Feier-"Provinz"?

Viele Bürgerinnen und Bürger der Kreisstadt, die gerade auf dem Wochenmarkt einkaufen, haben dafür wenig Verständnis: "Ein Empfang hätte sich gehört", meint Monika Honigmann. Deutlicher drückt sich Bärbel Lang aus: "Die Faschingsveranstaltungen werden groß gefeiert, aber das weniger. Da muss ich sagen, da ist Bietigheim noch ein bisschen Provinz." Für Sabine Roth ist klar: "Wenn die so erfolgreich sind, erwarte ich eigentlich von der Stadt Bietigheim, dass das honoriert wird."

Der angebliche Grund für die bisher ausgebliebene Party: Es soll große Unstimmigkeiten zwischen Bietigheims OB Kessing und Eberhard Bezner, dem langjährigen Mäzen der Handballerinnen, geben. Der 86-jährige Bezner, Seniorchef von Hauptsponsor Olymp, unterstützt die Handballfrauen seit 2005. Offiziell will es zwar keiner bestätigen, aber die beiden Alphatiere scheinen so zerstritten zu sein, dass dies auch die Spielerinnen zu spüren bekommen.

Lena Backhaus, seit September 2021 Geschäftsführerin der SG BBM Bietigheim Frauen, sagt: "Unsere Mädels hätten sich super gefreut, wenn wir vom Europapokal kommen und hier von der Stadt empfangen worden wären. Dass das nicht passiert ist, finden wir schade." Auch die 39-Jährige vermutet "persönliche Gründe" hinter der ausbleibenden Party. Mehr will sie zu diesem Thema lieber nicht sagen.

OB Kessing gibt sich lapidar

Dabei ist Bietigheims OB Kessing sportbegeistert. Der ehemalige Stabhochspringer und Zehnkämpfer ist Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV). Während seiner Zeit als Bürgermeister von Dessau war er Präsident des Handball-Zweitligisten Dessauer HV. Umso mehr wundert es, dass er die Bietigheimer Handballfrauen beim Thema Feierlichkeiten und Würdigung eher links liegen lässt. Dabei sagt er im SWR-Gespräch zu den Erfolgen der SG BBM Bietigheim: "Da kann man nur gratulieren. Die Handballfrauen sind natürlich ein Aushängeschild für unsere Stadt."

Die Antwort auf die Frage, wie die Stadt Bietigheim die erfolgreiche Mannschaft ehren wolle, klingt dann aber erstaunlich lapidar: "Klar wäre ein Empfang im Rathaus mit dem Eintrag ins Goldene Buch der Stadt möglich, aber wir sind auch in der Lage, ins Training zu gehen. So schwer ist das Buch ja nicht." Ist es dem OB nicht wichtig, die Ehrung der Top-Handballerinnen in einem würdigen und offiziellen Rahmen stattfinden zu lassen?

Auch um den Termin für die Ehrung zur "Mannschaft des Jahres 2021", zu der die Handballerinnen gewählt worden waren, hatte es zuletzt Verwirrung gegeben. Das Sportamt der Stadt hatte als Termin den 28. April vorgeschlagen. Die SG-Verantwortlichen hatten allerdings darum gebeten, die Ehrung in den Juli zu verschieben, da der Termin Ende April in der heißen Phase im Europapokal und in der Bundesliga lag.

Verliert Bietigheim ein glanzvolles Aushängeschild?

Nun will der Oberbürgermeister den Termin im Juli nutzen, um alle Ehrungen auf einmal über die Bühne zu bringen. Wenn es im Rathaus nicht gehe, könne er auch gerne ins Training kommen, sagt Kessing: "Dann werfe ich dort zwei, drei Bälle aufs Tor. Das sprechen wir in Ruhe ab und finden dann einen Rahmen, um das angemessen zu begehen."

Äußerungen und Vorgehensweise der Stadt Bietigheim hinterlassen bei den SG-Verantwortlichen einen extrem faden Beigeschmack. Die Gräben, die es zwischen Oberbürgermeister und den Handballfrauen zu überwinden gibt, scheinen tief zu sein. Anders ist die Aussage von Geschäftsführerin Backhaus kaum zu deuten: "Wir sind jederzeit offen für Gespräche sowie für neue Kooperationen und Ideen. Wenn nicht hier, dann gerne woanders." Bietigheim könnte in Zukunft vielleicht ein glanzvolles Aushängeschild verlieren. Was für eine bittere Entwicklung.