Handball-Champions-League Final Four in Köln - kein Favorit in Sicht

Stand: 17.06.2022 20:28 Uhr

Kiel sieht sich als Außenseiter, Barcelona will kein Favorit sein, und die Partie Kielce gegen Veszprem gilt als offen. Das Final Four der Champions League verspricht spannende Duelle.

Es ist das erste Mal seit der Corona-Pandemie, dass der Titel in der Königsklasse wieder in einer vollen Halle vergeben wird. Am Samstag (18.06.2022) finden die beiden Halbfinale statt, am Sonntag das Spiel um Platz 3 und das Finale. Das Final Four 2020 fand vor leeren Rängen statt, 2021 durften nur 1.000 Zuschauer:innen in die Arena, die knapp 20.000 fasst. Kielce, Veszprem, Barcelona und Kiel kämpfen dieses Jahr um den Titel.

Eine volle Kölnarena, ein deutsches Team dabei - Heimvorteil für den THW Kiel? Nicht unbedingt. In den vergangenen Jahren brachten die teilnehmenden ausländischen Teams viele und vor allem laute Fans mit. Für Stimmung sorgten insbesondere auch die Anhänger von MKB Veszprem aus Ungarn und dem polnischen Meister Vive Kielce. Eine der beiden Fangruppen wird auch am Sonntag beim Finale für Stimmung sorgen: Die beiden Klubs treffen am Samstag im Halbfinale aufeinander.

Veszprem gegen Kielce - Duell auf Augenhöhe

Das Duell Kielce gegen Veszprem im ersten Halbfinale wird eine Neuauflage des Finales von 2016, als die polnische Mannschaft die favorisierten Ungarn trotz Neun-Tore-Rückstand schlug und ihren ersten und bisher einzigen Champions-League-Titel feierte. Veszprem war bereits sechs Mal beim Final Four der Königsklasse dabei, drei Mal standen sie im Endspiel. Den Titel geholt haben sie nicht ein einziges Mal.

Schon in der Gruppenphase trafen die beiden Mannschaften aufeinander und gewannen jeweils ihre Heimspiele. "Es ist schwierig zu sagen, wer die Nase vorn hat", so Veszprems Kentin Mahé. Zudem kommen beide Mannschaft mit ähnlich viel bzw. wenig Rückenwind nach Köln: Während Veszprem den ungarischen Pokal gewann, sich dann aber im Saisonfinale um die Meisterschaft geschlagen geben musste, konnte Kielce die Meisterschaft feiern, aber verlor das Finale um den Pokal.

Torhüter im Fokus

Beide Teams haben absolute Top-Spieler in ihren Reihen. Einzig auf der Trainerposition treffen Gegensätze aufeinander. Während Momir Ilic Veszprem in seiner ersten Saison als Headcoach betreut, könnte Talant Dujshebaev seinen fünften Champions-League-Titel als Trainer einfahren.

Laut Mahé wird der Fokus aber auf den Torhütern liegen: "Im Handball ist es kein Geheimnis, dass das Team die Oberhand gewinnt, das die bessere Torwartleistung hat". So sieht es auch der deutsche Andreas Wolff, der bei Kielce im Tor steht: "Bei beiden Teams spielen Torhütergespanne, die bereits bewiesen haben, dass sie zu den Besten zählen." Für ihn ist es das erste Champions-League-Finalturnier: "Es ist schwer sich vorzustellen, was da auf einen zukommt. Deswegen bin ich natürlich nervös, aber auch freudig erregt."

Kiel gegen Barcelona - THW verletzungsgeplagt

Im zweiten Halbfinale sind die Rollen vermeintlich klarer verteilt. Gegen den Rekordtitelhalter und aktuellen Champions-League-Sieger FC Barcelona ist der THW Kiel nur der Underdog. "Wir sind ein wenig Außenseiter, das macht uns noch unberechenbarer“, sagt Kiels Trainer Filip Jicha, der das Final Four sowohl als Spieler als auch als Trainer gewinnen konnte.

Den Kielern fehlen verletzungsbedingt gleich zwei Schlüsselspieler: Abwehrchef Hendrik Pekeler und Top-Star Sander Sagosen. Für Pekeler wurde der 40-jährige Bjarte Myrhol aus der Handball-Rente geholt, den Ausfall von Sander Sagosen muss die Breite des Kaders auffangen. Große Hoffnungen legen die Kieler in Torhüter Niklas Landin, der an guten Tagen Spiele (fast) im Alleingang entscheiden kann. "Wir werden kämpfen wie Schweine", so Jicha.

Topscorer in Barcelonas Reihen

Barcelona reist nicht nur mit voller Kader-Stärke, sondern auch mit viel Rückenwind zum Finalturnier in Köln an. Fünf Titel konnten die Katalanen diese Saison bereits einfahren, darunter die spanische Meisterschaft und den spanischen Pokal. Sollten sie auch den Champions-League-Titel holen, wären sie die erste Mannschaft, die seit der ersten Auflage des Final-Four-Turniers 2010 den Titel in Köln verteidigen konnte. "Wir werden versuchen, diese Party zu crashen", so Jicha.

Laut Patrick Wiencek liegt der Schlüssel in einer stabilen Abwehr: "Erstmal müssen wir die Offensive von Barcelona stoppen. Sie haben den besten Angriff und mit Dika Mem den vielleicht besten Rückraumspieler in der Champions League." Mem steht aktuell auch an der Spitze der Topscorer-Liste.

Dennoch: FCB-Trainer Carlos Ortega will von der Favoritenrolle für seine Katalanen nichts wissen: "Wir sind nicht der Favorit. Alle vier Mannschaften sind top. Kiel ist eine super Mannschaft. Natürlich wollen wir gewinnen, aber alles ist möglich." Zuletzt geschehen 2020, als Kiel die vermeintlich überlegenen Katalanen im Finale schlug.

Favoritenrollen beim Final Four nichts wert

Die Vergangenheit hat gezeigt: Favoritenrollen sind an diesem Wochenende in Köln nichts wert. Gerade die vermeintlichen Außenseiter krönten sich häufig zum Titelträger. 2013 setzte sich der HSV Hamburg überraschend gegen Barcelona im Finale durch. Im Jahr darauf siegten die Flensburger erst gegen den favorisierten FC Barcelona, dann gegen Kiel. Und 2019 gewann Skopje die Champions League, obwohl dem Verein nach Rückzug des Mäzens schon einige Leistungsträger abhanden gekommen waren.

Für Kiels Trainer Filip Jicha ein Grund mehr, "den Kopf nicht in den Sand zu stecken". Die Tagesform wird entscheiden und der Modus ermögliche, dass Spieler über ihre Leistungsgrenze hinausgehen. "Mal sehen, was dabei rausspringt", so Jicha.