Handball | Bundesliga THW-Manager Szilagyi: "Vom Reden ist noch keiner Meister geworden"

Stand: 07.09.2021 12:52 Uhr

Am Mittwoch startet die Handball-Bundesliga in die neue Spielzeit. Rekordmeister THW Kiel zählt einmal mehr zu den Topfavoriten auf den Titel. Geschäftsführer Viktor Szilagyi spricht im NDR Interview über die Aussichten, das mögliche Meisterschafts-Duell mit dem Erzrivalen SG Flensburg-Handewitt und das Kieler Modellprojekt mit 9.000 Zuschauern.

Viktor Szilagyi, die neue Handball-Saison steht an und alle jagen den Titelverteidiger aus Kiel.

Szilagyi: So ist es als Meister, aber das fühlt sich auch gut an. Wir haben sehr viel Selbstvertrauen, einen hohen Anspruch an uns selber und kaum Veränderungen in der Mannschaft. In Niko Bilyk haben wir einen unserer Leistungsträger nach einem Jahr Ausfallzeit wieder zurückbekommen.

Ist der THW Kiel denn tatsächlich der Topfavorit auf die Meisterschaft?

Szilagyi: Es wäre vermessen, davon auszugehen, dass es einfach so weiterläuft. Wir haben in der vergangenen Saison gesehen, dass drei oder vier Sekunden vor Ende des 38. Spieltags noch immer nicht klar war, wer deutscher Meister wird. Das ist das Besondere an der Handball-Bundesliga: Jeder einzelne Punkt kann entscheidend sein. Deswegen lohnt es sich, um jeden zu kämpfen, sei es gegen den Tabellenletzten oder im Schleswig-Holstein-Derby gegen Flensburg.

Es werden sicherlich wieder fünf, sechs Mannschaften oben mitspielen. Dass wir von allen immer wieder als Topfavorit genannt werden, ist sicher auch ein bisschen Taktik. Als THW Kiel müssen wir die Favoritenrolle annehmen. Allerdings können wir gut einschätzen, dass vom Reden noch keiner deutscher Meister geworden ist.

In der vergangenen Saison war es am Ende ein Zweikampf an der Spitze. Erwarten Sie wieder ein Duell mit Flensburg?

Szilagyi: Ich habe es letzte Saison nicht erwartet und erwarte es in dieser auch nicht. Aber beide Mannschaften haben die Qualität, um sich abzusetzen. In der vergangenen Saison gab es viele Überraschungen, wodurch sich Kiel und Flensburg absetzen konnten. Ich erwarte in der neuen Saison ein deutlich knapperes Rennen, nicht nur um die Meisterschaft, sondern auch um den zweiten Champions-League-Platz und die weiteren internationalen Plätze.

Alle freuen sich darüber, wieder vor vielen Zuschauern spielen zu können. Aber werden die Fans, die ihre Freizeit in der Pandemie anders verbracht haben, gleich wieder in die Hallen kommen?

Szilagyi: Es wird nicht selbstverständlich sein. Aber wir haben durch unseren Dauerkartenverkauf schon gemerkt, dass die Leute wieder eine Riesenlust haben, in die Halle zu gehen. Dass wir mit den Auflagen, die wir von der Politik bekommen, nicht alle zufriedenstellen können, war uns bewusst und das bedauern wir auch sehr. Nichtsdestotrotz geht es um das übergeordnete Ziel, wieder so viele Fans wie möglich in der Halle zu haben. Und unsere 9.000 Neuzugänge werden auch eine riesengroße Rolle spielen und uns wieder an unser Leistungsmaximum pushen. Deswegen bin ich optimistisch, dass wir unsere Leistung bringen und sehr schwer zu schlagen sein werden.

Dank eines genehmigten Modellprojekts darf der THW Kiel in einer fast ausverkauften Halle antreten.

Szilagyi: Die Modellprojekte der vergangenen Saison haben mit einer kleineren Zahl schon reibungslos funktioniert. Die THW-Fans waren unglaublich diszipliniert. Wir werden mit der Hilfe von Experten alles dafür tun, um maximale Sicherheit zu gewährleisten. Deswegen fühlen wir uns als Club bereit für diese große Aufgabe und verspüren alle eine unglaubliche Vorfreude auf diesen Moment.

HSV-Trainer Torsten Jansen spricht von "Wettbewerbsverzerrung", weil die Hamburger nur 3.000 Zuschauer in die Halle lassen dürfen. Verständlich?

Szilagyi: Wettbewerbsverzerrung ist ein großes Wort. Unabhängig davon habe ich großes Verständnis dafür. Es ist sicherlich ein Wettbewerbsnachteil, wie ich es bezeichnen würde. Aus wirtschaftlichen Gründen tun wir natürlich alles dafür, so viele Zuschauer wie möglich in die Halle zu lassen. Da geht es nicht um Gewinnoptimierung, sondern um den Erhalt von Spitzenhandball in Kiel. Aber auch darum, eine Leistungssteigerung bei der Mannschaft zu bewirken. Dafür brauchen wir jeden einzelnen Zuschauer, jede einzelne Stimme. Mit Blick auf die anderen Clubs, die diese Möglichkeit nicht haben, sehe ich uns als Vorreiter, der vorangeht und auch den Entscheidungsträgern in der Politik oder bei den Gesundheitsämtern zeigt: Es kann funktionieren.

Was ist die größte Herausforderung für die neue Saison?

Szilagyi: Wir haben alle ein besseres Gefühl als im vergangenen Jahr. Da wussten wir, wenn wir ehrlich sind, gar nicht, was auf uns zukommt. Wir wussten ein oder zwei Tage vorher nicht, ob Spiele überhaupt stattfinden und ob wir die Liga überhaupt zu Ende spielen können. In der Champions League sind Spiele ausgefallen, Mannschaften kamen plötzlich in Quarantäne. Diese Sachen sind jetzt hoffentlich weg. Deswegen ist die Vorfreude auch riesengroß, wieder zu einer Normalität zu kommen, mit vollen Hallen und auch Gästefans. All dem eben, was diesen Sport ausmacht und was wir monatelang sehr vermisst haben. Alle, die Fans und wir auf dem Platz als Vorbilder, können dazu beitragen. Durch Disziplin und alles, was dazugehört.

Das Interview führte Thomas Koos

Dieses Thema im Programm:
NDR 2 Sport | 08.09.2021 | 23:03 Uhr