Wieder kein Sieg für den Vize-Weltmeister Kroatien - in die Jahre gekommen und mit falscher Leidenschaft

Stand: 18.06.2021 20:13 Uhr

Kroatien, dem Vize-Weltmeister von 2018, droht bei der EURO 2020 das frühe Ausscheiden schon in der Vorrunde. Das liegt daran, weil Schlüsselspieler nicht in Form oder nicht mehr da sind. Auch die Stimmung im Team hat sich verändert.

Es ist gerade erst drei Jahre her, da hat Kroatien bei der WM 2018 in Russland begeisternden Fußball gespielt und am Ende sogar den Vize-Weltmeistertitel gefeiert. Die Mannschaft von damals ist in größten Teilen auch bei der aktuellen EM an den Start gegangen - und doch trennen die beiden Teams Welten.

Nach der Niederlage gegen England (0:1) beim Auftakt enttäuschten die Kroaten auch im zweiten Spiel gegen Tschechien (1:1) und stehen vor dem frühen EURO-Aus. Und obwohl Trainer Zlatko Dalic nahezu die gleichen Spieler wie 2018 nominierte, sind kleine Veränderungen im Kader und die Stimmung auf dem Feld die Hauptgründe für das drohende Scheitern.

Problem 1: Weltfußballer Modric und das Alter

Dreh- und Angelpunkt des Teams war 2018 Luka Modric. In einer erfolgreichen Karriere war das sein bestes Jahr, am Ende wurde er sogar zum Weltfußballer gekürt. Auch bei dieser EM sollte der Mittelfeldspieler das Spiel dominieren, doch sowohl gegen England als auch gegen Tschechien war von Modric nichts zu sehen.

Zumal der Real-Madrid-Star mit seinen 35 Jahren auch zu sehr in die Jahre gekommen ist. Die kurzen Bewegungen, mit denen er einst reihenweise Gegner ausspielte, haben nicht mehr das Tempo von früher.

Problem 2: Keine Mittelfeldentlastung für Modric

Doch Kroatien hat auch weitere Spieler im Zentrum, die auf höchstem Niveau ihre Klasse bewiesen haben, aber offenbar vollkommen außer Form zur EURO anreisten.

Mateo Kovacic hat mit dem FC Chelsea die Champions League gewonnen. Aufgrund einer Muskelverletzung musste er mitten im Endspurt aber einige Spiele pausieren - und ist offenbar noch nicht in bester Verfassung.

Und Marcelo Brozovic hat nach einer überragenden Saison als Stammspieler bei Inter Mailand gegen England derart überspielt gewirkt, dass er im zweiten Spiel auf die Bank musste und nur in den Schlussminuten zum Einsatz kam.

Problem 3: Kein Ersatz für Mentalitätsspieler Mandzukic

Kovacic und Brozovic sollten vergessen machen, dass mit Ivan Rakitic der kongeniale Mittelfeld-Partner von Modric im vergangenen Jahr seine Karriere in der Nationalmannschaft beendet hat. Doch ein viel größeres Problem bei der aktuellen EM bedeutet das Fehlen von Mario Mandzukic.

Der Ex-Stürmer des FC Bayern München war mit seinem Kampfgeist derjenige, der die kroatische Mannschaft 2018 emotional getragen hat, der die gegnerischen Verteidigungsreihen beschäftigt und müde gemacht hat mit seiner unangenehmen Spielweise. Dazu war er gerade bei hohen Bällen immer gefährlich.

Ante Rebic sollte Mandzukic nach dessen Rücktritt aus dem Nationalteam im Sturmzentrum ersetzen und tauchte bisher bei der EM vollkommen ab.

Problem 4: Schlechte Stimmung

All das führte dazu, dass aus der größten Stärke der Kroaten eine Schwäche wurde: ihre Leidenschaft. Statt positiver Gefühlsausbrüche und Aufmunterungen herrschte bei den Kroaten fast durchweg Unzufriedenheit - über den Schiedsrichter, den Gegner oder auch die Mitspieler.

Das ganz große Aufbäumen gab es weder gegen England, noch gegen Tschechien. Nicht emotional, nicht fußballerisch. Von der Aggressivität, die das Dalic-Team einst auch in den Zweikämpfen an den Tag legte, war bei der EM bislang nichts zu erkennen.

Zwar hatten die Kroaten auch Highlight-Momente wie den Treffer von Ivan Perisic gegen Tschechien zum 1:1. Da wurde deutlich, dass Kroatien nach wie vor eine Mannschaft ist, die Fußball auf allerhöchstem Niveau spielen kann. Aber insgesamt ist das Team Kroatien ganz weit von diesem Niveau entfernt - und muss im letzten Spiel gegen Schottland (22.06.2021) gewinnen, um noch eine Chance auf das Weiterkommen zu haben.