Dänische Fans beim Spiel ihrer Mannschaft gegen Russland

Coronavirus-Pandemie Die EURO 2020 und das Infektionsrisiko der Spiele

Stand: 27.06.2021 14:37 Uhr

Die EURO 2020 steht bislang auch für die Rückkehr der Fans in die Stadien. Der "Weg zurück in die Normalität" kommt aber möglicherweise zu früh: Erste Infektionen sind den Spielen und den Reisen dorthin zuzuordnen. Mancherorts wird die nutzbare Kapazität der Stadien trotzdem erhöht.

Die britische Regierung erhöht die Zahl der Zuschauerinnen und Zuschauer derzeit immer weiter: Das Achtelfinale zwischen England und Deutschland wird in Wembley vor noch mehr Fans stattfinden. Mehr als 40.000 Menschen sind zugelassen, zuvor waren es 21.500. Zum Halbfinale und zum Endspiel werden es mehr als 60.000 sein - obwohl sich in Großbritannien die Sieben-Tage-Inzidenz im Turnierverlauf zuletzt auf mehr als 120 fast verdoppelt hat.

"Wir sehen, dass dieses Hygienekonzept der UEFA vorne und hinten nicht greift", sagt Dagmar Freitag (SPD), Sportausschuss-Vorsitzende des Bundestags, im Gespräch mit WDR 5. "Die Fans halten sich nicht daran, 1,5 Meter Abstand zu halten und die Masken zu tragen - das steht nur auf dem Papier." Die Maskenpflicht gilt nicht in jedem Stadion am Platz. Die Befürchtung Freitags aber ist klar: Die EM, die der UEFA-Präsident Aleksander Ceferin zuletzt als "Leuchtfeuer der Hoffnung" auf die Rückkehr in die Normalität beschrieb, könnte einer Verbreitung des Virus Vorschub leisten.

Zahlreiche Infektionen bei finnischen Fans

In zwei Ländern ist dieser Zusammenhang in unterschiedlichen Umfängen nachgewiesen. Am Donnerstag erklärten finnische Behörden, dass bei mindestens 86 Fans der finnischen Mannschaft das Virus nach ihrer Rückkehr aus Sankt Petersburg nachgewiesen worden sei. Finnland spielte dort gegen Russland (0:1) und gegen Belgien (0:2), bis zu 50 Prozent der Plätze waren nutzbar. Die positiven Tests seien an der Grenze bei der Rückkehr der Menschen erfolgt.

Aufgrund des Andrangs seien aber wegen mangelnder Testkapazitäten zahlreiche Menschen ohne Test zurückgekehrt. Sie wurden alle im Nachhinein zu Tests aufgefordert. "Das sind Leute, die die Spiele besucht haben", sagte laut Nachrichtenagentur Reuters ein am zentralen Grenzübergang zuständiger Mediziner. Dabei sind nicht nur die Spiele selbst möglicherweise eine Gefahr, auch Flüge, Bahnfahrten oder Kneipenbesuche sind Teil der EM-Spieltage. Und das nicht nur in Sankt Petersburg.

Infektionen in Kopenhagen - Tausende Fans zum Test aufgefordert

Auch in Dänemark gab es positiv getestete Fans. Nach dem Spiel zwischen Dänemark und Russland in Kopenhagen wurden 16 Menschen positiv getestet. Tausende Fans, die auf derselben Tribüne waren, wurden zum PCR-Test aufgefordert. Nach dem Spiel zwischen Dänemark und Belgien sei zudem die Deltavariante bei neun Zuschauern nachgewiesen worden, teilten Behörden mit. In Kopenhagen sollten zunächst nur rund 25 Prozent der Plätze genutzt werden. Wie in Wembley wurde die Zahl erhöht - auf mehr als 73 Prozent. In Bukarest wurde die nutzbare Kapazität von 13.000 auf 26.000 verdoppelt.

Im Rahmen der drei Spiele in München, bei denen jeweils bis zu 14.500 Menschen dabei sein durften, gab es insgesamt zwölf positive Schnelltests. Laut Münchner Gesundheitsreferat seien bei "mehreren Tausend Testungen" sechs Personen positiv gewesen, die ins Stadion wollten. Sechs weitere positiv getestete Fans seien aus anderen Gründen wegen der EM in der Stadt gewesen, etwa zum Public Viewing.

Auslastung K.o.-Spiele
Stadion Fans Auslastung
Budapest 61.000 100%
London ab Halbfinale 65.000 75%
Kopenhagen 25.000 73%
London Achtelfinale 2 45.000 50%
Baku 31.000 50%
St. Petersburg 30.500 50%
Sevilla 16.000 35%
Amsterdam 16.000 33%
Bukarest 26.000 50%
Rom 14.500 25%
Glasgow 12.000 25%
London Achtelfinale 1 21.500 24%
München 14.500 20%

Deutschland bei einem Erfolg im Achtelfinale in Rom

Die deutsche Mannschaft wird beim Achtelfinale in London ohne Fan-Begleitung aus Deutschland spielen müssen. Der DFB verkauft die ihm zustehenden Karten nur an deutsche Fans, die in Großbritannien, Irland oder auf den Inseln Isle of Man, Guernsey und Jersey leben. Für Fans mit Wohnsitz in Deutschland wäre es ohnehin schwierig geworden: Wer aus Deutschland nach Großbritannien einreisen möchte, muss sowohl in Großbritannien als auch bei der Rückkehr in Deutschland in Quarantäne.

Sollte Deutschland dieses Spiel gewinnen, geht es im Viertelfinale in Rom weiter - in Italien gilt wegen der Pandemie ein Notstand, eine Einreise ohne Quarantäne ist mit Nachweisen über einen negativen Test, eine vollständige Impfung oder eine Genesung möglich. Dass die Reisen eine gute Idee sind, bezweifelt aber Dagmar Freitag, vor allem mit Blick auf die Finalspiele, wenn in Wembley mehr als 60.000 Menschen ins Stadion dürfen.

"Diese Leute gehen zurück in ihre Familien, Freundeskreise und an ihren Arbeitsplatz. Ich glaube, wir werden niemals genau erfahren, welche Infektionen in welcher Zahl da passiert sind. Aber die UEFA nimmt zumindest billigend in Kauf, dass sich sehr viele noch nicht geimpfte Menschen infizieren", sagt Freitag. "Es ist erschreckend, wie wenig Rücksicht in Zeiten einer weltweiten Pandemie der organisierte Sport auf die Gesundheit der Menschen nimmt."