Einschränkung der Pressefreiheit Russland schließt ARD-Journalist Robert Kempe von EURO 2020 aus

Stand: 11.06.2021 05:00 Uhr

Russische Behörden haben dem ARD-Journalisten Robert Kempe eine Akkreditierung für die an diesem Freitag (11. Juni) beginnende Fußball-Europameisterschaft verweigert. "Wir sehen darin eine Einschränkung der Pressefreiheit, die für uns nicht akzeptabel ist", sagt WDR-Chefredakteurin Ellen Ehni.

Robert Kempe hatte seine Akkreditierung für die EURO 2020 Anfang Mai zunächst durch die Europäische Fußball-Union (UEFA) bestätigt bekommen. Ende Mai wurde ihm dann jedoch schriftlich mitgeteilt, die lokalen Behörden eines Landes hätten seine Akkreditierung nach einem "Hintergrund-Screening" abgelehnt. Auf Nachfrage teilte die UEFA der ARD mit, es handele sich dabei um russische Behörden. Die russische Stadt St. Petersburg ist einer von elf Spielorten der paneuropäischen Fußball-Europameisterschaft.

WDR bemüht sich um alternative Einreisemöglichkeit

"Robert Kempe ist ein exzellenter und unbescholtener Journalist", sagt Ellen Ehni. "Wir fordern Russland dazu auf, für Aufklärung zu sorgen und unserem Kollegen freien Zugang zu den russischen Venues zu gewähren, damit er seiner Arbeit als Journalist vor Ort nachgehen kann." Eine Akkreditierung für die Fußball-EM ermöglicht zugleich ein vereinfachtes Visum-Verfahren. Der WDR bemühe sich nun um eine alternative Einreisemöglichkeit für seinen Kollegen nach Russland.

Robert Kempe ist seit mehr als 10 Jahren für den WDR und die ARD tätig und berichtet über die Zusammenhänge von Sport und Politik. Als UEFA-Experte des WDR tritt er regelmäßig in den Nachrichtenformaten von ARD und WDR mit seinen Einschätzungen auf. Er war zudem Autor zahlreicher ARD und WDR Dokumentationen, sowie von Magazin-Beiträgen in der Sportschau, bei Sport inside und MONITOR.

Verbindungen zwischen Gazprom und UEFA

Zuletzt beschäftigte er sich Ende Mai in einem Film für die ARD Sportschau und im WDR-Podcast "Sport inside" mit dem russischen Staatskonzern Gazprom und dessen Verbindungen in den europäischen Fußball. Gazprom ist größter Anteilseigner des Fußballvereins Zenit St. Petersburg und einer der Sponsoren der diesjährigen EURO 2020. "Die Verbindung zwischen Gazprom und der UEFA sind eng, sie gehen aus meiner Sicht auch über ein ganz normales Sponsorenverhältnis hinaus", sagte Kempe vor wenigen Tagen im Sport-inside-Podcast.

"Die letzten russischen Funktionäre in der UEFA hatten alle eine Gazprom-Verbindung: Sergej Fursenko war bis Mitte der 2010er-Jahre in der UEFA-Exekutive und Direktor einer Gazprom-Tochter. Danach Witali Mutko, der russische Sportminister und ehemalige Präsident von Zenit St. Petersburg. Und nun Aleksander Dyukov, der seit diesem Jahr in der UEFA-Exekutive sitzt und - überraschenderweise - Vorstandsvorsitzender einer Gazprom-Tochter ist", führt Kempe aus.

Nordkoreanische Arbeiter in Moskau

Seit den Olympischen Winterspielen in Sotschi 2014 berichtet der Journalist Kempe über die Zusammenhänge zwischen Sport und Politik in Russland, etwa über die Annexion der Krim und die Verbindungen in den Fußball. Ein Jahr vor der Fußball-Weltmeisterschaft in Russland 2018 deckte er als Teil eines Autorenteams auf, dass nordkoreanische Arbeiter am Luschniki-Stadion in Moskau, dem Ort des WM-Endspiels, tätig waren.

Die Praxis, nordkoreanische Arbeiter einzusetzen, wird von den Vereinten Nationen massiv kritisiert, da die so erworbenen Devisen mit dazu beitragen könnten, nordkoreanische Nuklear- und Raketenprogramme zu finanzieren. Im Interview mit dem ARD-Journalisten musste der damalige Chef des WM-Organisationskomitees, Alexej Sorokin, zugeben, nicht zu wissen, ob auch an weiteren WM-Baustellen Arbeiter aus Nordkorea tätig sind.

Berichte über Menschenrechtsverletzungen

2018 war Kempe in der russischen Teilrepublik Tschetschenien unterwegs. Mit einem Autorenteam machte er im Vorfeld der WM in der ARD öffentlich, wie Minderheiten von Tschetscheniens Machthaber Ramsan Kadyrow gefoltert und terrorisiert werden – genauso wie die Haltung der FIFA, die kein größeres Problem damit zu haben schien, dass bei Ihrer WM das ägyptische Team in der tschetschenischen Hauptstadt Grozny Quartier bezog.

Seine jüngste ARD-Dokumentation "Im Schattenreich der Ringe – Das IOC und die Menschenrechte" behandelt die massiven Menschenrechtsverletzungen in der chinesischen Region Xinjiang, in der die Minderheit der Uiguren systematisch unterdrückt und zu Zwangsarbeit in Arbeitslagern gezwungen wird. Thematisiert wird auch das Versagen des Internationalen Olympischen Komitees, dies öffentlich zu kritisieren. Chinas Hauptstadt Peking ist Austragungsort der Olympischen Winterspiele 2022.

Ein Ergebnis der monatelangen Recherche dazu bekam vor kurzem für Kempe noch einmal Aktualität. Für Sport inside berichtete er über die Sponsoren der UEFA EURO 2020 – darunter neben Gazprom auch vier aus China. "Es gibt eine Studie eines australischen Think Tanks, die auch an der Aufdeckung dieser Arbeitslager in China beteiligt waren", sagt Kempe,  "daraus geht hervor, dass es Firmen gibt, die direkt oder indirekt von uigurischer Zwangsarbeit profitieren. Und darunter gibt es eben auch zwei Firmen, die die UEFA jetzt als Sponsoren der Europameisterschaft präsentiert."

Kempe ist für seine Arbeit mit dem Otto-Brenner-Preis und dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet worden – bei letzterem gemeinsam mit dem kompletten Redaktions- und Autorenteam von Sport inside.