1. Spieltag EM-Start - Harmlose Standards, historische Eigentore, Rückkehr der Fans

Stand: 16.06.2021 08:43 Uhr

Wie schlugen sich die Favoriten? Welche Auffälligkeiten gab es? Wie wirkt sich der Heimvorteil aus? Die Bilanz nach dem ersten Spieltag bei der EURO 2020.

Nur Spanien patzt

Von den Favoriten brachten sich einige schon am ersten Spieltag eindrucksvoll in Stellung. Italien (gegen die Türkei) und Belgien (gegen Russland) feierten zum Auftakt deutliche 3:0-Siege. Das gelang auch Portugal gegen Ungarn, doch der Titelverteidiger tat sich dabei lange Zeit schwer.

England gewann das Spitzenspiel seiner Gruppe gegen Vize-Weltmeister Kroatien und setzte dabei ebenso eine Duftmarke. Frankreich behielt beim Kracher gegen Deutschland die Oberhand. Dabei wurde deutlich, dass die "Equipe Tricolore" zurecht als Topfavorit gehandelt wird. Doch auch das Team von Bundestrainer Joachim Löw zeigte, dass es im weiteren Turnierverlauf noch eine Rolle spielen kann.  

Die spielfreudigen Niederländer offenbarten beim 3:2 gegen die Ukraine in der Abwehr einige Wackler, überzeugten dafür in der Offensive. Das gelang Spanien gegen defensiv eingestellte Schweden trotz Ballbesitzfußball nicht. Da fehlte es vorne vor allem auch an Effektivität.

Heimvorteil nur auf dem Papier

Der Heimvorteil, in den auch so mancher Außenseiter große Hoffnungen gesetzt hatte, war noch nicht wirklich einer. Die Bilanz aus Sicht der Heimteams: drei Siege, ein Remis und fünf Niederlagen. Vor allem Russland (0:3 in Sankt Petersburg gegen Belgien), Schottland (0:2 in Glasgow gegen Tschechien) und Ungarn (0:3 in Budapest gegen Portugal) hatten sich daheim gewiss mehr ausgerechnet. Auch Deutschland hoffte durch die Unterstützung der Fans auf einen Schub. Dänemark verlor in Kopenhagen gegen Finnland, allerdings unter sehr besonderen Umständen.

Drama um Christian Eriksen

Denn die Partie wurde überschattet vom Drama um den Dänen Christian Eriksen, der auf dem Spielfeld zusammengebrochen war und wiederbelebt werden musste. Obwohl niemand mehr an Fußball denken wollte, wurde das Spiel nach langer Unterbrechung wieder angepfiffen. Die UEFA hatte die Entscheidung darüber mach eigenen Angaben den traumatisierten Dänen überlassen – und erntete dafür hinterher jede Menge Kritik.  

Lukaku und Ronaldo trumpfen auf

Große Bühne, große Auftritte: Von den Superstars überzeugten vor allem Belgiens Romelu Lukaku und Portugals Cristiano Ronaldo. Beiden gelang zum Start ein Doppelpack. Das schaffte auch der Tscheche Patrik Schick beim 2:0 gegen Schottland. Der fünfmalige Weltfußballer Ronaldo hat nun elf EM-Treffer erzielt - zwei mehr als der Franzose Michel Platini. Der 36-Jährige ist damit alleiniger Rekordtorschütze und hat auch als einziger Spieler bei jeder seiner fünf Endrundenteilnahmen getroffen. Auf den neuen, aufregenden Jungstar wartete man vergeblich.

Die Rückkehr der Fans

Es hört und fühlt sich wieder an wie Fußball. Vorbei sind die Zeiten, in denen man vor dem Fernseher jede einzelne Anweisung, jeden Fluch und jeden Aufschrei mitbekam. Stattdessen: Anfeuerungen, Gesänge und Geraune. Die Fans sind zurück, und sie sorgten für Atmosphäre.

Wie früher, aber nur fast. Denn die Stadien waren wegen der Corona-Pandemie bei weitem nicht ausgelastet. Doch auch mit Abstand zwischen den Fans war es stimmungsvoll. Nur Budapest meldete "volles Haus". Gegen Portugal waren 55.662 Zuschauer dabei  - eine Kulisse wie in Vor-Corona-Zeiten. Allerdings trug der Großteil keinen Mund- und Nasenschutz.

Harmlose Standards

Was auffallend ist: Die Standards sind bei dieser EM noch harmlos und keine Waffe. Nur fünf der 28 Treffer fielen nach ruhenden Bällen. Das sind gerade mal 17,9 Prozent, eine extrem niedrige Quote. Zum Vergleich: Bei der WM 2018 lag dieser Wert bei über 40 Prozent. Was die Treffer selbst angeht, sieht es gar nicht mal schlecht aus. In zwölf Partien fielen 28 Treffer. Das sind im Schnitt 2,33 pro Spiel und mehr als bei der EM 2016 (2,12). Und es gab bisher nur ein 0:0 - zwischen Spanien und Schweden.

Joker stumpf, trotzdem späte Tore

Ebenfalls bemerkenswert: Die Joker blieben bisher stumpf und eher ungefährlich. Und das obwohl bei dieser EM fünf Wechsel erlaubt sind und damit so viel gewechselt werden darf wie bei keinem Turnier zuvor. Viel brachte das nicht, ganze drei Treffer wurden von Jokern erzielt. Zwei dieser Jokertore erzielten die Österreicher beim Sieg gegen Nordmazedonien.  

Und noch etwas für Statistikfreunde. Bisher ist es das Turnier der verspäteten Tore, 21 der 28 Treffer fielen nach der Halbzeitpause. Das sind 75 Prozent. Und: Es gab noch keinen Sieg einer Mannschaft, die zuvor in Rückstand geraten war.

Historische Eigentore

Geradezu historisch waren die drei Eigentore des ersten Spieltages. Erstmals in der EM-Geschichte war das erste Tor des Turniers ein Eigentor. Unglücksrabe war der Türke Merih Demiral im Spiel gegen Italien. Auch der polnische Torhüter Wojciech Szczesny hat gegen die Slowakei unfreiwillig EM-Geschichte geschrieben. Er ist der erste Torhüter, der bei einer EM-Endrunde ein Eigentor erzielt hat. 

Das Eigentor von Mats Hummels im EM-Gruppenspiel gegen Frankreich war das erste deutsche Selbsttor bei einer Europameisterschaft und das zweite eines deutschen Spielers bei einem großen Turnier. Zuvor war nur Berti Vogts im WM-Spiel gegen Österreich 1978 ein solches Missgeschick unterlaufen. 

Schiedsrichter zurückhaltend

Zurückhaltend zeigten sich die Referees, was vielleicht auch an der fairen Spielweise liegen mag. Es gab erst zwei Strafstöße. Der Däne Pierre-Emile Höjbjerg verschoss gegen Finnland, Cristiano Ronaldo traf dann gegen Ungarn. Zudem gab es nur einen Platzverweis, Polens Grzegorz Krychowiak sah Gelb-Rot.

Aufreger durch Arnautovic und Greenpeace

Gar nicht fair war allerdings Österreichs Marko Arnautovic. Der bepöbelte nach seinem Tor gegen Mazedonien seinen Gegenspieler Ezgjan Alioski offenbar rassistisch. Die UEFA leitete Untersuchungen ein.

Für einen Aufreger sorgte auch die Umweltschutzorganisation "Greenpeace". Bei einer missglückten Protestaktion vor dem Spiel zwischen Deutschland und Frankreich in München verletzte ein Gleitschirmflieger zwei Zuschauer.