Analyse der 0:2-Niederlage im Achtelfinale gegen England Deutschland scheidet mit Plan A aus

Stand: 29.06.2021 21:44 Uhr

Zunächst überlegen, dann gleichwertig, später unterlegen, weil der Gegner etwas ändert, auf das Bundestrainer Joachim Löw keine Antwort findet. Deutschlands Aus im Achtelfinale der EURO 2020 in der Analyse.

Irgendwann, das hatte Bundestrainer Joachim Löw schon im Trainingslager in Seefeld geahnt, werde dieser dauernde Rückstand sich rächen. In der Gruppenphase ging es noch gut, gegen England ging es schief.

Die Chance, die Thomas Müller etwa zehn Minuten vor dem Ende vergab, raubte jegliche Hoffnung. "Eiskalt" müsse Deutschland sein, hatte Löw vor der Partie gefordert. Aber die beiden großen Chancen des Spiels wurden lauwarm vergeben.

Das war es für den Bundestrainer, auch weil Deutschland ein Stürmer mit der Abschlussstärke eines Romelu Lukaku, Karim Benzema oder Patrik Schick fehlt.

Deutschland auf der Suche nach einem Gegenmittel

Aber das Ausscheiden, die Niederlage in diesem einen Spiel hatte noch einige Gründe mehr. Die zweite Halbzeit wirft Fragen auf. Warum verschwand Leon Goretzka aus dem Spiel? England griff weiter vorne an, stellte Passwege zu. Aber es gibt immer Gegenmittel, Deutschland fand keines. Umstellungen, Änderungen gab es erst sehr spät, wie auch schon gegen Frankreich.

Der Plan gegen Portugal ging auf. Es war exakt der, der zuvor entwickelt worden war. Gegen England nahm die Bank keinen Einfluss auf ein Spiel, in dem die Kontrolle aus der ersten Halbzeit verloren wurde.

Nach dem 0:1, bei dem sich erneut das Problem zeigte, dass Deutschlands Defensive selbst in Überzahlsituationen recht einfach zu überlaufen und überspielen ist, wirkte Löws Mannschaft hilflos. Ausschlaggebend für die große Chance von Müller war ein schlimmer Fehlpass von Raheem Sterling.

Sportschau-Experte Thomas Broich hatte es vermutet, als er im Vorfeld sagte, dass sich Mannschaften mit dem gleichen System häufig neutralisieren. Das zeigte sich in der ersten Halbzeit. Die Spielanteile, der Ballbesitz, die Chancen hielten sich in etwa die Waage.

England bleibt weiter ohne Gegentor

Anders als in den drei Gruppenspielen, die England mit einer Viererkette bestritt und auch ohne Gegentor blieb, wählte auch Trainer Gareth Southgate im Achtelfinale ein 3-4-3.

Dank der guten Läufe in der Offensive und vor allem der von Löw im Vorfeld gepriesenen Wucht von Goretzka bestimmte Deutschland die Anfangsphase klar. "Wir brauchen heute Tiefe, wollen geradlinig nach vorne spielen", hatte der Bundestrainer vor dem Anpfiff am Mikrofon der Sportschau gesagt.

Diesen Wunsch erfüllten ihm seine Spieler, durch die schnellen Pässe nach vorne und die Sprints hinter die Abwehrkette ergab sich auch nach Vorlage von Kai Havertz die sehr gute Chance für Timo Werner. Den weiteren Wunsch von Löw, "eiskalt zu sein", verwehrte ihm der Stürmer jedoch, der für Serge Gnabry in die Mannschaft gekommen war.

Raheem Sterling nicht zu stoppen

England versuchte es weniger über Pässe in die Spitze, sondern setzte auf das Tempo seiner Flügelspieler, vor allem auf das von Sterling. Einzelaktionen, die deutschen Spieler in Zweikämpfe verwickeln, um dann vielleicht zumindest einen Freistoß zu bekommen, war ein Plan, der mehrfach aufging. Bei gegnerischen Standardsituationen zeigte sich Deutschland mehrfach anfällig, nach einem Eckstoß etwa kam Harry Maguire, als äußerst kopfballstark bekannt, zu eben einem Kopfball.

Setzten in der ersten Halbzeit noch beide Mannschaften darauf, den Gegner erst kurz vor der Mittellinie zu stören, griffen die Engländer nach der Pause weiter vorne an. Das deutsche zentrale Mittelfeld war nun im Spielaufbau viel schwieriger zu erreichen, Robin Gosens auf der linken Seite wie schon gegen Ungarn kaum eingebunden.

Jamal Musiala, der mit seiner engen Ballführung in hohem Tempo ähnlich Läufe wie Sterling hätte starten können, wurde erst in der Nachspielzeit beim Stand von 0:2 eingewechselt. Es war eine Verzweiflungstat, die mehr für ein neues Kapitel steht, das bald mit Trainer Hansi Flick geschrieben wird.