Fußball | Serie A Revolution auf Deutsch beim CFC Genua

Stand: 09.02.2022 15:02 Uhr

In Italien steht einer der aktuell interessantesten Serie-A-Klubs vor einer entscheidenden Woche. Der CFC Genua, den Deutsche erfolgreich machen sollen, spielt im Abstiegskampf gegen zwei direkte Konkurrenten. Am Sonntag (13.02.2022) geht es im Kellerduell gegen US Salernitana.

Von Jörg Seisselberg (Rom)

Im Januar-Transferfenster gehörte er zu den Schwerarbeitern in der Serie A. Neun Spieler neu geholt, 13 abgegeben. Johannes Spors hat als Sportchef den CFC Genua 1893 in seiner ersten Transferperiode kräftig umgekrempelt. Jetzt ist Zeit, sich auch um andere Dinge zu kümmern. "Ich habe gerade meine zweite Italienisch-Stunde beendet", erzählt der 39-Jährige zu Beginn des Gesprächs mit der Sportschau.

Nach Genua gekommen ist Spors aber nicht zum Sprachelernen. Seine Mission lautet, aus dem ältesten Fußballverein Italiens "einen modernen, europäischen, innovativen Klub" zu machen. Im Grunde, sagt Spors, gehe es darum, "den Verein komplett zu transformieren".

Anspruchsvolle Ziele auch für Trainer Blessin

Einen Verein, der sich seit Jahren durch die Abstiegsregion der Serie A wurschtelt, lange geleitet vom für seine kreativen Transfergeschäfte berüchtigten italienischen Geschäftsmann Enrico Preziosi. Ende September hat die US-amerikanische Holding "777 Partners" übernommen - und Spors geholt. Der Deutsche mit Vergangenheit bei Hoffenheim, RB Leipzig, dem HSV und Vitesse Arnheim soll in Genua ein italienisches Fußball-Avantgarde-Projekt realisieren.

Anspruchsvolle Ziele für einen Klub, der aktuell Vorletzter in der Liga ist, mit schon sechs Punkten Rückstand auf den rettenden 17. Tabellenplatz. Aber es bewegt sich etwas. Seit zwei Spieltagen sitzt Alexander Blessin auf der Bank, früher in der Jugendabteilung von RB Leipzig und zuletzt in Ostende zu Belgiens "Trainer des Jahres“ gekürt.

"Einen neuen Spirit" attestiert auch Italiens kritische Sportpresse dem CFC Genua seit Blessin da ist. Sowohl gegen Udine als auch gegen José Mourinhos AS Rom reichte es – jeweils in Unterzahl – zu einem 0:0. Spors findet, die ersten zwei Spiele mit Blessin hätten gezeigt, "dass die Spieler dem Trainerteam und der Spielidee folgen".

"RB-Stil" mit eigener Note

Die Spielidee ist ein zentraler Baustein des Projekts CFC Genua, betont der ehemalige Leipziger Chefscout. Und ein Grund warum Spors seinen alten Bekannten aus RB-Tagen nachgeholt hat. "Wir wollen einen sehr intensiven, aggressiven, schnellen Spielstil einführen", erklärt er. Mit Gegenpressing, klar strukturieren Umschaltmomenten und durchgehend hohem Tempo.

"Ralf Rangnick", sagt Spors, "hat mich mit Sicherheit geprägt". Immer noch sei man in Kontakt, erzählt der studierte Sportwissenschaftler. Was er in den gemeinsamen Jahren in Hoffenheim und Leipzig von Rangnick gelernt habe, wolle er nun in Genua umsetzen, auf seine "eigene Art und Weise und auf eigenem Weg". Auf seiner letzten Station, in den Niederlanden, war er damit erfolgreich, machte aus dem Provinzteam Arnheim vorübergehend ein Spitzenteam.

Viele Daten und junge Spieler

Datennutzung ist ein entscheidendes Stichwort für Spors und zentraler Teil des Zukunftsprojekts an der ligurischen Küste. "In 2022 sollte Datennutzung im Fußball nichts Besonderes sein", meint Spors, "wir aber wollen sie sehr intensiv betreiben. Im Trainingsbetrieb und auch im Spiel".

In der Serie A ist dies bislang unüblich, dass Trainer schon während einer Partie Daten zu Laufleistungen, Sprints, Passquote und anderen Parametern nutzen. Genua hat dies unter Spors eingeführt. "Keine weltbewegende Neuigkeit", sagt der Sportchef, "aber Kleinigkeiten, mit denen wir schon kurzfristig Schritte machen können".

Auch bei der Kaderzusammenstellung setzt Genua stärker und konsequenter auf Daten als andere. Die grundsätzliche Linie lautet dabei: Junge Spieler (um die 22 Jahre) zu holen, die bereits erste Erfahrungen gesammelt haben, sie sportlich weiterzuentwickeln und später mit Gewinn abzugeben.

Prominente Beispiele aus Spors Vita sind unter anderem Roberto Firmino und Joelinton aus seiner Zeit in Hoffenheim sowie Dayot Upamecano und Timo Werner aus der Leipziger Phase. In Genua hat Spors mit seinen Transfers im Januar den Altersdurchschnitt im Kader um mehr als drei Jahre gesenkt. Ihm sei es wichtig, "Spieler zu verpflichten, die ihre Karriere noch vor sich haben".

Erster Dreier mit Amiri?

In der Kabine des italienisch-amerikanisch-deutschen Klubs kommuniziert Trainer Blessin auf Englisch und Deutsch, verrät Spors, "der Übersetzer wühlt sich dann so durch". Durch Spors‘ prominentesten Transfer im Januar ist die Quote der Deutsch-Sprechenden gewachsen. Der von Bayer Leverkusen ausgeliehene Nadiem Amiri könnte am Sonntag gegen Salernitana das erste Mal in der Startelf stehen.

In fünf Jahren soll der neunfache italienische Meister (letzter Titelgewinn 1924) wieder um Europa mitspielen. Aktuell heißt die Aufgabe Klassenerhalt. Aber entscheidend sei dies für das Gesamtprojekt nicht, schiebt Spors hinterher: "Wir würden auch im Negativszenario daran weiterarbeiten und dann aus der Serie B alles aufbauen". Mit Hoffenheim ist Spors von der dritten in die erste Liga geklettert. Mit Genua soll am Wochenende der erste Schritt getan werden, um doch in der Serie A weitermachen zu können.