Rom-Trainer Jose Mourinho, Spieler Paulo Dybala und Giorgino Wijnaldum
analyse

Serie A AS Rom - der Sommer-Hype um den Mourinho-Klub

Stand: 12.08.2022 11:38 Uhr

Die Vorfreude auf den Saisonstart in der Serie A ist in Rom besonders groß. Der Vorjahres-Sechste, trainiert von José Mourinho, gilt plötzlich als neues heißes Ding der Serie A.

Von Jörg Seisselberg

Ein Freundschaftsspiel. Mitten im Sommer. Eigentlich ein Fall für eine Handvoll Hartnäckige, die vom Fußball nicht lassen können. Nicht so in Rom. In der ansonsten sommerleeren Stadt ist das Olympiastadion ausverkauft, 65.000 Zuschauer wollen den Test der AS Roma gegen Schachtar Donezk sehen. Und dem "Corriere dello Sport" ist der Freundschaftskick eine Woche vor Saisonstart eine 28-seitige Sonderbeilage wert. Überschrift: "Nacht der Träume". Euphorisierte Träume, die "Giallorossi" könnten in dieser Saison in der Serie A das ganz große Ding drehen.

Dass Fans in der Sommerpause in Hoffnungen schwelgen, ist Teil der Fußballkultur weltweit. Um keinen Verein in Italien aber gibt es einen derartigen Hype vor Saisonstart wie um den Klub von Trainer José Mourinho. Nicht nur unter den leicht entflammbaren Fans in Rom. Auch Ikonen des italienischen Fußballs sehen die AS plötzlich als Mitfavoritin auf die Meisterschaft. "Die Roma ist zusammen mit Inter Mailand Anwärterin auf den Titel", sagt Fabio Capello, als Spieler und Trainer insgesamt elfmal Meister, und Fabio Cannavaro, Kapitän der Weltmeistermannschaft 2006, meint: "Rom wird mit AC Milan um den Scudetto spielen"

Warum ist der Tabellen-Sechste der vergangenen Saison plötzlich das neue heiße Ding in der Serie A? Unter anderem weil sich der dreifache Meister nach Ansicht von Experten so gut verstärkt hat wie wenige andere Klubs der Liga. Die AS Rom sei die "Königin des Transfermarktes" schreibt die "Gazzetta dello Sport", aufgrund ihres Redaktionssitzes Mailand sonst eher Inter und Milan zugeneigt.

Dybala, Wijnaldum, Matic & Co. - Romas Transfers

Als Römer Königstransfer gilt Paulo Dybala, bislang Leistungsträger bei Juventus Turin und in diesem Sommer von Inter und Milan umworben – ehe die Roma zuschlug und "La Joya" (das Juwel) ablösefrei in Italiens Hauptstadt holte. Der "bravo ragazzo" (gute Junge) mit stets freundlichem Lächeln und nicht nur für den Fußball außergewöhnlich guten Manieren gilt als bester Zehner der Serie A. Nebenbei ist der 28 Jahre alte Argentinier Social-Media-Star mit mehr als 65 Millionen Followern auf Instagram und Co. (nur Zlatan Ibrahimovic hatte in der Serie A bislang mehr), das freut die Marketingverantwortlichen in Rom. Dybala selbst sagt: "Wir wollen Spiel für Spiel gewinnen und dann sehen, ob wir auch die wichtigsten Ziele erreichen können".

Neu in gelbrot ist auch Giorgiona, genannt "Gini", Wijnaldum. In Liverpool unter Jürgen Klopp einer der weltbesten Box-to-Box-Spieler, hatte der 86-fache niederländische Nationalspieler zuletzt bei Paris Saint-Germain ein verlorenes Jahr. Auf der Sechser-Position verstärkte sich die Roma mit Nemanja Matić von Manchester United. Mit 34 Jahren kein junger Hüpfer, aber eine Handvoll erfahrene Spieler im Team zu haben, ist Mourinho-Style. Außerdem, berichten "Gazzetta" und "Corriere dello Sport", sei sich die Roma einig mit Italiens Nationalstürmer und Europameister Andrea Belotti – als Ergänzungsspieler im Angriff. Und Jungstars Nicolò Zaniolo ist trotz der Lockrufe Juventus Turins und Tottenhams in Rom geblieben. Das alles ergibt ein Team, das Italiens Sportzeitungen plötzlich mit ganz oben listen.

Hintergrund der Ausgaben: Die Friedkins

Wie kann sich der Klub, der in den vergangenen Jahren in Italien eher in der zweiten Reihe stand, das leisten? Zudem er auch in diesem Jahr nicht in der lukrativen Champions League dabei ist, sondern nur Europa League spielt? Weil die Besitzerfamilie Friedkin derzeit Geld in den Verein pumpt wie kein anderer Investor in der Serie A. Seit Dan Friedkin zusammen mit seinem Sohn Ryan die Roma im Sommer 2020 übernommen hat, hat der texanische Autogroßhändler (Toyota USA) und Filmunternehmer 619 Millionen Euro in sein italienisches Fußballspielzeug gesteckt.

Die Friedkins sind reich (Dans Privatvermögen wird auf über vier Milliarden Dollar geschätzt), fußballbegeistert, aber auch etwas eigen. Bei nahezu jedem Heimspiel im Stadio Olimpico sitzen Vater und Sohn Friedkin in feinen Anzügen mit Krawatte auf der Tribüne und fiebern mit. Die Roma-Fans wissen allerdings immer noch nicht, wie ihre Stimme klingt. Die Friedkins schweigen seit ihrer Ankunft in Rom vor zwei Jahren beharrlich, geben keine Interviews, kommunizieren maximal mit schriftlichen Erklärungen. Was Vater und Sohn Friedkin aber nicht daran hinderte, wie kleine Jungs nach dem Conference-League-Erfolg im Mai freudestrahlend im offenen Bus mit der Mannschaft durch Rom zu fahren, zu jubeln und sich an der Seite José Mourinhos von den Fans feiern zu lassen. Nach der Siegesparty haben sich die Friedkins daran gemacht, den Ausstieg der AS Rom aus der Börse zu finanzieren. Im September soll das Delisting perfekt sein und dem Verein wirtschaftlich mehr Beinfreiheit verschaffen. 

José Mourinho - der neue König von Rom

Alles zum Wohlgefallen des neuen Königs von Rom. José Mourinho wurde bereits bei seiner Ankunft vor einem Jahr als Heilsbringer begrüßt, Wandgemälde für den Special One inklusive. Nachdem er bereits in seiner ersten Saison für einen Titelgewinn der Roma gesorgt hat (auch wenn es nur die Conference League war), verehrt der gelbrote Teil der Ewigen Stadt Mourinho mehr denn je.

Für die Friedkins ist der Portugiese zentraler Baustein ihres Rom-Projekts. Mourinho wiederum schafft es, wie auf vielen seiner Stationen, die Vereinbosse zu großen Ausgaben zu treiben. Und Siegermentalität im Klub zu verbreiten. So kommen und bleiben auch Spieler, denen die Roma bislang eine halbe Nummer zu klein war. Nicht nur Dybala berichtet, ein Anruf Mourinhos sei mitentscheidend für seinen Wechsel gewesen.