Fußballverband verbietet politische Werbung Tennis Borussia gibt sich im Trikotstreit kämpferisch

Stand: 30.08.2021 20:22 Uhr

Tennis Borussia Berlin wollte auf dem Trikot für einen Opferfonds für Betroffene rechter Gewalt werben. Der Nordostdeutsche Fußballverband verbot das: die Aktion verstoße gegen die Satzung. Dann sorgten zwei Briefe für Aufmerksamkeit.

Auf der Internetseite des Nordostdeutschen Fußballverbandes (NOFV) lesen sich die meisten Überschriften wie die Betreffzeile einer E-Mail. Sie lauten knapp "Spielabsage" oder "Trikotwerbung Tennis Borussia". Für die Fans von TeBe waren die kurzen Meldungen zuletzt wichtige Informationsquellen. Wegen Corona-Fällen in der Mannschaft bestritten die Charlottenburger an den ersten acht Spieltagen nur vier Partien.
 
Und noch spannender: Der Streit mit dem Verband um politische Werbung auf den TeBe-Trikots schlug in den letzten Wochen Wellen in ganz Deutschland. Der NOFV zeigt sich weiter unnachgiebig, doch der Verein will weiterkämpfen. Pressesprecher Tobias Schulze sagt: "Wir geben nicht auf."

NOFV verbietet TeBe für Opferfonds zu werben

Weil Tennis Borussia bis zum Saisonauftakt gegen Union Fürstenwalde am 27. Juli keinen Hauptsponsor fand, wollte der Verein mit einer besonderen Aktion für einen Opferfonds für Betroffene rechter Gewalt werben. Auf den lila-weißen Heimtrikots der Borussen sollte gegen Fürstenwalde das Logo von "Cura" prangen.
 
Bei TeBe sei man sich schnell einig gewesen, dass man die Zeit, bis ein neuer Sponsor für die Saison gefunden ist, nutzen wolle, um die Werbefläche für eine gemeinnützige Initiative bereitzustellen, kommentierte Vorstand Steffen Friede auf der Homepage des Vereins.
 
Doch es kam anders. Mit Verweis auf die Verbandssatzung lehnte der zuständige NOFV TeBes Antrag wenige Stunden vor dem Spiel ab. Punkt 8 des §25 der Spielordnung des Verbandes legt fest, dass "Werbung für politische Gruppierungen und mit politischen Aussagen" grundsätzlich nicht genehmigt ist. Der Verein zeigte sich verwundert. Denn einerseits habe es eine mündliche Zusage des NOFV gegeben und andererseits begreife Tennis Borussia die Werbung für einen Hilfefonds für Gewaltopfer nicht als politische Aussage.

Medien greifen das Thema auf

Immer wieder in den letzten Jahren sorgte der Umgang von Sportverbänden mit politischen Statements und Gesten für Diskussionen. Beispielsweise bei der EM 2021 als die UEFA der Stadt München untersagte, die Allianz Arena für das Spiel gegen Ungarn in Regenbogenfarben zu beleuchten.
 
Insbesondere weil sich die Verbände gerne mit Statements für Toleranz schmücken, werden ihre Entscheidungen genau beobachtet. Denn für Kritiker passen Entscheidungen wie die des NOFV gegen die TeBe-Aktion nicht mit den Image-Kampagnen der Funktionäre zusammen.
 
Zwar unterstützt auch der Nordostdeutsche Fußballverband Initiativen wie die "Internationalen Wochen gegen Rassismus" und gestattete Babelsberg 03 auf den Trikots für die Hilfsorganisation "Seebrücke" zu werben. Aber in den vergangenen Jahren stand er auch schon mehrfach in der Kritik, zu blauäugig auf rechte Umtriebe zu reagieren.
 
So wurden 2017 nach einer Partie von Babelsberg gegen Energie Cottbus zwar "Nazischweine raus!"-Rufe sanktioniert, aber "Zecken, Zigeuner, Juden"-Gesänge aus dem Cottbusser Block ignoriert. Die Abteilung Tennis Borussia Aktive Fans (TBAF) warf dem NOFV nach der Entscheidung gegen "Cura" vor, der Verband mache sich zum Steigbügelhalter für rechte Ideologie.

Zwei Briefe machen die Standpunkte der Streitparteien klar

Denn in einem Brief an Tennis Borussia begründete der NOFV seine Entscheidung damit, dass "Cura" sich nur für die Opfer rechter Gewalt einsetzt, es aber auch andere politisch motivierte Gewalt gäbe. Die beantragte Werbung verstoße somit gegen das Neutralitätsgebot des NOFV. Und weiter: "Zudem haben wir Sorge, dass sich eine bestimmte Gruppe von Personen durch die Werbung provoziert fühlen könnte."
 
Kuscht der Verband also vor Rechtsextremen? Diesen Vorwurf erhoben zumindest viele TeBe-Fans. Außerdem folgten Kommentare in überregionalen Blättern wie der Frankfurter Allgemeinen und der Süddeutschen Zeitung. Auch Tennis Borussia wollte das Verbot so nicht auf sich sitzen lassen. Am 18. August veröffentlichten die Borussen ihrerseits einen offenen Brief an den NOFV. Eine der Erstunterzeichnerinnen des Schreibens war Katharina Barley, die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments. Weit über einhundert Privatpersonen, Vereine, Initiativen und Fanclubs haben sich ihr mittlerweile angeschlossen. In den sozialen Netzwerken wurde das Schreiben hunderte Male geteilt.
 
In dem Brief hieß es unter anderem: "Wenn Menschen aufgrund von Hass und Ideologien, die den Grundwerten unserer demokratischen Gesellschaft zuwiderlaufen, angegriffen, verletzt oder gar getötet werden, ist es selbstverständlich, dass die demokratische Zivilgesellschaft an ihrer Seite steht."
 
Diese Selbstverständlichkeit habe der NOFV mit dem Verbot in Frage gestellt. In der Bundesliga seien Statements gegen Rechtsextremismus und Diskriminierung ebenso möglich wie in der Berliner Kreisliga. "Wir appellieren an Verbände aller Sportarten, sich daran ein Beispiel zu nehmen." Dem NOFV unterbreite man deshalb einen konkreten Vorschlag. Um Werbung für Initiativen wie "Cura" in Zukunft möglich zu machen, solle der Verband Punkt 8 des §25 der Spielordnung präzisieren.

Keine Bewegung beim NOFV

Ungefähr zwei Wochen sind seit der Veröffentlichung des Briefes vergangen. Der Verband hat auf das Schreiben bisher nicht reagiert. Auf Anfrage hieß es lediglich, das Thema habe "keine Eile". Tobias Schulze, der Pressesprecher von TeBe, gibt sich kämpferisch. Aktuell plane der Verein weiter, den freien Platz auf der Brust sinnvoll zu nutzen.
 
Auch mit dem NOFV wolle man weiter in der Diskussion bleiben. Schulze übt Selbstkritik: "Unser kleiner Fehler war es, den Brief nicht direkt an den NOFV zu adressiere, sondern ihn nur online zu stellen." So habe der Verband auf erste Anfragen der Presse geantwortet, nichts von TeBes Anschreiben zu wissen. Die postalische Zustellung habe der Verein aber nachgeholt, so Schulze. "Der NOFV kennt den Brief nun also genau." Eine Antwort an Tennis Borussia gab es bisher trotzdem nicht.

Sendung: inforadio, 20.08.2021, 19.15 Uhr