Projekt in Berlin Fußballplatz für Geflüchtete - den Bayern nacheifern

Stand: 07.10.2021 16:01 Uhr

Das Übergangswohnheim Marienfelder Allee in Berlin hat einen Fußballplatz, der neue Stolz der jungen Bewohner. Auf knallgrünem Kunstrasen kicken jetzt Jugendliche gegeneinander. Und lernen nebenbei wichtige Kompetenzen.
 

Über den Dächern der dreistöckigen Wohnkasernen fällt die frühabendliche Herbstsonne in den Hof. Ausgelassene Stimmen sind zu hören, auf deutsch, arabisch und türkisch. Etwa 20 Jugendliche tummeln sich auf einem Fußballplatz.
 
Mittendrin steht Dave Wilke, ein großgewachsener Mann mit schwarzem Hoodie-Pullover. Der Sozialarbeiter muss einen energischen Ton anschlagen, um sich Gehör zu verschaffen. "Leute, schaut mal, was ist das da in der Ecke! Da liegt super viel Dreck!"

Er deutet auf einen Bereich in der Nähe des Fußballtores, wo dicht verstreut die Reste von geschälten Sonnenblumenkernen liegen. "Das ist euer Platz! Ihr müsst den sauber halten. Ich werde hier nicht staubsaugen!", ruft er. Einige Jungs fühlen sich berufen und schieben die Kerne mit der Fußballschuh-Innenseite in Richtung Spielfeldrand.

Fußball lehrt Selbstständigkeit

Der Fußballplatz fällt auf im Übergangswohnheim an der Marienfelder Allee in Berlin. Der Untergrund besteht aus Kunstrasen, umfasst wird der Platz von weißen Banden, über die zirka drei Meter hohe zusätzliche Netze gespannt sind, damit der Ball nicht aus dem Feld springt. Der Bolzplatz ist der neue Stolz der Jugendlichen im Wohnheim, in dem rund 700 Geflüchtete leben.
 
In Kooperation mit dem Berliner Fußball-Verband und dem Träger der Unterkunft sowie weiteren Förderern hat die Organisation "Rheinflanke" den Kunstrasenplatz im September dort errichten lassen. Ziel von Rheinflanke ist es, Kindern und Jugendlichen durch Sportangebote verbesserte Zukunftsperspektiven zu vermitteln.
 
Die Jugendlichen auf dem Soccer Court teilen sich auf in vier Teams. Heute soll es ein Turnier geben, jedes Spiel à sieben Spielminuten. Dave Wilke schreibt sich die Teamnamen auf, die sich die Jugendlichen selbst verpasst haben: Bayern, Barcelona, Madrid, Paris. Es sind die Vereine, in denen die Idole der Jungs aus der Flüchtlingsunterkunft spielen. Man identifiziert sich mit den Größten.
 
"Für Außenstehende ist das hier nur Fußball, ganz profan", berichtet Rheinflanke-Mitarbeiter Dave Wilke. Aber der Fußball kann auch ganz schön was fürs Leben lehren. "Ich muss nicht mehr allein die Regeln kontrollieren, sondern das machen die Jugendlichen auch selbst" sagt er. "Einige überlegen sogar, sich als Schiedsrichter ausbilden zu lassen beim Berliner Fußball-Verband." Und auch beim Thema Selbstständigkeit merkt Wilke Fortschritte. So funktioniere etwa das Aufwärmprogramm mittlerweile aus der Gruppe selbst heraus.

"Fußball bedeutet Spaß"

Bei einigen Herausforderungen bietet der Fußball den Anlass, um ins Gespräch zu kommen. "Die Jugendlichen, die beispielsweise am Übergang von Schule zu Beruf stehen, fragen, wie es weitergehen kann, was für Möglichkeiten es gibt, welche Praktika man machen kann", sagt Wilke. Er wolle als Ansprechpartner weiterhelfen.
 
Doch für die Jugendlichen steht natürlich erst Mal der Sport im Vordergrund. So zum Beispiel bei Farhad, 16 Jahre alt. Der Junge aus Syrien wohnt seit zwei Jahren in der Marienfelder Unterkunft. "Fußball ist das halbe Leben für mich", sagt er. "Es bedeutet Spaß, es bedeutet, Freunde kennenzulernen."

Der ebenfalls 16-jährige Nader ergänzt: "Der neue Court ist sehr gut und schön." Schon vorher haben die Jugendlichen und Wilke hier gekickt, doch damals war der Platz aus Beton. "Sobald es geregnet hat, war es rutschig. Man ist schneller hingefallen", erinnert sich Sozialarbeiter Wilke.

Wenn man so einen Court hat: umso besser

Mehmet Matur schaut heute zu beim gemeinsamen Kick auf dem neuen Platz. Er ist Vizepräsident für Gesellschaftliche Verantwortung beim Berliner Fußball-Verband (BFV). Er glaubt, dass Fußball für die Jugendlichen eine Schlüsselfunktion zukommen kann. "Fußball ist ein Integrationsmotor", sagt Matur. Es brauche keine Sprache. Der Sport schaffe Begegnungen.   Was einflussreiche Fußball-Funktionäre und schillernde Manager im Profibereich sich gern ans Revers heften - dass der Fußball Brücken bauen könne und hilfreich sei bei der Integration -, soll in Marienfelde auf dem Soccer Court tatsächlich umgesetzt werden. "Im Fußball braucht man nicht viele Sprachen", sagt Wilke. "Einige Regeln zwar, aber die handelt man gemeinsam aus. Man braucht nicht viel." Dann deutet er auf den Fußballplatz, auf dem gerade "Bayern" gegen "Madrid" spielt. "Und wenn man dafür so einen wunderbaren Court hat: umso besser"

Sendung: rbb UM6, 07.10.2021, 18 Uhr