Thomas Tuchel bekommt die Rote Karte von Anthony Taylor

Premier League Tuchel deutet Schiedsrichter-Verschwörung an

Stand: 15.08.2022 21:00 Uhr

Chelseas Trainer Thomas Tuchel hat indirekt gefordert, dass Schiedsrichter Anthony Taylor keine Spiele des Klubs mehr leiten soll. Der Verband klagt Tuchel an, zunächst aber vor allem wegen des Handgemenges gegen Tottenhams Trainer Conte.

Tuchel zählte in der Pressekonferenz nach dem Spiel seines FC Chelsea gegen Tottenham Hotspur (2:2) mehrere Situationen auf, die aus seiner Sicht von Schiedsrichter Taylor nicht korrekt entschieden worden seien. Als er darauf angesprochen wurde, ob er die Vorbehalte von zahlreichen Chelsea-Fans gegen Taylor verstehe oder gar teile, sagte er: "Ja, natürlich." Er denke nicht, dass das "einige Fans" seien, die so denken. "Ich kann ihnen versichern, dass das bei uns die ganze Umkleide denkt. Jede einzelne Person dort."

Am Montag (15.08.2022) erhob der englische Fußballverband FA Anklage gegen Tuchel - ob auch wegen der Äußerungen über Taylor, ist nicht klar. Doch seine Kommentare haben längst Folgen gehabt.

Tuchel stärkt Abneigung der Fans

Mit seinen Worten hat Tuchel eine langfristige Abneigung vieler Chelsea-Fans gegen Taylor öffentlich gestärkt. Noch am Montag ergab die Schlagwortsuche "Chelsea Taylor" bei Twitter mehrere Tweets pro Minute. Die meisten beziehen sich auf eine Petition, die unter Berufung auf zwölf unterschiedliche Entscheidungen Taylors bei Spielen Chelseas einen Ausschluss des Schiedsrichters von weiteren Partien des Klubs fordert.

120.000 unterstützen Online-Kampagne

Ob Tuchel selbst die Petition unterzeichnet hat, ist nicht bekannt. Sein Urteil gefällt hat er zumindest öffentlich. Auf die Frage, ob Taylor nie wieder Chelsea-Spiele pfeifen sollte, sagte Tuchel: "Vielleicht wäre das besser." Die kurz nach dem Spiel gestartete Petition, die keinerlei bindende Wirkung sondern nur den Charakter eine online geführten Kampagne hat, zählte rund 24 Stunden nach dem Schlusspfiff rund 120.000 unterstützende Klicks (Stand Montag, 15.08.2022, 18.30 Uhr).

Taylor einer von Englands Top-Schiedsrichtern - aber oft im Disput mit Chelsea

Anthony Taylor ist neben Michael Oliver einer der beiden englischen Top-Schiedsrichter. Taylor pfiff Spiele bei der EM 2021, darunter das deutsche Gruppenspiel gegen Portugal (4:2). Die UEFA vertraute ihm den Super-Cup 2020 sowie mehrere Topspiele der Champions League an, die FIFA berief ihn für die WM in Katar. In der Premier League wird er regelmäßig eingesetzt, in der Saison 2021/22 hatte er 28 Spiele. Doch Chelsea hat ein langjähriges Problem mit Taylor.

Schiedsrichter Anthony Taylor während des Spiels Chelsea gegen Tottenham.

Schiedsrichter Anthony Taylor während des Spiels Chelsea gegen Tottenham.

Immer wieder wurden ihm falsche Entscheidungen gegen Chelsea vorgehalten. Am Sonntag gegen Tottenham kritisierte Tuchel beispielsweise eine Abseitsentscheidung, die aber nach Ansicht des englischen Schiedsrichter-Experten Dale Johnson vom Sender ESPN vertretbar gewesen sei - der fragliche Spieler Tottenhams sei nicht aktiv gewesen. Strittiger war, dass Tottenhams Cristian Romero unmittelbar vor Tottenhams 2:2 in der Nachspielzeit an den Haaren von Chelseas Marc Cucurella zog. Doch der Video-Assistent griff nicht ein, was hier vielleicht das eigentliche Problem war - wie auch Tuchel bemerkte.

Das emotionale Spiel war mit einem Handgemenge zwischen den Trainern Tuchel und Antonio Conte zu Ende gegangen, Taylor zeigte beiden die Rote Karte. Deshalb ist nicht nur Tuchel, sondern auch Conte bei der FA angeklagt.

Dilemma: Schiedsrichter schützen oder Zeichen setzen?

Tuchel war es nun, der in Chelseas Namen öffentlich aussprach, was sonst nur Fans bei Social Media oder in der Kneipe behaupten: Bei diesem Schiedsrichter muss sich Chelsea darüber Sorgen machen, ob das Spiel korrekt geleitet wird. Damit entsteht ein Problem.

Denn die Professional Game Match Officials Limited (PGMOL), die das Schiedsrichterwesen in der Premier League stellt (vergleichbar mit der DFB Schiri GmbH in der Bundesliga) und die FA stehen vor der schwierigen Frage, ob und wann Taylor wieder Chelsea pfeifen darf. Wird er entgegen der Forderung eingeteilt, setzt man ihn dem Druck aus. Will man ihn eher schützen, fühlen sich Fans und Tuchel bestätigt und ihre Forderung erfüllt. Ein schwer aufzulösender Widerspruch, den es auch schon in der Bundesliga gab.

Hoeneß gegen Krug, Bellingham gegen Zwayer

Bayern Münchens damaliger Manager Uli Hoeneß sagte 1997 über Schiedsrichter Hellmut Krug: "Der Herr Krug wird den FC Bayern nie wieder pfeifen." Strittig war ein Platzverweis gegen Samuel Kuffour. Borussia Dortmunds Jude Bellingham stellte Ende 2021 bei Schiedsrichter Felix Zwayer nach dem Spiel des BVB gegen die Bayern öffentlich einen Zusammenhang zwischen Zwayers Leistung in dessen mögliche Verwicklung in den Manipulationsskandal um Robert Hoyzer her.

Die Folgen waren unterschiedlich: Während Krug nach fast einem Jahr wieder und danach mehrfach Spiele des FC Bayern leitete, wurde Zwayer bislang noch nicht wieder für Spiele des BVB angesetzt. Zwayer berichtete von Morddrohungen und setzte seine Karriere erst nach einer Auszeit fort.

Tuchel: "Vielleicht werde ich bestraft"

Tuchel ahnte bei der Pressekonferenz, dass seine Worte Folgen haben könnte. "Vielleicht werde ich für meine Sätze bestraft", sagte er. "Das denke ich auch. Sie werden möglicherweise nicht nach Leeds fahren dürfen", sagte ein Journalist. Tuchel antwortet: "Gut, ich kann nicht coachen, aber der Schiedsrichter darf weiter pfeifen." Bis Donnerstag hat Tuchel Zeit, eine Stellungnahme zur Auseinandersetzung mit Conte einzureichen. Danach wird Klarheit herrschen, ob auch die Äußerungen gegen Taylor Folgen haben.