Fußball | Premier League Kommentar - Tuchels starke Worte widersprechen seinen Taten

Stand: 27.12.2021 11:47 Uhr

Thomas Tuchel kritisiert den Umgang der Premier League mit dem Coronavirus forsch. Zu viele Spiele, keine Erkenntnisse über die Auswirkungen auf die Profis. Dennoch setzt der Trainer des FC Chelsea die Genesenen länger ein, als es die Ärzte raten. Ein unübersehbarer Widerspruch. Ein Kommentar.

Glücklich sah Thomas Tuchel nach dem 3:1-Auswärtserfolg seines FC Chelsea bei Aston Villa am zweiten Weihnachtstag nicht aus. Die Umstände, bedingt durch die derzeit äußerst angespannte Corona-Situation in England, lassen wenig Raum für Ausgelassenheit. In Tuchel brodelte es regelrecht. Sein Ärger richtete sich gleich auf mehrere Aspekte.

Zum einen kritisierte er die Überbelastung der Spieler auf der Insel. Ein Thema, das alljährlich vor allem von deutschen Trainern immer wieder angestoßen wird. Auch Liverpools Coach Jürgen Klopp zeigte in diesem Jahr erneut sein Unverständnis über die fehlende Winterpause. Und Ralf Rangnick, seit kurzer Zeit Trainer von Manchester United, hätte gerne, dass am Modus der Pokalwettbewerbe gedreht wird, um in dieser Zeit weniger Spiele zu haben.

Eine Fußball-kulturelle Diskussion, die sich kaum auflösen lassen wird, weil die (Fußball-)Traditionen so unterschiedlich und auch so tief verwurzelt sind. Auch in Zeiten von Corona.

Tuchel schimpft über "Fehler"

Die Premier League ist seit jeher so etwas wie eine Gelddruckmaschine und generiert gerade in diesen Tagen, an denen der globale Fußball weitestgehend ruht, die größte Aufmerksamkeit weltweit. Deshalb werden auch diese im Kern wohl berechtigten Rufe von Tuchel, Klopp und Rangnick wieder ungehört verhallen. Tuchels ebenfalls formulierte klare Forderung nach fünf Auswechselmöglichkeiten, wie mittlerweile in vielen europäischen Ligen möglich, erscheint vor diesem Hintergrund allerdings sinnvoll.

Aber Tuchel schimpfte weiter über Leute, die in "irgendwelchen Büros in Sesseln und am grünen Tisch" sitzen. "Ich bin super besorgt. Sie lassen uns spielen, selbst wenn wir Covid haben. Und wir spielen, aber das kann nicht der richtige Weg sein", sagte er. Was eine Corona-Infektion mit einem Genesenen mache, "wissen wir nicht, das weiß niemand", klagte Tuchel: "Vielleicht machen wir hier einen großen Fehler."

Eine Sorge, die keineswegs unbegründet ist. Wissenschaftliche Studien zu dieser Thematik sind schließlich noch Mangelware. Allerdings lässt das Handeln des 48-Jährigen so gut wie keine Rückschlüsse auf seine Zweifel zu.

Als hätte er keine andere Wahl gehabt

Callum Hudson-Odoi habe man nach dessen Covid-19-Erkrankung "90 Minuten durchspielen lassen, weil wir andere Spieler vom Platz nehmen mussten." Mateo Kovacic habe "nach einer Verletzung und Covid ohne Vorbereitung oder Training" gespielt. Der zuvor ebenfalls mit dem Coronavirus infizierte Romelu Lukaku habe zudem länger gespielt "als von der medizinischen Abteilung empfohlen". Der 48-Jährige tat so, als hätte er keine andere Wahl gehabt.

Und so hat der sportliche Erfolg für den Chelsea-Coach - trotz seiner gesundheitlichen Bedenken - Vorrang. Hätte er das nicht, hätte er Spieler einsetzen können, die nicht infiziert und voll im Trainigsbetrieb waren. Zur Not aus den Jugendteams. Die hätten ihm womöglich keinen Sieg beschert, aber vielleicht ein ruhigeres Gewissen.

Zugegeben, eine äußerst schwierige Entscheidung in einer Welt, in der Siege die einzige gültige Währung sind - und über das Wohl und Wehe des eigenen Jobs entscheiden. Diese Verantwortung wollte Tuchel nicht tragen und wälzt sie auf den Ligaverband ab. Dabei hätte er statt starker Worte besser eindrucksvolle Taten für sich sprechen lassen können und sollen.