Cristiano Ronaldo verlässt das Spielfeld
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Eklat um Superstar von Manchester United Cristiano Ronaldo muss gehen - "Viva Ronaldo" wird bleiben

Stand: 21.10.2022 14:36 Uhr

Die Zeit von Cristiano Ronaldo bei Manchester United dürfte bald endgültig vorbei sein. Die jüngste Eskalation ist keine Überraschung - und doch schmerzt die Art und Weise. Ein Kommentar eines Fans.

Von Marco Schyns

Es war im Sommer 2003, als David Beckham als damals gefeierter Superstar Manchester United in Richtung Real Madrid verließ. Der Streit mit Trainer Sir Alex Ferguson war derart eskaliert, dass dieser - so wurde es berichtet - in der Halbzeitpause eines Spiels einen Schuh nach Beckham geworfen habe. "Er dachte, er sei größer als ich, also musste er gehen", sagte Ferguson später.

19 Jahre später heißt der Trainer bei Manchester United zwar schon lange nicht mehr Ferguson, mit Erik ten Hag steht aber ein Coach an der Seitenlinie, der den in England für einen Trainer so häufig verwendeten Begriff "Boss" tatsächlich verkörpert.

Cristiano Ronaldo nur noch Ersatzspieler

Cristiano Ronaldo auf die Bank zu setzen galt bis zu dieser Saison als undenkbar - unabhängig von dessem aktuellen Arbeitgeber. Es glich einer Majestätsbeleidigung. Ten Hag aber tat genau das - nicht aus disziplinarischen, sondern aus sportlichen Gründen - und, wie er selbst stets betonte: wegen mangelnder Fitness des Superstars.

Als Ronaldo am Mittwochabend (19.10.22) schnellen Schrittes zwischen Südtribüne und Spielfeld im Old Trafford in Richtung Spielertunnel eilte, hatte er einmal mehr 89 Minuten auf der Ersatzbank verbracht. Wie ten Hag später bestätigte, lehnte er eine späte Einwechslung ab. Das Thema war gesetzt.

Aus sportlicher Sicht eine bittere Wahrheit für ein Team, dass seit Jahren auf der Suche nach Konstanz und Stabilität ist - und beim für die Gäste schmeichelhaften 2:0-Sieg gegen Tottenham Hotspur die vielleicht beste Leistung der letzten Jahre vor den eigenen Fans geboten hatte.

Ronaldo steht der Entwicklung im Weg

Genau das führte letztlich zum besagten Eklat um Ronaldo: Dieser hatte noch am Wochenende davor gegen Newcastle United in der Startelf gestanden - wirkte aber antriebslos, ideenlos und irgendwie hilflos. Schon bei seiner Auswechslung am letzten Samstag (15.10.22) wütete der Portugiese.

Dass er wenige Tage später knapp 90 Minuten auf der Bank zusehen konnte, wie seine Teamkollegen ein eigentlich favorisiertes Tottenham an die Wand spielten, blühte wohl auch ihm, dass dieses Team den Superstar nicht mehr braucht. Vielmehr steht er der Entwicklung unter dem neuen Coach Erik ten Hag sogar im Weg.

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Kein Abschied im Sommer, Transfer im Januar?

Umso überraschender ist es, dass der Klub dem über Wochen berichteten Drängen des Superstars auf einen Wechsel im Sommer mutmaßlich einen Riegel vorgeschoben hat. Obwohl Ronaldo es selbst nie ausgesprochen hat, sondern seinerseits die Presse für ihre Berichterstattung attackierte, befand sich der viermalige Weltfußballer ganz offen auf Bewerbungstour durch Europa - ohne Erfolg.

Im Januar wird er einen neuen Anlauf unternehmen. Das dürfte auch in ten Hags Interesse sein. Zum zweiten Mal in seiner Karriere wird der 37-Jährige dann den Klub verlassen, der ihm einst zu dieser Weltkarriere verholfen hat. 2009 folgte er dem Ruf von Real Madrid - geräuschlos und ohne böses Blut. Die Fans, auch ich, waren traurig, aber auch verständnisvoll.

"Viva Ronaldo" in Manchester - auch in der Zukunft

"Viva Ronaldo" hallte trotz allem Woche für Woche durch die Pubs rund ums Old Trafford. Und es wurde sogar gesungen, als Ronaldo mit Real Madrid nach Manchester zurückkehrte. Der Portugiese war längst angekommen in der Riege der anderen besungenen United-Helden George Best, Eric Cantona oder Ryan Giggs.

Der neueste Eklat wird einen Kratzer in dieser Reputation bedeuten, sie aber nicht gänzlich zerstören. Viele Fans, und auch da schließe ich mich ein, haben mit der Rückkehr im Sommer 2021 zwar andere Hoffnungen verbunden - von Champions-League-Fußball, über Meisterschaft bis hin zum tränenreichen Karriereende an der alten Wirkungsstätte.

Ronaldos Auftritt produziert nur Verlierer

Die Realität im Herbst 2022 ist aber die, dass der einst gefeierte Held aktuell auch im Old Trafford mit Pfiffen bedacht würde. Ob und wann er nach der Suspendierung, die zunächst einmal nur für das Auswärtsspiel bei Chelsea am Samstag (22.10.22) gilt, zurückkehrt, ist derzeit offen.

Dass sein jüngstes Verhalten unkollegial war, steht außer Frage. Ronaldo wusste in jenem Moment exakt, welche Bilder er für die Öffentlichkeit produziert. Mehr oder wenige nichtssagende Phrasen bei Instagram können darüber nicht hinwegtäuschen. Der einst gefeierte Superstar ist frustriert über seine Rolle und macht seinem Ärger auf seine extrovertierte Art Luft. Das produziert nur Verlierer, denn mit Ronaldos Wut gehen Unruhe im Klub und Schmerz bei den Fans einher.

Ronaldo muss gehen, "Viva Ronaldo" wird bleiben

Immerhin: Verbale öffentliche Angriffe hat es von ihm in Richtung Klubführung und Trainer nie gegeben. Und die wird es auch nicht geben. Für einen Fan von Manchester United ist das ein kleiner Trost, aber es hilft bei der emotionalen Verarbeitung eines bevorstehenden Abgangs, wie ihn sich niemand - auch nicht Ronaldo - jemals hätte vorstellen können.

Für einen langjährigen Fan des Klubs, der schon die Ankunft Ronaldos 2003 - richtig, als Nachfolger von Beckham - mit großer Vorfreude verfolgt hat, bleibt die Erkenntnis: Niemand ist wichtiger als der Trainer. Und vor allem ist niemand größer als der Klub. Ronaldo muss gehen, "Viva Ronaldo" wird bleiben.