CO2-neutrales Fußballspiel? Wie Englands Fußball den Klimaschutz entdeckt

Stand: 17.09.2021 09:10 Uhr

Soziale Themen spielen im Fußball eine große Rolle. Der Klimaschutz wurde bisher vernachlässigt. In England ändert sich das gerade.

Von Hendrik Buchheister (Manchester)

Swindon Town dürfte die Führung gegen die Queens Park Rangers nicht mehr verspielen bis Anfang kommender Woche, zu groß ist der Vorsprung. 61:0 stand es am Donnerstagnachmittag. Auch für Stoke City gegen Derby County sieht es gut aus bei einem Zwischenstand von 29:1. Alles offen ist noch beim FC Fulham gegen die Bristol Rovers (1:0) oder Preston North End gegen Ipswich Town (0:0).

Diese Zwischenstände beziehen sich natürlich nicht auf echte Fußball-Spiele. Sie stammen aus der so genannten Planet Super League, einer Initiative in England, mit der Fußball-Fans zu mehr Klimaschutz ermutigt werden sollten. Die Regeln sind einfach: Für verschiedene klimafreundliche Taten holen die Anhänger Punkte für ihre Klubs.

Eine fleischlose Mahlzeit gibt einen Punkt, ebenso ein Waschmaschinen-Waschgang im Energiesparmodus mit Bio-Waschmittel. Zwei Punkte gibt es dafür, eigene Kräuter und Salat anzubauen oder über Nacht elektronische Geräte auszuschalten. Drei Punkte lassen sich damit verdienen, wenn man seine Toilette auf einen geringeren Wasserverbrauch umrüstet. Und so weiter.

Gesellschaftliches Engagement im englischen Fußball

Auch wenn das manchmal untergeht angesichts der scheinbar weltfremden Summen, die auf dem Transfermarkt ausgegeben werden – der englische Fußball hat ein soziales Gewissen und macht sich bei verschiedenen gesellschaftlichen Themen stark. Bei der Europameisterschaft im Sommer war das besonders gut sichtbar. Englands Nationalmannschaft ging vor den Spielen als Zeichen gegen Rassismus auf die Knie, teilweise gegen den Widerstand des eigenen Publikums und der heimischen Politik. Klimaschutz war bisher kein großes Thema, doch wie es aussieht, ändert sich das gerade.

Die Planet Super League ist ein Beispiel dafür. Ein anderes ist die Partie zwischen Tottenham Hotspur und dem FC Chelsea an diesem Sonntag in der Premier League. Das Duell der beiden Londoner Klubs soll das erste CO2-neutrale Profispiel weltweit sein. So plant es Tottenham in Zusammenarbeit mit dem britischen Bezahl-Sender Sky und der Regierung von Premierminister Boris Johnson. Sie unterstützt das Vorhaben mit Blick auf die UN-Klimakonferenz Anfang November in Glasgow.

#GameZero bei den Tottenham Hotspur

Beim so genannten #GameZero will Tottenham weniger Strom verbrauchen als sonst bei Heimspielen. Die Mannschaften reisen mit Bussen an, die mit Biokraftstoff betrieben werden, die Spieler werden auf Plastik-Wasserflaschen verzichten. An die Fans appelliert der Verein, mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem Fahrrad anzureisen anstatt mit dem Auto.

Außerdem wird das Publikum ermutigt, sich im Stadion für einen veganen Snack zu entscheiden anstatt für die in England heiligen Pasteten mit Fleischfüllung. Natürlich, das Spiel ist eine PR-Aktion, aber wenn der eine oder andere Stadionbesucher oder TV-Zuschauer dadurch ermutigt wird, seinen Alltag künftig klimafreundlicher zu gestalten, nützt die PR nicht nur den Beteiligten.

Es ist kein Zufall, dass Tottenham Ausrichter der Partie für die gute Sache ist. Der Klub ist der umweltfreundlichste Verein der Premier League, gefolgt von Arsenal, Brighton & Hove Albion und Manchester United. So jedenfalls besagt es ein Nachhaltigkeits-Ranking der BBC in Zusammenarbeit mit einer UN-Initiative für mehr Klimaschutz im Sport. Einige Vereine in England haben eigene Initiativen für Nachhaltigkeit. Der FC Southampton zum Beispiel hat sich verpflichtet, für jeden Spieler aus der eigenen Akademie, der bei den Profis debütiert, 250 Bäume zu pflanzen.

Forest Green Rovers - der erste CO2-neutrale Klub

Das konsequenteste Beispiel für Klimaschutz im englischen Fußball lässt sich in der vierten Liga besichtigen, bei den Forest Green Rovers. Der Verein wurde von der UN als erster CO2-neutraler Klub der Welt anerkannt, bietet ausschließlich veganes Essen an und plant ein Stadion komplett aus Holz. Kritiker sehen die Forest Green Rovers als Werbeplattform für das Ökostrom-Unternehmen von Klub-Besitzer Dale Vince, doch unstrittig ist, dass der Verein dabei hilft, die Botschaft von mehr Nachhaltigkeit im Fußball zu etablieren.

Dort dürfte sie künftig noch mehr zu vernehmen sein, und zwar gezwungenermaßen. Die Zeitung "The i" formulierte es gerade dramatisch: "Der Fußball wird in den kommenden Jahren wohl stärker Klima-Initiativen nach vorne bringen müssen – oder feststellen, dass kein Planet mehr da ist, auf dem Fußball gespielt werden kann."