Fußball I Nations League Leroy Sané - ein Tief tiefer

Stand: 06.06.2022 13:44 Uhr

Leroy Sané bestätigte in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft den Eindruck, den er zuletzt auch beim FC Bayern hinterlassen hatte. Er steckt in einem Tief, das tiefer erscheint als bei anderen. Sané hat einiges mit Mesut Özil gemein.

Bei manchen Spielern, Marcel Schmelzer etwa oder Marvin Plattenhardt, vermutlich sogar bei den meisten linken und rechten Verteidigern in der Nationalmannschaft in den vergangenen zehn Jahren, war die Frage, ob sie gut genug sind für die Eliteauswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Bei Leroy Sané, der meistens vor den Außenverteidigern auf den beiden Flügeln spielt, stellte sich diese Frage vielleicht, als er seine ersten Profispiele für den FC Schalke 04 machte, aber hauptsächlich noch in der U19 des Revierklubs die Gegner narrte.

Das außergewöhnliche Talent Sanés war sehr früh zu erkennen. Er hatte und hat ein Talent, das der deutsche Fußball vor ein paar Jahren sehnsüchtig vermisste. Sané kann an einem, besser sogar an zwei und vielleicht auch an drei Gegnern mit Tempo vorbeidribbeln und damit die größte Sehnsucht des modernen Fußballs befriedigen, die nach Raum und Überzahl.

Eher "mangelhaft" als "ausreichend"

Leroy Sané ist jemand, der das vierte Dribbling startet, auch wenn die drei zuvor gestoppt wurden. Auch das ist eine Fähigkeit, die gesucht wird. Aber derzeit ist mal wieder die Frage, warum dieser Leroy Sané so oft hängen bleibt, so oft falsche Entscheidungen trifft, und vor allem auf jede dieser Aktionen so reagiert, dass eine Frage aufkommt, die auch der moderne Fußball mit sich brachte - die nach der Körpersprache.

Am Samstag (04.06.2022) saßen deutsche Reporter auf der Tribüne des Stadio Dall‘Ara in Bologna, die zehn Minuten vor dem Abpfiff ihre Noten absprachen. "Sané vier oder fünf?", fragte einer, und es gingen einmütig alle Finger einer Hand hoch. "Mangelhaft" also, und vermutlich hätte selbst der befangene Spieler nicht auf eine bessere Note als "ausreichend" plädiert.

Flick: "Er hat enorme Qualitäten"

"Diejenigen, die mich schon länger kennen, wissen, dass ich hier keinen rausnehme", sagte Bundestrainer Hansi Flick nach dem 1:1 in Italien, explizit angesprochen auf die Leistung Sanés. Beim nächsten Medientermin zwei Tage später erhielt Flick erneut entsprechende Fragen und wurde konkreter. "Er hat enorm gute Qualitäten [...]. Aber auch er braucht die Bereitschaft, zu zeigen, dass er aktiv ist."

Dabei setze er vor allem auf Kommunikation, sagte Flick. "Es ist enorm wichtig, dass man mit den Spielern spricht, sich austauscht und weiß, welche Dinge ihn vielleicht auch privat umtreiben und auf welcher Position er sich am wohlsten fühlt. Gleichzeitig bekommt er aber auch klare Vorgaben, was wir von ihm erwarten. Wir unterstützen ihn und haben absolutes Vertrauen in seine Qualität."

Elf Tore in 43 Länderspielen

Das wiederum müsse aber nicht gleich bedeuten, dass Sané auch im zweiten Spiel der Nations League gegen England am Dienstag (07.06.2022, ab 20.15 Uhr live hören und im Ticker bei sportschau.de) in München von Anfang an spiele.

Elf Tore schoss Sané bislang in seinen 43 Länderspielen, das ist eine gute Quote für einen Flügelspieler. Fünf Vorlagen sind allerdings ein bisschen dürftig. Beim FC Bayern waren es in der abgelaufenen Bundesligasaison sieben Assists und sieben Tore in 32 Spielen.

Sehr gute Phase unter Nagelsmann

Er hatte über viele Monate eine sehr gute Phase unter Trainer Julian Nagelsmann, doch der letzte Eindruck bleibt. Im letzten Drittel der Saison ging die Formkurve steil nach unten, mit allen Symptomen, die auch in Bologna auftraten, Stichwort "Körpersprache".

Anfang März, als der Leistungsabfall schon eingesetzt hatte, sagte Sané in einem Interview mit der "Sport-Bild": "Ich fühle mich sehr gut ins Spiel eingebunden. Alles hat sich super entwickelt."

Fürstlicher Vertrag und hohe Erwartungen

Hoch, Tief, Hoch, Tief - das ist eine normale Entwicklung eines Fußballers. Sané ist inzwischen 26 Jahre alt, er spielte sogar damals schon bei Schalke mit seinem Verein auf höchstem Niveau, erst recht in den Jahren bei Manchester City von 2016 bis 2020 und seitdem beim FC Bayern.

Der deutsche Rekordmeister verpflichtete ihn trotz eines im letzten Jahr bei City erlittenen Kreuzbandrisses und stattete ihn zu Beginn der Pandemie mit einem fürstlichen Vertrag aus. Das schraubt Erwartungen in die Höhe.

Parallelen zu Özil

Aber bei Sané sind es vielmehr die außergewöhnlichen Qualitäten, wegen derer er kritischer gesehen wird als andere. Sané ist der neue Mesut Özil, vor allem auch unter dem Stichwort "Körpersprache".

Beide sind an guten Tagen Spieler, die mit ihren Dribblings, ihrem Tempo und ihrer Leichtigkeit eine Mannschaft besser machen. "Leroy kann ein Unterschiedsspieler sein", betonte auch Flick. An schlechten Tagen wie im Beispiel Sanés im vergangenen Spiel gegen Italien aber treiben sie Trainer, Mitspieler und die Fans zur Verzweiflung.