Adeyemi (l.), Müller (m.) und Schlotterbeck nach dem Remis gegen UngarnFu

Nations League Ernüchterung bei der DFB-Elf

Stand: 12.06.2022 19:36 Uhr

Die deutsche Nationalmannschaft macht gegen Ungarn einen unerwarteten Rückschritt. Die DFB-Verantwortlichen um Bundestrainer Hansi Flick und Direktor Oliver Bierhoff zeigen sich ernsthaft besorgt.

Es wird sich noch herausstellen, ob es sich um die Nachwehen einer langen Saison mit Liga-Spielen und Champions-League-Partien handelt. Oder ob es eher ein strukturelles Problem innerhalb der deutschen Nationalmannschaft gibt.

Was sich aber jetzt schon sagen lässt: Nach dem eher glücklich zustande gekommenen 1:1 gegen Ungarn und den nun drei kaum ermutigenden Auftritten in der Nations League hat sich zumindest die Begeisterung, die um den Neu-Bundestrainer Hansi Flick vor kurzem noch geherrscht hat, erst einmal in Ernüchterung verwandelt. Drei Unentschieden in Folge (1:1 gegen Italien, 1:1 gegen England) sind nicht das, was sich alle Beteiligten im Vorfeld vorgestellt haben. Auch Flick kann die grundlegendsten Probleme des Teams, an denen auch schon sein Vorgänger Joachim Löw verzweifelte, nicht einfach eliminieren.

Grundlegende Kritik

"Wir haben einfach ohne Überzeugung aufgebaut, waren zu schleppend im Spielaufbau. Wir haben es dem Gegner relativ einfach gemacht, kompakt zu stehen", sagte DFB-Direktor Oliver Bierhoff nach dem Spiel in der Puskas-Arena in Budapest.

Und auch der Bundestrainer versuchte gar nicht erst, das Gezeigte zu beschönigen. "Vom Ergebnis her und von der Art und Weise, wie wir das Spiel angegangen sind, war es für uns ein Rückschritt", sagte Hansi Flick. Überaus ernüchternde Einschätzungen der Verantwortlichen, da sie damit grundlegende Faktoren und Herangehensweisen ihrer Spieler an den von Flick geforderten Stil kritisieren.

Wir haben einfach ohne Überzeugung aufgebaut, waren zu schleppend im Spielaufbau. Wir haben es dem Gegner relativ einfach gemacht, kompakt zu stehen.
DFB-Direktor Oliver Bierhoff

Unkonzentriertheiten und Stellungsfehler

Und: Wieder hat die deutsche Elf einen Gegentreffer hinnehmen müssen. Aber noch viel bedenklicher war der Umstand, dass auch Ungarn - wie bereits zuletzt England - gegen Ende der Partie beste Chancen hatte, sie noch für sich zu entscheiden.

Torhüter Manuel Neuer bewahrte sein Team erneut vor einer Pleite. "Es ist meistens so, wenn ein Torwart herausragend ist, dann stimmt ein bisschen was im Spiel nicht. Ich habe es schon oft betont, Manu ist ein absoluter Weltklasse-Torhüter, und er hat uns heute einfach auch diesen Punkt in Budapest gerettet, festgehalten", sagte Flick.  

Doch nicht nur die Unkonzentriertheiten und Stellungsfehler in der DFB-Defensive dürften die Alarmsignale beim Bundestrainer schrillen lassen. Auch im Offensivbereich ist mit Beginn des Aufbauspiels alles andere als Optimismus angebracht: Spielfreude, Überraschungsmomente oder gar nachdrückliche Dribblings kamen nicht zustande. Im Gegenteil.

Quer- und Rückpässe bestimmten vor allem das deutsche Spiel. Die Folge: Das Angriffsspiel wurde bereits frühzeitig im Mittelfeld beendet. "Wenn man die Statistik nimmt - ich glaube nicht, dass wir viele Torabschlüsse haben. Das können wir wesentlich besser", sagte Flick.

Kimmich und Goretzka untergetaucht

Von Joshua Kimmich und Leon Goretzka im zentralen defensiven Mittelfeld war so gut wie nichts zu sehen, sie konnten sich gegen die zweikampfstarken Ungarn schlicht nicht durchsetzen. Jamal Musiala vor den beiden Sechsern versuchte es mit seinen schlangenartigen Bewegungen immerhin ab und an, seine Ballfertigkeit für sein Team zu nutzen. Nachdrückliche Akzente konnte aber auch er nicht setzen.

Und in der Angriffsspitze hing der zu allem Überfluss seit Monaten formschwache Timo Werner in der Luft. "Ich würde es unter dem laufen lassen, dass bei uns komplett in der Mannschaft die Überzeugung fehlt. Es ist schon so, dass er einen großen Aufwand hat und versucht, den Gegner unter Druck zu setzen. Dass er sich immer wieder anbietet. Aber wir haben einfach zu wenige Torchancen", sagte Flick mit Blick auf seinen einzigen "Neuner" im Team.

Neuer will "Rakete zünden"

Kapitän Manuel Neuer musste sich das zeitweise quälend langatmige Spiel seiner Kollegen von hinten ansehen. Seine Ansage, in diesem Jahr Weltmeister werden zu wollen, dürfte er wohl spätestens an diesem Abend von Budapest selbst hinterfragt haben.

"Man hat heute gesehen, dass wir noch nicht so weit sind. Daraus lernen wir. Wir haben schon gute Seiten von uns gesehen gegen Italien und gegen England. Das müssen wir ins Spiel gegen Italien mitnehmen. Da wollen wir dann eine Rakete zünden", sagte der DFB-Kapitän. Überzeugung sprach dabei nicht aus seinem Gesicht.